Dokument-Nr. 1202
Hertling, Friedrich Georg Graf von an Pacelli, Eugenio
Berlin, 10. Februar 1918

Euerer Eminenz
beehre ich mich mit Beziehung auf das Schreiben vom 31. v. M. ganz ergebenst mitzuteilen, dass der Briefverkehr zwischen dem päpstlichen Stuhl und dem Nuntius in München einerseits und den Bischöfen in den von den deutschen Truppen besetzten Gebieten andererseits in folgender Weise geregelt ist:
Der päpstliche Stuhl und die Nuntiatur in München haben das Recht, Briefe an die Erzbischöfe, Bischöfe und Bistumsverweser in den besetzten Gebieten Frankreichs, Belgiens und Russlands verschlossen zu befördern, sofern diese Briefe rein kirchliche Angelegenheiten betreffen und sofern sie mit dem Lacksiegel der absendenden Stelle verschlossen sind.
Den Erzbischöfen, Bischöfen und sonstigen kirchlichen Behörden in den besetzten Gebieten ist die entsprechende Befugnis der verschlossenen Korrespondenz mit dem päpstlichen Stuhl und dem Nuntius in
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München nicht eingeräumt worden, da die militärischen Stellen, wie sie auf diesseitige Schritte wiederholt erklärt haben, aus militärischen Gründen und aus sonstigen Erwägungen auf eine militärische Überwachung dieser Briefe nicht verzichten zu können glauben.
Der päpstliche Stuhl ist von dieser Regelung des Briefverkehrs durch die Königlich Preußische Gesandtschaft in Lugano s. Zt. unterrichtet worden.
Mit Rücksicht hierauf und da die Briefzensur in den besetzten Gebieten eine rein militärische Angelegenheit ist, bin ich unter voller Würdigung der Motive, die Euere Eminenz zur Stellung des vorliegenden Antrags veranlasst haben, zu meinem lebhaften Bedauern nicht in der Lage, eine anderweitige Stellungnahme der militärischen Befehlshaber herbeiführen zu können.
Ich gestatte mir übrigens darauf aufmerksam zu machen, dass auch die Briefe der in den von den deutschen Truppen besetzten Gebieten Belgiens befindlichen Bischöfe offen aufgegeben werden müssen. Dies betrifft sowohl die Korrespondenz der Bischöfe unter-
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einander als auch die mit der Nuntiatur in Brüssel und mit dem päpstlichen Stuhl. Nur im Anfang des Krieges war dort die verschlossene Korrespondenz eine Zeitlang gestattet worden. Grade die Erfahrungen, die mit der Haltung des belgischen Klerus gemacht worden sind, haben, wie ich vertraulich bemerken darf, die militärischen Stellen dazu geführt, später die offene Korrespondenz vorzuschreiben.
Auch erschien es den militärischen Befehlshabern in Belgien nicht unbedenklich, den belgischen Bischöfen bei ihrem Briefverkehr mit dem Nuntius in Brüssel und dem päpstlichen Stuhl größere Vorrechte einzuräumen, als sie den Konsularbehörden neutraler Staaten in Belgien im Verkehr mit ihren Regierungen und deren Gesandten in Brüssel eingeräumt sind. Diese Korrespondenz muss nach den bestehenden Bestimmungen gleichfalls offen erfolgen.
Ich benutze gern diesen Anlass zur erneuten Versicherung meiner ausgezeichnetsten Hochachtung, womit ich verbleibe
Euer Eminenz
ganz ergebener
Hertling
Empfohlene Zitierweise
Hertling, Friedrich Georg Graf von an Pacelli, Eugenio vom 10. Februar 1918, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 1202, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/1202. Letzter Zugriff am: 29.03.2024.
Online seit 02.03.2011.