Dokument-Nr. 10961
Marx, Wilhelm an Bertram, Adolf Johannes
Berlin, 24. Februar 1924

Abschrift zu V J 863
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Euer Eminenz!
Euer Eminenz haben die Besorgnis geaeussert, dass die Aufwertungsbeschraenkungen der dritten Steuernotverordnung auch fuer die Dotationsverpflichtungen, die dem Staat auf Grund der Saekularisationen, der alten konkordatsmaessigen Vereinbarungen und anderer Rechtstitel gegenueber der katholischen Kirche obliegen, von einschneidender Wirkung werden koennten. Wie ich bereits in meinem Schreiben vom 8. d. M. mir auszufuehren erlaubte, erscheint diese Befuerchtung nicht begruendet.
Von den Aufwertungsvorschriften der dritten Steuernotverordnung in der nunmehr endgueltig beschlossenen und veroeffentlichten Fassung bleibt zunaechst das ganze Gebiet derjenigen Dotationslasten unberuehrt, die aus Anlass der Saekularisationen und der Konkordate begruendet oder vom Staat uebernommen sind; dies gilt insbesondere fuer alle Dotationslasten, die unmittelbar oder mittelbar auf dem Reichsdeputationshauptschluss und den den Zircumskriptionsbullen zu Grunde liegenden Abmachungen mit der Kurie beruhen. Die weite Fassung des § 15 ist gerade mit aus dem Grunde gewaehlt worden, um es fuer alle diese Lasten bei dem bisherigen Rechtszustande zu belassen. Sollten gleich-
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wohl in dieser Hinsicht noch Zweifel bestehen, so koennten sie durch Ausfuehrungsbestimmungen auf Grund des § 64 klargestellt werden.
Was sodann die Dotationsverpflichtungen anlangt, die auf anderen Rechtstiteln beruhen, so scheiden zunaechst alle die Lasten aus, die die Bestreitung von Unterhalts-, Kultus- und Baukosten von ziffernmaessig nicht bestimmter Hoehe zum Gegenstande haben; denn die Verordnung regelt nur die Aufwertung solcher Ansprueche, die auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme lauten (§ 1). Von den ziffernmaessig fixierten Dotationslasten fallen mit Ausnahme der Reallasten alle Dotationsverpflichtungen oeffentlichrechtlicher Natur nicht unter die Verordnung; sie sind im Katalog des § 1 nicht aufgefuehrt und koennen auch nicht als Vermoegensanlagen im Sinne des § 12 angesehen werden. Endlich gelten die Aufwertungsvorschriften der Verordnung auch nicht fuer solche Dotationsverpflichtungen, die auf einem gegenseitigen Vertrage beruhen oder bei einer Abfindung, einer Auseinandersetzung oder einem aehnlichen Rechtsvorgange begruendet sind (§ 12 Abs. 2).
Fuer die Aufwertung nach den Vorschriften der Verordnung kommen demnach vornehmlich nur zwei Gruppen von Faellen in Betracht; einmal solche Reallasten, die nicht im Zusammenhang mit Saekularisationen oder konkordatsmaessigen Vereinbarungen begruendet sind; zum anderen Dotationen, die nicht als Abfindung oder bei einer Auseinandersetzung oder einem aehnlichen Rechtsvorgang bewilligt sind. Diese Faelle abweichend von den allgemeinen Vorschriften zu regeln, besteht kein Anlass. Soweit es sich als notwendig erweisen sollte, koennen jedoch nach § 64 fuer solche Ausnahmefaelle allgemeine Anordnungen ergaenzen-
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den oder abweichenden Inhalts getroffen werden.
In ehrfurchtsvollster Hochachtung
Euer Eminenz
gehorsamster
gez. Marx
Empfohlene Zitierweise
Marx, Wilhelm an Bertram, Adolf Johannes vom 24. Februar 1924, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 10961, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/10961. Letzter Zugriff am: 24.04.2024.
Online seit 18.09.2015.