Dokument-Nr. 13478
Boelitz, Otto an Pacelli, Eugenio
Berlin, 17. Oktober 1923

Euer Exzellenz
beehre ich mich von folgenden Vorgängen ergebenst in Kenntnis zu setzen:
Am Sonntag, den 26. August d. Js. haben Anhänger der Rheinischen Republikanischen Partei in München-Gladbach eine Versammlung abgehalten. Die Bevölkerung in München-Gladbach lehnt einmütig die Bestrebungen der Sonderbündler, die sich aus dunkelsten Kreisen zusammensetzen, ab. Da die Sonderbündler durch ihr Auftreten die einheimische Bevölkerung aufs schärfste herausforderten, wurden sie auseinandergetrieben. Infolge dieser Vorfälle sind mehrere Personen durch die Rheinlandkommission ausgewiesen worden, u. a. auch der Geistliche Dr. Otto Müller, Verbandsvorsitzender der westdeutschen katholischen Arbeitervereine. Dieser hat sich in keiner Weise irgend etwas zuschulden kommen lassen und ist an den Vorfällen völlig unbeteiligt. Er hatte lediglich, bevor noch irgend welche Unruhen stattgefunden hatten, in die Versammlungshalle einzutreten versucht. Er fand sie verschlossen und wandte sich an den ihm bekannten, in der Nähe stehenden Gewerkschaftssekretär Trawinski
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mit der Anfrage, was geschehen sei. Kaum hatte Müller gefragt, als ihm ein belgischer Kriminalbeamter den Personalausweis abverlangte. Er erhielt alsdann den Ausweisungsbefehl. Dieses Vorgehen gegen einen allgemein beliebten Geistlichen hat in der ganzen Bevölkerung ausserordentliche Entrüstung hervorgerufen. Der Regierungspräsident hat bei dem Bezirksdelegierten der Rheinlandkommission in Krefeld einen scharfen Protest gegen die Ausweisungen eingelegt, insbesondere gegen diejenige des Geistlichen Dr. Müller.
Ich gestatte mir Euer Exzellenz von dem Vorfalle ergebenst Mitteilung zu machen mit der Bitte hiervon dem heiligen Stuhle [sic] in geeigneter Weise Kenntnis zu geben. Es dürfte für den heiligen Stuhl nicht ohne Interesse sein zu erfahren, in welcher ungerechtfertigten Weise selbst die katholische Macht Belgien gegen katholische Geistliche vorgeht. Dies um so mehr, als das Vorgehen durchaus danach angetan ist, die Autorität der katholischen Geistlichen, denen eine solche Behandlung zuteilt wird, zu gefährden. Hiermit verbinde ich die weitere Bitte, Ihrerseits für Dr. Müller tunlich eintreten zu wollen.
Genehmigen Euer Exzellenz den Ausdruck meiner besonderen Verehrung, womit ich die Ehre habe zu zeichnen als
Euer Exzellenz ergebenster
Boelitz
Empfohlene Zitierweise
Boelitz, Otto an Pacelli, Eugenio vom 17. Oktober 1923, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 13478, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/13478. Letzter Zugriff am: 29.03.2024.
Online seit 24.10.2013.