Dokument-Nr. 17713
Bertram, Adolf Johannes an Pacelli, Eugenio
Breslau, 07. Oktober 1925

Hochwürdigster Herr Apostolischer Nuntius und Erzbischof!
Exzellenz!
Durch Reskript des S. Officium vom 29. Juli d. J. ist mir die Indizierung der bekannten Schriften des Professor Wittig in Breslau mitgeteilt, und ist vorgeschrieben:
ut idem sacerdos fidei professionem una cum jurejurando contra Modernistas praefinito ... emittat, necnon prohibeatur, quominus imposterum quidquam de re ad religionem spectante inconsulto S. Officio typis edat.
Am 3. August habe ich dies dem Professor Wittig mitgeteilt und Termin bis zum 15. Oktober gestellt, um ihm reichlich Zeit zur Erwägung zu lassen. Am 15. Oktober beginnt das neue Studiensemester der Universität, am 3. November beginnen die Vorlesungen.
Heute Abend erhalte ich von Professor Wittig ein Schreiben vom 4. Oktober d. J. Ich schließe es an in einer Abschrift, in der ich einige wenige temperamentvolle Stellen, die zur aktuellen Frage nicht gehören, wohl weglassen darf.
Nach diesem Schreiben verweigert Wittig den Gehorsam jenen Auflagen unter Beteuerung, nicht ungehorsam [sein zu wollen].
Es ist für mich kein Zweifel, daß ich ihm die missio canonica zu entziehen habe, und den Studierenden den Besuch seiner Vorlesungen zu untersagen habe.
Zuvor erwäge ich Folgendes.
106v
I.
Weil der Heilige Stuhl selbst jene Auflagen gemacht hat, habe ich den Tatbestand zu unterbreiten und etwaige weitere Anweisungen abzuwarten.
Dies auch deshalb, weil die Rücksichten auf die bevorstehenden Konkordatsverhandlungen nicht ganz bei dem jetzt bevorstehenden weittragenden Konflikte übersehen werden dürfen. Dem Professor Wittig den Antritt eines Urlaubs zu empfehlen, ist zwecklos, da das Schreiben desselben die Situation ganz verändert hat.
Daher meine Bitte, Euere Exzellenz wollen die Güte haben, den Heiligen Stuhl zu benachrichtigen.
Hierbei darf ich Folgendes bemerken.
Der Vertrauensmann in der Theologischen Fakultät Professor Kanonikus Dr. Seppelt macht darauf aufmerksam, daß ein Verbot der Vorlesungen, wenn es auch nach dem 3. November erfolgt, zu einem öffentlichen skandalösen Eklat Anlaß gibt, weil dann mitten in den begonnenen Vorlesungen abgebrochen werden muß. Romfeindliche Demonstrationen sind zu befürchten. Ein Verbot vor dem 3. November ist leichter ausführbar.
Daher bitte ich um Beschleunigung, wenn von weiteren Verhandlungen abgesehen werden soll.
II.
Auf Vereinbarung zwischen Kirche und Staat beruhen die vom Ministerium am 13. September 1840 genehmigten Normen über das Verhältnis zwischen Theologischer Fakultät und Bischof. Da sie auf Vereinbarung beruhen, habe ich sie zu berücksichtigen. Eine Abschrift lege ich bei. Vorgesehen ist, daß Maßnahmen des Bischofs gegen einen Dozenten "mit Vorwissen des Ministeriums" zu erfolgen haben. Eine Unterlassung der Berücksichtigung
107r
dieser auf Vereinbarung beruhenden Norm würde die Situation zu Ungunsten der Kirche verschlechtern. Eure Exzellenz bitte ich um geneigte Mitteilung, ob es Ihnen unbedenklich scheint, daß ich, da der 3. November so nahe ist, schon jetzt dem Ministerium eine Andeutung über die notwendig werdenden Maßnahmen zusende.
Für jede gütige Mithilfe in Behandlung dieses diffizilen Falles herzlich dankbar, bleibe ich in tiefer Ehrerbietung
Eurer Exzellenz
ganz ergebenster
A. Card. Bertram.
Empfohlene Zitierweise
Bertram, Adolf Johannes an Pacelli, Eugenio vom 07. Oktober 1925, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 17713, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/17713. Letzter Zugriff am: 19.04.2024.
Online seit 24.06.2016, letzte Änderung am 01.02.2022.