Dokument-Nr. 14480
Hallberg, Franz Freiherr vonStrauß, A. an Pius XI.
München, 13. August 1924

Heiligster Vater!
Euer Heiligkeit wagen es die ehrfurchtsvollst Unterzeichneten im Namen der Ukrainischen Nationalen Kosakenvereinigung mit einer herzlichen Bitte zu nahen.
Sie fühlen sich zu diesem Schritte durch die Tatsache ermutigt, dass Euer Heiligkeit als Schirmherr und Wohltäter der gesamten Christenheit schon früher einer Bitte der Ukrainischen Nationalen Kosakenvereinigung wohlwollendstes Gehör geschenkt haben. Denn auf die machtvolle Einwirkung des Heiligen Stuhles in Rom glauben die Ukrainer es zurückführen zu dürfen, dass vor etwa einem Jahre auf ein damals durch die Ukrainische Nationale Kosakenvereinigung beim Heiligen Stuhle eingereichtes Gesuch der in Gefangenschaft schmachtende ehrwürdige Metropolit Lipkowsky von den Bolschewisten wieder frei gelassen wurde. Auch in materieller Hinsicht aber haben die Ukrainer schon mannigfache und grosse Wohltaten durch den Heiligen Stuhl empfangen, wodurch sich die Ukrainische Nationale Kosaken-Vereinigung zu tiefgefühltestem Danke verpflichtet sieht. –
Die ehrfurchtsvollst Unterzeichneten treten deshalb heute mit grösstem Vertrauen vor Euer Heiligkeit mit einer neuen Bitte:
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Nicht nur das ukrainische Volk in der alten Heimat sondern vorallem auch die ukrainischen Emigranten sind durch den Bolschewismus vertrieben, in die schlimmste Not geraten. Die vielen Notschreie, die aus den Kreisen aller Ukrainer dringen, sind gewiss auch schon bis zu Euer Heiligkeit gelangt; denn sie sind seit der Entstehung der bolschewistischen Herrschaft in Russland niemals verstummt und haben das Mitgefühl der ganzen Welt auf sich gelenkt. Sie neu zu schildern, mag daher an dieser Stelle überflüssig erscheinen. Es sei nur darauf hingewiesen, dass die materielle Not für alle Ukrainer deshalb besonders schwer zu ertragen ist, weil sich zu ihr meist auch noch die geistige Not gesellt, die dadurch verursacht ist, dass den Ukrainern in grosser Zahl die Tröstungen ihres Glaubens entweder ganz versagt oder doch nur unter allen möglichen Gefahren und Hemmnissen zugänglich sind. –
Die von der Ehrfurchtsvollst Unterzeichneten unterbreitete neue Bitte geht im Besonderen dahin, es möge sich die milde Hand Eurer Heiligkeit nunmehr speziell für die ukrainischen Emigranten in Gnaden öffnen, deren Zahl auf etwa 400 Personen zu beziffern ist. Diese aus ihrer Heimat vertriebenen Flüchtlinge haben sich in den verschiedensten Ländern, besonders in Deutschland, niedergelassen und kämpfen um ihre Existenz einen schweren Verzweiflungskampf. Denn die Länder, die ihnen Zuflucht geboten haben, sind teils selbst völlig verarmt, teils ohne werktätiges Interesse für die Flüchtlinge, sodass bitterste Not unter ihnen herrscht.
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Die Ukrainische Nationale Kosakenvereinigung, welche bevollmächtigt ist, die nationalen und kulturellen Belange dieser Emigranten in erster Linie zu vertreten, hat sich seit Jahren bemüht, den bedrängte<n>1 Ukrainer-Flüchtlingen Hilfe zu schaffen. Es war ihr aber trotz grösster Anstrengungen unmöglich, die Mittel aufzubringen, die zu einer wirklich durchgreifenden Verbeistandung [sic] nötig erscheinen. – Vorallem die letzten Monate mit ihren schweren wirstschaftlichen [sic] Krisen liessen somanchen 2 Quelle versiegen, aus der früher einige Subsidien geflossen waren. Nur die Bitte an Euer Heiligkeit blieb da als letzter Weg noch offen. –
Die Ukrainische Nationale Kosakenvereinigung, in deren Namen die ehrfurchtsvollst Unterzeichneten das vorliegende Bittgesuch einzureichen wagen, ist Seiner Exzellenz dem hochwürdigsten Herrn Nuntius Pacelli durch wiederholte Vorträge der Unterzeichneten hinsichtlich ihrer Ziele und Bestrebungen bekannt. Ihre national-kulturelle Arbeit ist von Seiner Exzellenz schon wiederholt durch Rat und Tat gefördert worden.
Die unterfertigten gehorsamsten Gesuchsteller nehmen mit herzlichster Dankbarkeit gegenüber Seiner Exzellenz darauf Bezug, dass ihnen Seine Exzellenz mit grösstem Wohlwollen den Rat erteilt hat, das vorgeschilderte Anliegen Euer Heiligkeit selbst zu Füssen zu legen. –
Im Namen der in bitterer Not lebenden ukrainisch-christlichen Emoigranten entledigen sich die ehrerbie-
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tigst Gefertigten hierdurch ihrer Pflicht, die Fürsprecher für die schwer bedrängten Flüchtlinge zu sein und lassen sich dabei von der Hoffnung leiten, vor dem gütigen Vaterherzen Euerer Heiligkeit geneigtestes Gehör zu finden.
In tiefster Ehrfurcht und aufrichtigst empfundener Dankbarkeit geharren, Heiligster Vater:
Euer Heiligkeit
alleruntertänigste
Hauptataman
Ukrain. Nat. K. Ver. S.

Strauß
Oberst a. D.

Frhr. v. Hallberg
Mitglied des Zentral-Ausschusses des
Deutschen Caritas-Verbandes.
1Hds. von unbekannter Hand, vermutlich vom Verfasser korrigiert.
2Hds. von unbekannter Hand, vermutlich vom Verfasser korrigiert.
Empfohlene Zitierweise
Hallberg, Franz Freiherr von an PiusXI. vom 13. August 1924, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 14480, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/14480. Letzter Zugriff am: 28.03.2024.
Online seit 18.09.2015.