Dokument-Nr. 16963

Der Kampf gegen Rom, in: Bayerischer Kurier und Münchener Fremdenblatt, Nr. 63, S. 2., 03. März 1924
Kurz nach dem 9. November hat sich General Ludendorff in der Oeffentlichkeit (Fridericus Nr. 50) zu dem Satze bekannt, daß es für ihn keine „Kompromisse in dem Kampf der christlich-germanischen Weltanschauung gegen die drei Internationalen" gebe. Seine Verteidigungsrede hat die Richtigkeit dieses Satzes – wenn auch in abgestufter Form – bestätigt. Die beiden ersten „Internationalen, die marxistische und die jüdische, hat General Ludendorff nur mit flüchtigen Worten gestreift; dem Kampfe gegen die dritte Internationale, gegen den „Ultramontanismus", gegen Rom, hat er einen Hauptteil seiner Rede gewidmet. Diese abgestufte Behandlung seiner drei Gegener wird niemanden überraschen, der die Weltanschauung und das letzte Wirken des Generals Ludendorff kennt; hat er doch bei anderer Gelegenheit (dem Sinne nach) erklärt, daß die katholische Dynastie in Bayern für Deutschland eine größere Gefahr darstelle, als die rote Internationale.
Nach dem Vorbild des „antiultramontanen Reichsverbandes" und aller sonstigen Kulturkampfsprediger hat auch General Ludendorff erklärt, daß er nur die „politische Betätigung" der katholischen Kirche „ablehne"; im selben Atem aber hat er gegen das Haupt der katholischen Krirche, gegen Würdenträger, Geistliche und Einrichtungen der Kirche Beschuldigungen erhoben, die jedem deutschen Katholiken das Blut der Empörung in die Stirne treiben; er hat den Hl. Stuhl bezichtigt, daß er in dem Kampfe Deutschlands nicht neutral, sondern deutschfeindlich gewesen sei (eine Beschuldigung übrigens, die wenige Tage vor seiner Rede auch in einem völkischen Blatte Münchens erhoben wurde); er hat sich nicht gescheut, durch Mißdeutung einer religiösen Kundgebung, die der verstorbene Papst Benedikt aus Anlaß der Heiligsprechung der Jungfrau von Orleans erlassen hat, die „antiultramontanen" Instinkte aufzuwühlen; er hat die unwahre Behauptung aufgestellt, daß der jetzige Papst sich gegen die „Sabotage im Kampf um Ruhr und Rhein" gewandt habe; er hat den Münchener Kardinal beschuldigt, daß dieser in einem „deutschabträglichen" Sinne in Amerika gewirkt habe; er aht gegen den Papst und gegen den Kardinal in verhüllter Form die alte schmähliche Lüge vorgebracht, daß beide den Plan einer Separation Bayerns mit Hilfe der Franzosen betrieben; er hat den „ultramontanen" Parteien, d.h. den Parteien, von denen er glaubt, daß sie eunter „römischem" Einfluß stünden, unterstellt, daß sie deutschfeindliche Ziele förderten; er hat den Bismarck des Kulturkampfes in seiner Rede wieder aufstehen lassen; er hat den Jesuitenorden mit unwahren und höhnischen Beschuldigungen angegriffen; er hat mittelbar gegen die Münchener katholische Geistlichkeit die niedrige Verdächtigung ausgesprochen, daß diese bei der Bestattung des Landesverräters und Selbstmörders Kühles deshalb mitgewirkt habe, w e i l Kühles Landesverräter gewesen sei; er hat die weitere Unwahrheit von der „steigenden Inschutznahme der Juden durch den hohen Klerus", (eine Unwahrheit, die gleichfalls bereits während der Lügenschlammflut nach dem 9. November auftauchte), vorzubringen für notwendig erachtet. Kurz, er hat in seiner Verteidigungsrede nach Kräften mit in jenem Chor des Hasses gegen Rom und die katholische Kirche eingestimmt, von dem seit dem 9. November ganz Deutschland, Bayern, und vor allem München widerhallt. Und diese Tatsache, daß General Ludendorff förmlich unds nachdrücklich in die Reihe der Bräunlich, Born, Hoffmann und aller übrigen antirömischen Agitatoren eingetreten ist, muß als eines der wesentlichen und wirklichen Ergebnisse des bisherigen Prozeßverlaufs festgestellt und festgehalten werden. Die „Beweisstücke", die General Ludendorff für seine antiultramontanen Behauptungen zusammengetragen hat (und zwar zusammengetragen nach Art eines schlechten Leitartiklers und Parteiagitators), waren von einer Dürftigkeit und Zerschlissenheit, die kein Vernünftiger gerade von ihm erwarten durfte. Entstellte und verstümmelte Zeitungszitate, bei denen Entscheidendes unterdrückt war, alte, längst widerlegte Fabeln und Märchen, tendenziöse Konstruktionen und Unterstellungen, handgreifliche und die Dinge geradezu auf den Kopf stellende Unwahrheiten, vorsichtig verhüllte Verdächtigungen, das waren die Waffen, mit denen General Ludendorff in dem politischen Agitationsraum an der Blutenburgerstraße gegen den „Ultramontanismus" kämpfte. Und nichts kennzeichnet den Tiefstand dieses Verfahrens besser als die Tatsache, daß Ludendorff für die ebenso schmähliche wie lächerliche Unwahrheit, daß der „Ultramontanismus" hinter den Landesverrätern Leooprechting, Fuchs, Machaus und Kühles stand, keinen anderen „Beweis" zu erbringen vermochte, als die vorhin schon erwähnte und gekennzeichnete Behauptung, daß ein katholischer Geistlicher die Beerdigung von Kühles vorgenommen hat.
Es ist der Fluch jeder Revolution, daß sie tatsächlich das zerstört, was sie fördern will, daß Ziel und Erfolg bei ihr in vollkommenstem Gegensatz steht. Die völkische Revolution des General Ludendorff, strebt in Worten die nationale Einheit an, die von ihm angewandten Mittel aber führen notwendig und unvermeidlich zu einer inneren Zerreißung und Zerklüftung des deutschen Volkes, wie sie furchtbarer nicht gedacht werden kann.
Empfohlene Zitierweise
Anlage vom 03. März 1924, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 16963, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/16963. Letzter Zugriff am: 17.04.2024.
Online seit 18.09.2015.