Dokument-Nr. 15110
Ammann, EllenOldenbourg, Margarete an Pius XI.
[München], 28. Januar 1925

Abschrift
Euere Heiligkeit!
Heiliger Vater!
Wenn Kinder sich in einer schwierigen Situation keinen Rat mehr wissen, kommen sie zu ihrem Vater - und so wagen auch wir es heute einmal wieder zur nie versagenden väterlichen Güte Euerer Heiligkeit unsere Zuflucht zunehmen und um eine Spende zu bitten, welche uns die Fortführung unserer Arbeit ermöglicht.
Unsere im Mai 1920 als erste in München gegründete Mittelstandshilfe konnte bis zum Herbste vorigen Jahres dank reichlich fliessender Spenden aus dem In- und Auslande - worunter auch solche von Euerer Heiligkeit waren - den immer grösser und dringender werdenden Anforderungen aus den Kreisen des verarmten Mittelstandes nachkommen und ca 2.000 Personen durch regelmässige Abgabe sehr verbilligten Brotes und anderer Lebensmittel, von Kleidern, Wäsche, Geldunterstützungen, Stellen- und Arbeitsvermittlung vor der äussersten Not und Verelendung bewahren.
Wir arbeiten in engster Fühlungnahme mit den städtischen Wohlfahrtsämtern, können aber als private Organisation viel rascher, individueller und diskreter helfen als diese, sowie deren oft unzureichende Unterstützungen ergänzen und den Kreis der Unterstützten weiter ziehen, als es Behörden möglich ist. Sind Bedürftigkeit und Würdigkeit nachgewiesen, so gibt es bei uns keinen Unterschied nach Nationen und Konfessionen - alle werden mit der gleichen christlichen Liebe aufgenommen - , und wir haben Beweise, dass wir dadurch so
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manches zum Frieden und besseren Verständnis unter den Konfessionen beitragen können, ja sogar oft für unsere heilige Kirche werbend wirken.
In den letzten Monaten schon versiegten die Auslandspenden vollständig und nachdem wir zu Weihnachten noch die Mehrzahl unserer Schützlinge mit reichlichen Berscherungen und stimmungsvollen Feiern beglücken konnten, s [sic] sind wir nun gänzlich mittellos und nicht mehr in der Lage für eine schon sehr verringerte Zahl von ca 1.200 Personen die verbilligte Lebensmittelabgabe und die Ausgabe von gut bezahlter Heimarbeit aufrecht zu erhalten.
In der nier 1derdrückenden Angst und Sorge, unser so bitter nötiges Hilfswerk aufgeben zu müssen, bitten wir daher Euere Heiligkeit aus tiefstem Herzen um rasche Hilfe und sehen der Gewährung unserer Bitte mit hoffnungsfreudiger Zuversicht entgegen.

Indem wir Euer Heiligkeit Ring und Fuss küssen, verbleiben wir Euer Heiligkeit in kindlicher Ehrfurcht und Liebe

ergebenste

gez. E. Amman M. d. L.
Vorsitzende des Kath. Frauenbundes.
Margarete Oldenbourg
Leiterin der caritativen Sektion d. K. F. B.
1Hds. von unbekannter Hand, vermutlich von den Verfasserinnen, durchgestrichen.
Empfohlene Zitierweise
Ammann, Ellen an PiusXI. vom 28. Januar 1925, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 15110, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/15110. Letzter Zugriff am: 28.03.2024.
Online seit 24.06.2016.