Dokument-Nr. 14225
Deym, Maria Theresia von, geb. von Gumppenberg an Pius XI.
Arnstorf, vor dem 14. November 1923

Euer Heiligkeit,
Glorreich regierender, lieber heiliger Vater,
Ich bin mir völlig bewußt, daß ich gegen alle Etiquette, Formen & Vorschriften sowohl des römischen Hofes als auch meines Hauses gröblichst sündige, wenn ich dir als „Vater", und wenn ich dir direct und persönlich schreibe; ich weiß auch daß deiner allerhöchsten Person als unmittelbarem Nachfolger des lbn. Heilandes hier auf Erden alle diese äußeren Ehren gebühren, und ich wollte ich könnte die ganze Welt anführen um sie zu vermehren & mich mit allen Menschen auch äußerlich zu deinen Füßen zu legen in allertiefster Ehrfurcht: aber heißest du uns nicht alle in der erbarmenden Liebe des Heilandes deine Kinder, und erlaubst uns dich unsern „Vater"
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zu nennen? Und wann kann ein Kind weniger einen Vermittler brauchen, und verlangt ungestümer direct, allein und ungestört mit seinem Vater reden zu dürfen, als wenn Bitten und Sorgen sein Herz beschweren? Und eben dies ist heute bei mir der Fall, heute komme ich nur als dein Kind für viele Kinder, nämlich alle Pfarrkinder der Pfarrei Arnstorf dein Vaterherz um milde Gaben bestürmen. Du hast für das geschlagene Mitteleuropa schon soviel getan, das wissen wir und haben dir im Herzen und vor dem Tabernakel schon 1.000x dafür gedankt. Aber nachdem wir halt jetzt deine ärmsten Kinder sind, dürfen wir auch ohne Furcht dich zu beleidigen oder abgewiesen zu werden immer von neuem dir zu Füßen fallen! Höre bitte, liebster, bester Vater, mein Anliegen. Sende mir bitte einen Beitrag damit ich unser katholisches Vereinshaus bauen lassen kann! Glaube mir, nachdem du es leider nicht mit eigenen Augen sehen kannst, daß es ein ganz primitiver Saalbau wird, der nur den stolzen Namen Vereinshaus trägt; wir wären überglücklich, wenn wir nur das Notwen-
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digste erreichen könnten: 4 von einem Dach überdachte Mauern in denen unser unvergleichlich eifriger Seelsorger seine Herde, von Wind und Wetter geschützt, nach Ständen getrennt, frei und ungehindert versammeln kann! Oh wenn Du diesen unsern Pfarrherrn & sein Wirken hier sehen könntest! Wie würde dein Vaterherz & Priesterherz aufjubeln in Freude, wieviel Trost würdest du daraus schöpfen& dem lbn. Heiland danken, daß er in ihm einen 2. "Pfarrer von Ars" – wir nennen ihn allgemein so, – erweckt hat. Kein größeres Unglück könnte die ganze Gegend hier treffen als wenn er stürbe oder von seinen kirchl. Vorgesetzten von hier wegversetzt würde! Ich kann dir, der du ja sein besonderer Vater bist, dessen besonders liebend & treuergebener Sohn er ist, nicht schreiben ohne dir von ihm und seinem Wirken zu erzählen, weil es mir unnatürlich vorkäme, zumal er ja innigst mit meiner Bitte und Sorge, unserm Vereinshaus zusammenhängt. Ich hatte ihn um ein paar "Testimonia" gebeten, nachdem ich mich angeboten hatte, an einige apostolisch gesinnte Katholiken des Auslands zu schreiben – er weiß nicht, daß ich dieses Testimonium ohne Umschweife an
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die höchste Instanz sende, würde es mir wohl verbieten was mein vertrauendes Kinderherz sich nicht verbieten läßt! Lieber, heiliger Vater, dir brauche ich nicht zu sagen was in größeren Orten mit den Vereinen für Gottesehre & für die gute Sache steht und fällt; du weißt wie deine glorreichen heiligen Vorgänger was durch sie für Gott gewonnen und dem höllischen Feind entrissen wird! Und wenn du erst, ich muß es noch einmal sagen, sehen könntest wie blühend unsere Vereine sind, mit wie viel Mühe, Liebe u. Sorge unser lbr. Herr Pfarrer sie gegründet, wie er oft seine letzte Kraft Sonntag f. Sonntag hergibt um in ihnen Vortrag f. Vortrag zu halten, wie er besonders den Mitgliedern der männlichen Vereine einzeln nachgeht, stundenweis, du würdest ungebeten mit großer hoherpriesterlicher Freude uns schenken, was du schenken kannst, und auch Priester deiner Bekanntschaft und Umgebung auffordern dir für uns zu schenken! Denke dir, welch namenloser Schmerz sein (L. Pfarrers) Priesterherz & uns alle die wir mit ihm apostolisch denken, erfüllen müßte, wenn all diese 18jährige Arbeit wieder verloren ginge!
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Denn ab nächstes Jahr wird uns der jetzt noch freie Schulsaal genommen, die Männerwelt kann die Miete & die obligaten Getränke in den Gasthäusern nicht mehr bezahlen – wir sind gezwungen uns auf eigne Füße zu stellen. Und ich erwarte also mit kindlichem Vertrauen und übergroßer Freude des Herzens daß du, lieber heiliger Vater, treuster Helfer für alle apostolischen Sorgen deiner Kinder, uns hilfst, so viel & mächtig du uns eben neben deinen vielen andern Kindern helfen kannst! Nimm von unsrer ganzen Gegend vor allem von unserm geliebten Pfarrer und auch von mir, deiner geringsten Tochter, im voraus ein 1.000faches "Vergelts Gott" an, das im Himmel ganz gewiß ein 1.000faches Echo finden wird! Ich bin bei dem Gedanken daß diese Zeilen wirklich an dich gelangen werden, daß ich armes Kind mit dir so direct in Verbindung trete, verworren aber doch unendlich glücklich; vielleicht, vielleicht wenn Gott uns andere Zeiten schickt darf ich doch noch einmal mit Mann u. Kindern zu Deinen Füßen knieen. Sollte aber, was Gott verhüten wolle, wie prophezeit ( ob
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auf göttliche Eingebung?) – du selbst in Italien nicht mehr sicher sein – oh dann komm zu uns wo dich niemand suchen wird,& wenn, wo dann die katholischen Männer & Jünglinge in den Vereinen zu ganzen Katholiken erzogen, dein Leben mit dem ihren schützen werden! Beglücke unser Haus, unseren Ort, unser Land! Entzünde in uns neu das Feuer deiner, das ist des Heilands Liebe!
Einstweilen aber verzeih deinem vertrauensvollen Kind, daß es sich erkühnte so lang mit dir zu sprechen und gib mir zum Zeichen deiner Vergebung deinen hohepriesterlichen, päpstlichen Segen! Ich erbitte ihn für meine Familie, Mann. und 7 Kinder (ich bin die Großnichte von (Tante) Gräfin Holberg in Rom, die du vielleicht kennst & die mich bei dir bestätigen kann) vor allem für unsern Herrn Pfarrer, für alle katholischen Vereine Arnstorfs & für den Mütterverein dessen Vorsteherin ich bin, ganz speciell; und ich bitte dß. unser Herr Pfarrer uns diesen Segen in deinem Namen erteilen darf!
Mit dieser Bitte bleibe ich, bester u. treuster Vater
Deiner Heiligkeit
In tiefster Ehrfurcht ergeben, unwürdige u. gehorsameste Tochter
Maria Theresia Gräfin v. Deym
geb. Freiin v. Gumppenberg
170r, oben links hds. von unbekannter Hand, vermutlich vom Empfänger, notiert: "A Msgr. Pacelli che informi se è il caso di fare qualche cosa ed in quale misura"; oben rechts hds. von unbekannter Hand, vermutlich vom Empfänger, notiert: "C.ssa v. Deyn [sic] n.a bar.a v. G Arnstorf Niederbayern".
Empfohlene Zitierweise
Deym, Maria Theresia von, geb. von Gumppenberg an PiusXI. vom vor dem 14. November 1923, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 14225, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/14225. Letzter Zugriff am: 25.04.2024.
Online seit 23.07.2014, letzte Änderung am 18.09.2015.