Dokument-Nr. 14366

Bayerischer Landtag. Der Etat des Aeußern. Gesandtschaften in Rom und Stuttgart, in: Münchner Neueste Nachrichten, Nr. 305, S. 5, 07. November 1924
Gesandtschaften in Rom und Stuttgart
In Fortsetzung der Beratung des Etats des Ministeriums des Aeußern nahm der Haushaltsausschuß am Freitag vormittag zunächst einen Antrag der Bayer. Volkspartei und einen deutschnationalen Antrag an, die die Regierung beauftragten, daß den Inhabern der goldenen und silbernen Tapferkeitsmedaille sowie des Militär-Sanitätsordens ihr Ehrensold baldigst wieder gewährt wird. Von Regierungsseite war hiezu erklärt worden, daß die Streichung dieser Ehrenzulagen durch das Reich auf Grund des Ermächtigungsgesetzes erfolgt sei und daß die Regierung im Sinne der Anträge bereits Vorstellungen in Berlin erhoben, jedoch noch keine Antwort erhalten hat. Die bayerische Regierung stehe auf dem Standpunkt, daß es eine unbillige Härte, ja ein Eingriff in wohlerworbene Rechte sei, den Inhabern dieser Ehrenzeichen ihre Zulagen zu nehmen.
Bei der Position „Staatliche Archive“ stellte Abg. Dr. Buttmann (V. Bl.) den Antrag, eine Stelle der Gruppe X in eine solche der Gruppe XI umzuwandeln.
Ministerpräsident Held anerkannte die mißlichen Beförderungsverhältnisse der Archivbeamten, erklärte aber, daß die Regierung mit Rücksicht auf den Beamtenabbau und das Schlüsselverhältnis zu anderen Kategorien diesen Antrag nicht zur Annahme empfehlen könne.
Generaldirektor Dr.  Riedner führte bezüglich der Neuorganisation der Archive aus, daß diese Arbeiten nicht überstürzt werden können. Es handle sich um außerordentlich komplizierte und weitreichende Arbeiten, die zwar inzwischen fortgeführt, aber noch nicht so gefördert werden konnten, wie es wünschenswert gewesen wäre. Der Hauptgrund hiefür liege im Beamtenabbau und in den außerordentlich ungünstigen räumlichen Verhältnissen. Infolgedessen hätten alle jene Arbeiten zurückgestellt werden müssen, die nicht vordringlicher Natur sind. Es handle sich vor allem um die Ordnungs- und Registrierungsarbeiten und die Vorarbeiten für die Neuorganisation.
Gegenüber dem Antrag Buttmann wurde von seiten der Regierung und mehrerer Abgeordneter geltend gemacht, daß Stellenveränderungen nur zum Zwecke der Schaffung von Beförderungsmöglichkeiten schon bisher nicht üblich waren und daß gerade jetzt die Konsequenzen aus einem solchen Beschluß für die Etatabgleichung verhängnisvoll werden müßten.
Abg. Stang (B. Vp) bat, den Abbau bei den Archiven mit Rücksicht auf deren Bedeutung nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch für das Wirtschaftsleben auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken.
Der Antrag Buttmann wurde schließlich gegen die Stimmen der Völkischen abgelehnt, das Kapitel “Staatliche Archive“ unverändert genehmigt.
Beim Kapitel Gesandtschaften beantragte Berichterstatter Giehrl (B. Vp) die Genehmigung der Aufwendungen für die Gesandtschaften in Rom, Berlin und Stuttgart. Mitberichterstatter Segitz (Soz.) stellte den Antrag, die Gesandtschaft beim Päpstlichen Stuhl und in Württemberg aufzuheben.
Ministerpräsident Held wies auf die Konsequenzen eines solchen Beschlusses hin (Aufhebung der päpstlichen Nuntiatur in München) und hob die Bedeutung hervor, die die Gesandtschaft in Stuttgart in dem Verhältnis zwischen Bayern und Württemberg und auch für die bayrische Wirtschaft hat. Manche Staaten hätten eben eine so ausgeprägte politische Stellung im Reiche und eine Sonderstellung in der Wirtschaft, daß der bayerische Staat eine eigene Vertretung dort unterhalten müsse. Ueber die Beziehungen Bayerns zum Hl. Stuhl und über die Notwendigkeit, diese Verbindung aufrecht zu erhalten, glaube er denen gegenüber, die Verständnis für das religiöse Leben des Volkes haben, kein weiteres Wort verlieren zu müssen. Es liege durchaus im Interesse des Staates, möglichst reibungslose und gute Beziehungen zum Hl. Stuhl aufrecht zu erhalten. Der Ministerpräsident sprach bei dieser Gelegenheit dem päpstlichen Nuntius in München den Dank der bayerischen Regierung aus für die ersprießliche und erfolgreiche Tätigkeit. Auch von anderen deutschen Staaten werde die Wichtigkeit einer binnenstaatlichen Vertretung anerkannt. Preußen habe die bayerische Stelle wieder zu einer Gesandtschaft erhoben und auch andere Staaten, in denen linksgerichtete Regierungen bestehen, ständen auf dem Standpunkt, daß es ein Fehler war, die binnenstaatlichen Gesandtschaften abzuschaffen und gehen wieder mehr dazu über, diese Verbindungen wieder herzustellen. In diesem Augenblick sei es für Bayern unmöglich, seine eigenen Gesandtschaften aufzuheben. Der Ministerpräsident erklärte, er werde gegebenenfalls nicht zaudern, im Bedarfsfalle dafür einzutreten, noch weitere Verbindungen mit anderen Staaten herzustellen.
Abg. Dr. Buttmann (V. Bl.) erklärte, daß sich der Völkische Block die Abstimmung zu diesem Kapitel vorbehalte.
Abg. Dill (Soz.) bemerkte, daß die Zustimmung seiner Fraktion zur Aufrechterhaltung der Berliner Gesandtschaft keine Zustimmung zur Tätigkeit des Berliner Gesandten bedeute. Auch seine Partei wünsche, daß zwischen dem Reich und dem päpstlichen Stuhl ein gutes Einvernehmen besteht, halte aber den bayerischen Gesandtenposten in Rom für überflüssig.
Abg. Eisenbeis (Fr. Vg.) erklärte seine Zustimmung für die Berliner Gesandtschaft. Für die Gesandtschaften in Rom und Stuttgart könne er dagegen kein Bedürfnis erkennen.
Ministerpräsident Held hob nochmals die Bedeutung einer persönlichen Fühlungnahme mit den andern Regierungen hervor. Die Aufrechterhaltung der bayerischen Gesandtschaft am Vatikan und der Nuntiatur halte er schon deshalb für notwendig, weil es sich dabei um einen wesentlichen Ausdruck der Eigenstaatlichkeit Bayerns handle. Auch der Heilige Stuhl lege den größten Wert darauf, durch Aufrechterhaltung der Nuntiatur in unmittelbarem Verkehr mit der bayerischen Regierung zu bleiben. Auch die Reichsregierung habe sich damit einverstanden erklärt, daß die bayerische Gesandtschaft in Rom bestehen bleibt. Daß in einem Organisationsplan die Aufhebung der Gesandtschaft in Stuttgart vorgeschlagen wurde, sei nicht richtig. [da der folgende Satz zeilenmäßig verkehrt angebunden war, habe ich ihn korrigiert.] Diese Frage sei lediglich in einer Note eines einzelnen Ministeriums behandelt worden, um mit Rücksicht auf öffentliche Erörterungen eine klare Stellung unter den Ministerien herbeizuführen. Im Ministerrat habe aber keine Meinungsverschiedenheit darüber geherrscht, daß die Gesandtschaft in Stuttgart aufrecht zu erhalten sei. Wenn Bayern sich nicht zu einer Provinz herunterdrücken lassen wolle, dürfe es den Weg der Aufhebung dieser Gesandtschaften nicht beschreiten.
In der Abstimmung wurde der sozialdemokratische Antrag auf Aufhebung der Gesandtschaften in Rom und Stuttgart gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und des Abg. Eisenbeis abgeleht. Das Kapitel fand unverändert Annahme.
Beim Kapitel „Pressestelle“ erklärte Berichterstatter Giehrl (B. Vp.), daß die Pressestelle notwendig sei. Wohl seien verschiedene Mängel zutage getreten, aber daran sei nicht immer die Pressestelle selbst schuld gewesen, sondern gewisse Ministerien und Ministerialreferenten, die sich um die Pressestelle nicht kümmerten. Abg. Eisenbeis (Fr. Vg.) begründete seinen Antrag auf Aufhebung der Amtlichen Pressestelle und Einsparung der ausgeworfenen Summe damit, daß die Pressestelle ihre Aufgabe nicht erfüllen könne, weil die Parteikorrespondenz der Bayer. Volkspartei mit vertraulichen Nachrichten voraus sei. Ministerpräsident Dr. Held betonte die Notwendigkeit der Pressestelle und schilderte ihr zweifaches Aufgabengebiet, einmal die Ministerien über die Verlautbarungen in der Presse zu unterrichten und zum zweiten die Vertreter der Presse über die Absichten und Pläne der Regierung auf dem laufenden zu halten. Der Ministerpräsident verfehlte nicht, dem Leiter und den übrigen Angestellten der Amtlichen Pressestelle Dank und Anerkennung auszusprechen. Der Wunsch des Vereins der auswärtigen Presse, den amtlichen Presschef zu etatisieren, könne er nicht erfüllen, da er auf dem Standpunkt stehe, daß der ganz Organismus der Pressestelle keinerlei amtliche Aufmachung vertrage. Für die Hinterbliebenenversorgung der Mitglieder der Pressestelle kündigte der Ministerpräsident eine Vorlage an. Abg. Staedele (B.B.M.B.) gab namens des Landesverbandes der bayerischen Presse die Erklärung ab, daß der Landesverband die Aufrechterhaltung der Amtlichen Pressestelle für unbedingt notwendig erachte.- Abg. Dr. Glaser (V. Bl.) vertrat die Ansicht, daß die Pressestelle ihre Aufgabe nicht zu erfüllen vermochte.- Abg.  Dill (Soz.) ersucht den Abg. Eisenbeis, den Antrag auf Streichung der Amtlichen Pressestelle zurückzuziehen. – Abg. Stang (B. Vp.) erklärte sich gegen den Antrag Eisenbeis und begrüßte die Absicht der Regierung für die Angestellen der Pressestelle eine Altersversorgung einzurichten.
Ministerpräsident Held erklärte bezüglich des Journalistengesetzes, daß er bei einer Aussprache mit Vertretern der Presse kein Hehl aus seiner Auffassung gemacht habe, daß selbstverständlich für den freien Beruf der Journalisten eine Sicherung für Krankheit, Invalidität und für die Hinterbliebenen gesetzlich festgelegt werden müsse. Das sei leider in dem Entwurf nicht vorgesehen. Es werde Aufgabe der sachverständigen Mitglieder des Reichsrates und des Reichstages sein, dafür zu sorgen, daß dieser Mangel in dem Entwurf behoben wird. Der Ministerpräsident äußerte sich dann über die Stellung der Regierung zur Presse im allgemeinen und betonte, daß er den Wunch habe, daß
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Anlage vom 07. November 1924, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 14366, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/14366. Letzter Zugriff am: 19.04.2024.
Online seit 18.09.2015, letzte Änderung am 10.09.2018.