Dokument-Nr. 1853

Delbrueck, Richard: Notiz über eine Besprechung mit Herrn Hassan Sidki el-Dedschani in der Angelegenheit des Cönaculum in Jerusalem, vor dem 16. August 1922

Der fragliche Gebäude-Komplex, der vom Sultan der italienischen Regierung überlassen wurde und daher jetzt von den Katholiken in Anspruch genommen werden soll, enthält das von den Mohamedanern hoch verehrte Grab Davids und den Abendmahls-Saal in seiner im 13. Jahrhundert entstandenen Form.
Der Komplex befindet sich im Besitz bezw. der dauernden Obhut der mohamedanischen Familie Dedschani, eines der einflussreichsten und begütertsten Häuser Palästinas. Herr Dedschani äusserte sich sehr erregt über den Gedanken, sein<d>en1 Besitz den Katholiken zu überantworten, oder auch nur eine gemeinsame Benutzung durch Christen und Mohamedaner zu gestatten. Es sei vollkommen ausgeschlossen, dass z. B. Damen seiner Familie sich auf der für beide Stätten gemeinsamen Treppe treffen, oder dass Christen aus den Fenstern des Abendmahls-Saales in den Hof der Davids-Moschee herabblickten. Sollte der Beschluss durchgeführt werden, so würde seine Familie die bisher gemeinsam mit den Katholiken die Zionisten bekämpfte, mit diesen zusammengehen. Sie würde ferner die ganze mohamedanische Presse von Marokko bis Indien gegen den Vatikan mobil machen.
Eine vermittelnde Lösung in der Art, dass für den Abendmahls-Saal ein besonderer Zugang geschaffen und die Fenster undurchsichtig verglast würden, bezeichnete Herr Dedschani
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als für das mohamedanische Gefühl unerträglich. Der einzige für ihn denkbare Ausweg schien folgender zu sein:
Seine Familie besitzt ein Manuskript aus dem 9. Jahrhundert, wonach der Abendmahls-Saal nicht dort gelegen hat, wo man ihn in der Kreuzfahrerzeit ansetzte, sondern 50 m entfernt. Der betreffende Raum werde verschlossen gehalten und nicht gezeigt.
Diesen könnte man unter Umständen, wenn auch mit grösstem Widerstreben, den Katholiken überlassen.
Die Tatsache der Abtretung des Cönaculum durch den Sultan sei für die Familie Dedschani bedeutungslos, da ein Mohamedaner an ungerechte Entscheidungen des Kalifen nicht gebunden sei.
Herr Dedschani hat an den lateinischen Patriarchen Monsignore Barlassina bereits geschrieben und hoffte sich mit ihm in Deutschland zu einer Besprechung treffen zu können (Monsignore Barlassina ist in Einsiedeln), was jedoch anscheinend nicht zustande kommt.
1Hds. von unbekannter Hand gestrichen und eingefügt.
Empfohlene Zitierweise
Delbrueck, Richard, Notiz über eine Besprechung mit Herrn Hassan Sidki el-Dedschani in der Angelegenheit des Cönaculum in Jerusalem vom vor dem 16. August 1922, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 1853, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/1853. Letzter Zugriff am: 28.03.2024.
Online seit 31.07.2013, letzte Änderung am 10.09.2018.