Dokument-Nr. 15386

Die Papstkundgebung der Breslauer Katholiken, in: Schlesische Volkszeitung, 12. Februar 1924
In ungezählten Scharen strömten am gestrigen Abend die Breslauer Katholiken hinaus nach dem Schießwerdersaal, um auf den Ruf ihres Diözesan-Oberhirten dem Hl. Vater Papst Pius XI. an der Wiederkehr seines Krönungstages ihre Huldigung darzubringen. Das Große, Machtvolle und Unbezwingbare, das uns in jeder über den Rahmen des Alltäglichen hinausgehenden Katholikenversammlung erfaßt und dem Gegner Achtung abzwingt, lebte auch in der gestrigen Kundgebung, kam gerade dem Charakter des Tages entsprechend noch schärfer als sonst zum Ausdruck: das Bekenntnis zur Einheit und Einigkeit unserer katholischen Kirche, das Treuegelöbnis zu Rom und dem Papsttum. Jubelnd brach sich dieses Gelöbnis Bahn in den brausenden Hochrufen auf Papst Pius, wurde zum machtvollen Schwur in dem Papstliebe "Den Gruß laßt erschallen" und klang mit freudigen Akkorden aus in dem Hymnus "Großer Gott wir loben dich" als Dank gegen Gott für die Gnade, Kinder der einigen und alleinseligmachenden Kirche zu sein.
Dieser Feierstimmung entsprechend hatte auchder Saal sein Festkleid angelegt, Flaggen und die Fahnen der katholischen Vereine grüßten (kunstvoll von dem Inhaber der Firma Ritter Herrn Zawidzki arrangiert) von allen Seiten herab. Auf der Bphne hatte die Büste Papst Pius XI Aufstellung gefunden, zu deren Rechten und Linken sich die studentischen Korporationen in Wichs mit ihren farbenprächtigen Bannern gruppierten. An der Längsseite war der in rotem Samt und Gold gehaltene Baldachin aufgebaut, unter dem Kardinal Bertram, Weihbischof Wojciech, Mitglieder des Domkapitels und hochangesehene Vertreter aus der Laienwelt, darunter Geheimrat Dr.  Borsch, Platz nahmen. Der Saal selbst war bis auf den letzten Platz von der gläubigen katholischen Welt Breslaus gefüllt.
Eingeleitet wurde die Kundgebung durch den Festgesang "Jauchzet dem Herrn alle Welt" von Karl Thiel, der von dem Schülerkorps des St. Matthiasgymnasiums unter Leitung von Gymnasialgesanglehrer Brunz und unter Begleitung von Trompeten und Posaunen zu Gehör gebracht wurde. Universitätsprofessor Dr.  Eidenberger ergriff darauf das Wort zu einer großen und feinsinnigen Festrede, in der er an die Versammelten einen eindringlichen Appell zu "Treue, Vertrauen und Liebe als Gegengabe der deutschen Katholiken an den Papst" richtete. Die Rede, auf die wir noch ausführlich zurückkommen werden, klang aus in brausende Hochrufe auf Se. Heiligkeit Papst Pius XI. und in das mit Begeisterung gesungene Schwurlied "Den Gruß laßt erschallen zum Ewigen Rom". Student Podleska brachte dann im Namen der Jugend einen Huldigungsgruß dar. Er gab ein scharf gezeichnetes Bild von deutscher Not und deutschem Leid, erinnerte an die Hilfstätigkeit des Papstes, die er der Jugend, insbesondere der akademischen Jugend zuteil werden ließ und gelobte als Dank ewige umwandelbare Treue. "Wir wollen, so rief er aus, "Katholiken der Tat sein, wollen kämpfen für die Güter des Glaubens, für die christliche Schule und diese Treue halten, bis der Tod uns erläst von dem Kampf unseres Lebens." Brausender Beifall folgte diesen kurzen martigen Sätzen, die unserer idealgesinnten katholischen Jugend so recht aus dem Herzen gesprochen waren.
Nach einem zweiten Gesangsvortrag "Du Hirte Israels" von Bortniansky, ebenfalls vom Schülerchor des St. Matthiasgymnasiums vorgetragen, trat unser Oberhirt Kardinal Bertram an das Rednerpult zu einer Ansprache, der er nachstehendes Thema zugrunde legte.
Programm und Mahnruf des "Pax Christi in regno Christi."
Den Gruß laßt erschallen - zum Ewigen Rom! So klang es durch diese Hallen.
Was ist es, das unsere Herzen hinzieht nach Rom? Wer ist es, dessen Hand uns hinweist zur Ewigen Stadt?
Es ist Christus der Herr, der König Himmels und der Erde. Er, der König und Hirte weist uns an den hienieden bestellten Hirten, dem er seinen Hirtenstab gegeben.
An jenem, für alle Zeiten entscheidenden Tage, da Christus das Opfer der Erlösung Bolgatha vollenden wollte, - in dem Augenblicke, da das Todesurteil über ihn fallen sollte: da erschien er trotz aller Schmach in seiner ganzen Hoheit und Majestät. Im Gerichtshaufe, im Angesichte des Judentums und Heidentums öffnet er seine Lippen zu der Offenbarung: "Ich bin ein König." Dann fügt er hinzu, welches sein Reich ist. "Dazu bin ich geboren und dazu bin ich in die Welt gekommen, um der Wahrheit Zeugnis zu geben." (Joh. 19. 37)
Also König der. Sein Reich ist das Reich der Wahrheit. Reich der Gnade und Heiligtum. Reich der Liebe. Das ist Christi Reich auf Erden. Ein Reich des Friedens.
Was irdische Reiche nicht geben können, sollte Christi Reich uns geben. Drum klang in dieses Reich Christi Wort: Meinen Frieden gebe ich euch. Dem entspricht das Programm des obersten Hirten:
Pax Christi in regno Christi.
Friede im Reiche der Wahrheit. Wo herrscht der? Da, wo wir die volle Gewißheit haben, daß unverfälscht und unvergänglich dieselbe beglückende Wahrheit uns verkündet wird, die Christus der Menschheit brachte.
Friede im Reiche des Gnadenlebens herrscht, wenn die Quellen der Erlösung, die Christus erschlossen, auch uns erquicken.
Friede im Reiche der Liebe wenn die alle einigende, allen hilfreich nachgehende Liebe lebendig in uns ist.
Das ist die Antwort auf die Frage: Was heißt das: Pax Christi in regno Christi. Nicht eine schöne anmutende Redewendung, sondern Lebensaufgabe des Pontifikates ist das und Aufgabe aller katholischen Christen. Dieses Mysterium, diese Einsetzung zu feiern, sind wir versammelt.
1. Friede durch die ewige Wahrheit: das ist's, wonach vor allem die Menschheit verlangt und heißer als je hungert in unserer Zeit geistiger Zerfahrenheit. Das Menschenherz ist müde des heillosen Streites der sich bekämpfenden Meinungen. Was nützt uns alle menschliche Geistesarbeit und Forschung, wenn nicht die Gewißheit der allerwichtigsten und entscheidenden Wahrheiten dem suchenden Menschenherzen geboten werden kann? Soll dem Menschen, da er der Wigkeit entgegengeht, nichts anderes auf seinem Pfade beschieden sein als ein ewiges Suchen und Irren, eine ewige Ungewißheit unter endlosen Widersprüchen? Das ist unvereinbar mit Christi Werk. Christi Verheißung lautet ganz anders: Er kam als "Licht der Welt". Er nannte sich "das Licht, die Wahrheit und das Leben". Er sandte die Apostel als Träger dieses Lichtes, dieser Wahrheit für alle Völker, für alle Zeiten. "Für alle Völker" und "für alle Zeiten: das ist die Spannweite seines Reiches. Er barg die Fülle der geoffenbarten Wahrheit im Busen seiner Braut, im Herzen seiner Kirche. Dann aber sorgte er auch für die Bewahrung der unverfälschten Reinheit seiner Wahrheit auf immer. Dieser seiner Kirche gab er "den Geist der Wahrheit auf ewig". So sein eigenes Wort. So die Verfassungsurkunde seiner Kirche. So seine Garantie.
Das ist unsere Gewähr. Das unsere Felsenkraft. Als Felsen der Kirche bezeichnet er den Fellermann Petrus. Hüter und Verkünder seiner Wahrheit sind als rechtmäßige Nachfolger der Apostel die Bischöfe, nach St. Pauli Wort gesetzt vom Hl. Geiste, die Kirche Gottes zu regieren. In der nie unterbrochenen Sukzession des Episkopats auf die Apostel und in seiner Verbindung mit dem Nachfolger des Hl. Petrus liegt die volle Gewähr der Wahrheit unseres Glaubens. Das gibt Ruhe und beglückenden Frieden unserer nach Wahrheit hungernden Seele.
Nun verstehen wir: Pax Christi in regno Christi.
Petrus hat durch Leo gesprochen, so rief die Kirche im fünften Jahrhundert zur Zeit Leos I. Petrus redet durch Pius, so ruft die Kirche im 20. Jahrhundert.
Oft denke ich, wenn ich die Bedeutung des Papsttums für die Reinerhaltung des Glaubens erwäge, an einen Akt bei der Papstwahl zurück, der im Konklave mich am tiefsten ergriffen hat. Das war nicht die herrliche Krönungsfeier in der Peterskirche, sondern ein schlichter Akt, der unmittelbar nach der Wahl sich vollzog.
Kardinal Achilles Ratti war gewählt. Mit tief bewegter Stimme hatte er erklärt, daß er die Wahl annehme, dem Rufe der Kirche sich unterwerfend. Er legte den weißen Talar an und stieg zum Altar der Sixtinischen Kapelle empor, um die erste Huldigung der Kardinäle zu empfangen. Vorher aber an den Stufen des Altars legte er sein Glaubensbekenntnis ab. Dann erst stieg er zum Altar empor. In jenem Augenblick stand vor meinem Geiste Petrus, wie er zuerst bekennen mußte: Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes. Dann erst folgte die Einsetzung: Und du bist Petrus und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen. Ebenso am 6. Februar 1922 Pius in der Sixtinischen Kapelle. Hüter und Verkünder desselben Glaubens zu sein, wie es St. Petrus war, das zeigt sich in diesem schlichten Akte als die heiligste aller Aufgaben des Pontifikates.
Hüter des Glaubens und der heiligen Glaubenswissenschaft: Darum die unvergleichlich inhaltreiche Enzyklika unseres Papstes, in der er der katholischen Welt den tiefsten und lichtvollsten aller Lehrer der Glaubenswissenschaft, Thomas von Aquin als Vorbild aller Theologen des Erdkreises vor Augen stellte.
Verkünder des Glaubens: Darum hat Pius XI. im Jubeljahre der Propaganda als wichtigste Aufgabe seines Pontifikates bezeichnet die Missionstätigkeit rings auf dem Erdkreise. Propaganda für Christi Reich: das ist edelste Friedensarbeit. Den Frieden, der in der Gewißheit des Glaubens liegt, den Völkern zu bringen, die noch in Finsternis und Irrtum sitzen, das [sic] die herrlichste Aufgabe. Daher unser stetes Flehen, daß Gott die glückliche Zeit herbeiführe, wo Ein Hirt und Eine Herde sei auf Erden: die Zeit des Sieges des Glaubensfriedens.
Selig die Füße derer, die den Frieden verkünden.
Pax Christi in regno Christi: das ist auch ein Mahnruf an dich, katholisches Volk. Ihr seid so glücklich als katholische Christen diese Glaubensgewißheit zu besitzen. Nun sichert euch und behütet den tiefen Geistesfrieden, der gerade in der Glaubensgewißheit beruht. Wir sichern uns diese Gewißheit durch Streben nach tiefer Glaubenskenntnis, durch Eindringen in die ganze Größe und Schönheit und Kraft der katholischen Wahrheit. Wir hüten dieses hohe Gut, indem wir die Glaubensgefahren abwehren. Ihr habt es in der Hand, bei Eurer Lektüre, Eurem Verkehr Wege zu gehen, auf denen Zweifel und Mißtrauen in Euch wie Unkraut wuchern, oder Wege, auf denen die Glaubenskraft und Glaubensfreude und Glaubensinnigkeit in Euch wachsen und vertieft werden kann. Ist das dem Geiste Christi gemäß, seine Geistesnahrung zu suchen in glaubensfeindlicher Presse? Fort mit Zeitungen, die unablässig ihre Spalten durchfleichten mit Angriffen in offener oder verschleierter Gestalt gegen die katholische Kirche und gegen die Lebensäußerungen der Kirche. Immer wieder muß ich an Pius' X energische Warnung denken, die da lautete: "Ihr werdet vergebens Kirchen bauen, wenn ihr nicht eine große katholische Presse habt."
Pax Christi, Friede der Glaubensgewißheit unserer Jugend! Daher unser Kampf für die konfessionelle Schule. Schulen, in denen fünf Lehrer niederreißen, was einer aufbaut, senken den vergifteten Keim des Zweifels in das jugendliche Herz. Das ist nicht pax Christi. Zweifel an den ewigen Wahrheiten wirkt zerrüttend, alles untergrabend, führt sicher zum Indifferentismus. Das ist nicht ein Friede geistigen Lebens, sondern Erstarrung, Friede des geistigen Todes. Glaubensgleichgültigkeit ist das Grab des religiösen Lebens.
Pax Christi. Friede der Wahrheit. Katholiken, seid Apostel dieses Friedens! Unsere Tagungen dienen nicht zum Jubeln oder zur Personenverherrlichung, sondern zu ernsten, praktischen Entschlüssen.
In seiner ersten programmatischen Enzyklika hat Pius XI. jenes Wort anklingen lassen, das die edelste Seite der Glaubensliebe in sich schließt: das Wort vom Laienapostolat. Das ist edelste Dankbarkeit für das Glaubensgut; jene apostolische Liebe, die Klarheit den Zweifelnden bringt, die Irrenden den Weg zur Wahrheit zeigt, die dem sinkenden Bruder die rettende Hand reicht, die sich annimmt derer, die der Herr mit den zerstreuten Schafen vergleicht. Ja, für die Gefährdeten und Zerstreuten muß unser Herz warm werden, für die Brüder in der Diaspora. Warm werden muß unser Herz für diejenigen, die unter einem Dache, in einer Straße mit uns leben, die aber den Frieden Christi nicht kennen; für diese sollen wir ein liebes, zutrauliches Wort haben, müssen wir zu Opfern bereit sein. Das ist Laienapostolat. Diese Liebe zu den Gefährdeten, zu den Irrenden, zur Diaspora muß das Herz der Kandidaten des Priestertums beseelen. Und Ihr, katholische Männer und Frauen: wenn Eure Pfarrer Euch rufen zu rettender Liebestat, Euch rufen zu Uebernahme von Vormundschaften, zu Teilnahme am stillen und klugen apostolischen Wirken, dann klinge an Euer Ohr der Ruf Pius' XI: Pax Christi. Dann sollt Ihr Frieden diesen zerrissenen Herzen und gefährdeten Brüdern bringen.
Wer die Zeichen der Zeit versteht, der fühlt, wie in Millionen von Herzen die Sehnsucht nach diesem Herzensfrieden lebendiger ist als je. Nach dem Zusammenbruche unseres Wirtschaftslebens, inmitten der Trostlosigkeit, die über unser Kulturleben zu kommen droht, regt sich überall die Sehnsucht nach religiöser Gewißheit, nach jenen Wassern des Lebens, die allein Heilung bringen können. Das entspringt dem Empfinden, daß alles Edle im Menschenherzen seine Vollendung findet im Christentum: Anima humana naturaliter christiana. Nun liegt es an uns, daß jeder an seiner Stelle helfe, diesem tiefen Sehnen der Herzen entgegenzukommen.
Das also halten wir für die erste und tiefste Bedeutung des Programms des Pontifikates: den Frieden der religiösen Klarheit und Gewißheit in die Herzen, in die Jugendbildung und ins Volksleben! Nun aber ist Christi Reich nur Eines. Drum ist mit diesem Frieden unzertrennlich verbunden:
II. der Friede der einigenden Liebe.
Wie klingt doch so traut durch alle Zeiten die Friedensverheißung des Gottmenschen beim letzten Abendmahl: "Meinen Frieden gebe ich Euch", hinzugesetzt ist dieser Verheißung der Hinweis auf die Quellen und Bande dieses Friedens in folgenden drei kurzen Sätzen: "Bleibet in meiner Liebe!" - "daß ihr euch einander liebet" - und daß "alle Eins seien". Welch wundersame Kraft ruht in diesen drei kurzen Sätzen! Man braucht sie nur zu sprechen, um die ganze Tiefe des Wortes zu fassen: Pax Christi in regno Christi. Ja, Gott sei Dank, daß unsere Kirche eine Heimstätte dieser Liebe und dieser Einigkeit ist inmitten einer Zeit entsetzlichen Völkerhasses und rücksichtslosen Egoismus. Das ist eine der größten Gottesgaben für unsere Zeit.
Man spricht so viel von den Gefahren, die über die Kirche gekommen sind, und so wenig von den hohen Gütern und Kräften, die Gott gerade unserer Zeit zum Schutze der Kirche gegeben hat. Denken wir doch auch an diese. Das lieblichste Brautgeschenk, das der Herr vor dem Scheiden seiner Braut, seiner Kirche, hinterlassen hat, ist die Einigkeit, die die Katholiken des Erdkreises mit dem Oberhaupte verbindet. Getrost kann ich fragen: wann war je die Einigkeit in der katholischen Kirche so fest und das Bewußtsein dieser Einigkeit so freudig wie in unseren Tagen? Das ist das Hochgefühl, das jeden Kardinal hebt und beglückt an dem Tage, wo er zum Konklave in den Vatikan eintritt: treue brüderliche Einigkeit unter den Priestern der Römischen Kirche im Kardinals-Kollegium; treue und den ganzen Erdkreis umschließende Einigkeit des Episkopats; und mit ihm verbunden alle Priester und Gemeinden. Von solchem Bewußtsein getragen, treten die Wähler trotz aller Wucht der Verantwortung doch mit wahrhaft freudiger Erwartung in die Sixtinische Kapelle und dann zur Wahlurne. Kaum ist die Wahl vollzogen - Tränen der Rührung sah ich in den Augen der ältesten Kardinäle - da klingt als spontaner Ausdruck des Glückes der Einigkeit ein Jubelruf hinaus in die Ewige Stadt und hin über den Erdkreis.
Gott sei Dank, daß es noch eine Autorität auf Erden gibt, an deren Felsenkraft seine irdische Macht rütteln kann. Das ist eine Empfindung, die auch in nichtkatholischen Kreisen tiefsten Eindruck macht. Unter den hochbegabtesten nicht-katholischen Historikern und Staatsrechtslehrern gibt es zahlreiche, die nicht Worte genug finden können, um diese Fortdauer der höchsten Autorität inmitten aller Umwälzungen zu bewundern.
Es ist also Wirklichkeit: Pax Christi in regno Christi. Wer Christus liebt, der liebt seine Braut, die katholische Kirche. Wer die Kirche liebt, der liebt ihr Oberhaupt; der liebt den Geist der Kirche. Dem ist es Herzenssache: sentire cum Ecclesia: denken und sinnen und fühlen, wie die Kirche sinnt und fühlt.
Das Band, das diese Einheit schlingt, ist, wie jeder weiß, nicht Zwang, nicht irdische Rücksicht, nicht politisches Interesse, es ist die aus dem Glauben entspringende übernatürliche Liebe. Das ist so lichtvoll ausgesprochen in den Worten, mit denen der Herr das Hirtenamt einsetzte. Ehe Christus seinen Hirtenstab über seine ganze Herde in Petri Hand gab, mußte Petrus dreimal versichern, daß und wie er den Herrn liebe. Auf dieser Liebe stutzend, erhielt er den Auftrag: Nun weide meine Herde. Ein organisches Wechselverhältnis tut sich da vor unsere Augen auf, ethische Kräfte, die ineinander greifen. Der Liebe des Hirten zu Christus und zur Herde entspricht die Liebe der Herde zu Christus und zum Hirten. In diesem Doppelhande heiliger Einigung in Glaube und Liebe liegt jener wundersame Friede, der in der ganzen weltumspannenden Organisation der katholischen Kirche ruht.
Siehe da: Pax Christi in regno Christi.
Die Liebe kennt keine Grenzen und kein Rasten. Der Hirtenliebe entspringt das ununterbrochene Bemühen des Papstes um Anbahnung des Friedens unter den Völkern. Kaum hatte der Krieg begonnen, als Papst Benedikt uns beten lehrte um das idealste aller politischen Güter: daß die Völker sich in Liebe wieder zusammenfinden. Denken wir nicht, daß solche Mahnrufe unnütz sind. Zeitweilig werden sie erstickt vom Sturme der Leidenschaften, vom Gewirr der Intrigen. Doch werden ruhigere Zeiten kommen, die den ausgestreuten Samen aufgehen sehen. Was Benedikt anstrebte, Pius setzt es in nie rastenden Bemühungen fort. Mag Verdächtigung der Lohn sein, das kann uns nur bestimmen, um so dankbarer uns dem Hl. Vater zu erweisen. Nicht nur in Worten, sondern auch in der Tat. Wie denn? Indem wir alles meiden, was nach Hass und Rache aussieht. Darum lehnt der treu katholische Christ bei aller Liebe zum eigenen Volke und zur angestammten Eigenart doch jene Art völkischer Einseitigkeit und eines übertriebenen Nationalismus ab, der für andere Nationen nur Abneigung hat und die Zugehörigkeit zur Familie Jesu Christi. Für den Katholiken besteht zwischen der Liebe zur Kirche und der Liebe zur Nationalität keinerlei Kampf und Rangstreit. Wohl bewußt der Pflicht, für das Vaterland die höchsten Opfer zu bringen, wohl bewußt, daß unsere Vaterlandsliebe ihre höchste Weihe gerade durch unsere religiöse Opferwilligkeit empfängt, ist es doch unser ehrliches Verlangen, daß pax Christi herrsche in dem alle Völker umfassenden regnum Christi. Das erheischt eine verständige gegenseitige Achtung und ein kluges Streben nach Wiederanbahnung freundlicher Beziehungen. Gerade dadurch, daß der Vater der Christenheit gleiche werktätige Liebe jedem Volke entgegenbringt, trägt er Gedanken des Friedens in die Wirren der Völkerfamilie.
Werktätiger Liebe entspringen die Bemühungen des Papstes um den Völkerfrieden und um die Notleidenden in Mittel- und Osteuropa. Darum danken alle notleidenden Völker dem Vaterherzen des Papstes, und wahrhaftig nicht zuletzt das deutsche Volk. Kein Monat seines noch kurzen Pontifikates, in dem nicht ungezählte Taufende deutscher Kinder, arme Familien, caritative Anstalten, Seminare und Konvikte, wissenschaftliche Institute und Studierende Gaben der Liebe von ihm empfangen hätten. Briefe, die ich in den letzten Tagen aus Amerika, Spanien, Italien, Holland erhielt, zeugen von dem Echo, das der Aufruf des Papstes zu Deutschlands Hilfe geweckt hat.
Das gibt Frieden unzähligen Herzen, zu wissen: "Ich bin nicht vergessen". Darum in unserem Papstliede die Stelle: "Zum Herzen, das uns allen - Schlägt in St. Peters Dom."
So sehen wir den Hl. Vater walten in der zweifachen Friedensarbeit: Wunden zu heilen und neue Wunden zu verhüten.
Hat nicht die katholische Christenheit allen Grund, den Gedenktag der Wahl und der Krönung des Papstes freudig zu begehen? Nicht um Personenkult handelt es sich, sondern um die Bedeutung der höchsten Autorität auf Erden und um Anerkennung eines Wirkens, das klar vor aller unser Augen liegt. Wir senden den Gruß inniger kindlicher Dankbarkeit zur Hl. Stadt. Wir geloben Treue in Gehorsam und in Mitarbeit beim Wirken des Vaters der Christenheit. Wir beten zum ewigen Guten Hirten, daß er uns seinen treuen Statthalter lange Jahre erhalte und sein schon von so manchen herrlichen Erfolgen begleitetes Wirken zum Heile der Menschheit auch fernerhin segne. Wir richten an uns, jeder an sich selbst, die ernste Frage: hast du an deiner Stelle genügend erkannt und unerschrocken geübt, was in dem Worte "Laienapostolat" eingeschlossen ist? Wir beugen dankbar das Knie vor der göttlichen Vorsehung, die so sichtlich über der Kirche waltet. Darum stimmen wir alle ein mit all der Liebe und all' der Begeisterung, der ein katholisches Herz fähig ist, in den Lobgesang: Te deum laudamus. - Großer Gott, wir loben dich!
Die Versammlung erhob sich und sang darauf machtvoll als Schlußlied den Dankeshymnus "Großer Gott wir loben Dich". Damit nahm die Kundgebung ihr Ende.
Empfohlene Zitierweise
Anlage vom 12. Februar 1924, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 15386, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/15386. Letzter Zugriff am: 24.04.2024.
Online seit 18.09.2015.