Dokument-Nr. 16014
Fritz, Karl an Pacelli, Eugenio
Freiburg im Breisgau, 22. August 1924

Ew. Exzellenz!
Auf das sehr geschätzte Schreiben v. 16. d. Mts. No. 31066 beehre ich mich ergebenst zu erwidern:
Der geistliche Schriftsteller Heinrich Mohr ist ein literarisch sehr gebildeter und sittenreiner Priester. Im Jahre 1910 hat er dem Erzb. Ordinariat Freiburg erklärt, daß er "vor Gott und seinem Gewissen als seinen eigentlichen Lebensberuf im geistlichen Stande betrachte, dem katholischen Volk seines Landes als Volksschriftsteller zu dienen", und zugleich die Verwendung im kirchlichen Dienst der Erzdiözese abgelehnt. Bis heute ist die schriftstellerische Tätigkeit in der Hauptsache seine Arbeit. Zur Zeit gibt er die bekannte Wochenschrift "Das Himmelreich" heraus, die geschätzt und abgelehnt wird. Ich schätze seine Schriftstellerei und auch ich habe ihn deshalb nicht in die Seelsorge zurückgerufen.
Heinrich Mohr ist eine umstrittene Persönlichkeit. In der Erzdiözese wird er besonders von den nicht zahlreichen rechtsstehenden (deutschnationalen) Katholiken hochgeschätzt, von der überwiegenden Mehrzahl der Katholiken aber, besonders den Geistlichen abgelehnt; seine Wochenschrift "Das Himmelreich" ist bei uns nicht sehr verbreitet.
Sein Verhältnis zum verstorbenen Herrn Erzbischof Dr. Thomas Nörber war gespannt und getrübt. Er hat seinen Oberhirten im Jahre 1911 wörtlich beleidigt und erst, nachdem das Offizialat die Sache im Strafverfahren behandelte, den unwürdigen Ausdruck zurückgenommen; zur Zahlung der Gerichtskosten musste er durch Androhung von kirchlichen Strafen angehalten werden. Diese Sache ist in geistlichen Kreisen noch nicht vergessen.
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Die letzte Zeit ist Heinrich Mohr auch politisch im deutschnationalen Sinne hervorgetreten. Die Presse hat sich mit ihm befasst - nicht zu seinem Vorteil. Vor einigen Monaten hat er sich in öffentlicher Erklärung der jahrelangen Bekanntschaft mit dem deutschnationalen Führer General v. Chrismar gerühmt, welcher der Taufe nach katholisch ist, aber eine ganz protestantische Familie hat und sich, wie mir gesagt wurde, religiös nicht betätigt.
Eine Auszeichnung des Schriftstellers Heinrich Mohr durch den Hl. Vater würde in weiten katholischen Kreisen, besonders im Klerus, Anstoß erregen, voraussichtlich auch politisch ausgeschlachtet werden.
Von weiteren Bemerkungen möchte ich mich enthalten und muß zu meinem Bedauern sagen, daß ich seiner Auszeichnung nach Lage der Verhältnisse nicht zustimmen kann. Ich selber weiß mich frei von jeder Voreingenommenheit gegen Mohr, schätze seine schriftstellerische Tätigkeit und will ihm aufrichtig wohl.
In ausgezeichneter Hochachtung und Verehrung
bin ich
Ew. Exzellenz
treuergebener
+ Carl Fritz
Empfohlene Zitierweise
Fritz, Karl an Pacelli, Eugenio vom 22. August 1924, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 16014, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/16014. Letzter Zugriff am: 29.03.2024.
Online seit 18.09.2015, letzte Änderung am 20.01.2020.