Dokument-Nr. 18717

[Unbekannt], in: [Unbekannt], vor dem 16. Mai 1927
Darauf betrat Se. Exzellenz der hochwürdigste Herr Apostolische Nuntius Pacelli unter dem Jubel der Versammlung das Podium zu nachstehender Ansprache, die einen tiefen Eindruck hinterließ:
Exzellenzen!
Hochwürdigste und hochwürdige Herren!
Hochansehnliche Festversammlung!
Die liebenswürdige Einladung Ihres allverehrten und hochgeschätzten Oberhirten, zu der auch durch die Teilnahme der Hochwürdigsten Herren Bischöfe und Aebte, des hochzuverehrenden Herrn Staatspräsidenten und der verehrten anwesenden Reichs- und Landesminister besonders glänzend gestalteten Jahrhundertfeier Ihrer Erzdiözese zu erscheinen, traf mich inmitten schwerer und dringender Arbeiten. Trotzdem hielt ich es für meine Ehrenpflicht, als Vertreter des Heiligen Vaters Ihrem hohen Feste beizuwohnen; gibt es doch wenige Diözesen in deutschen Landen, die in den letzten 100 Jahren so sehr der Gegenstand der Sorge und Liebe, aber auch – ich sage es mit besonderer Genugtuung – der Bewunderung des Oberhauptes der Christenheit gewesen sind, wie gerade die Erzdiözese Freiburg. So jung sie auch noch sein mag neben anderen deutschen Diözesen, deren Annalen eine tausendjährige Vergangenheit umspannen, die 100 Jahre, auf die sie heute zurückblickt, sind so reich an Arbeit und Leid, an Aufstieg und Erfolg, daß sie den Vergleich mit den älteren Schwesterdiözesen nicht zu scheuen braucht.
Wenn wir die Zeit seit der Bestätigung des ersten Erzbischofs von Freiburg am 21. Mai 1827 überblicken und uns fragen: worin liegt das Eigentümliche, das Typische des ersten Jahrhunderts badischer Kirchengeschichte – dann, glaube ich, dürfte es wohl in zwei Worten seinen Ausdruck finden: das vergangene Jahrhundert war eine Zeit starker innerer Entwicklung und eines heiligen Kampfes.
Als ich mich gestern Ihrer freundlich-ernsten, von dunklen Schwarzwaldbergen und sonniger, frühlingsdurchfluteter Rheinebene umkränzten Bischofstadt näherte und des Münsterturms, dieses Meisterwerkes der gotischen Baukunst, ansichtig wurde, wie er mächtig emporstrebt und nach oben weist, da empfand ich ihn als das Sinnbild des gewaltigen, hoch zum Himmel emporsteigenden geistigen Gottesbaues, des kirchlichen und religiösen Lebens, den würdige Oberhirten, seeleneifrige Priester, ihrer Kirche treu ergebene Gläubige, gottbegeisterte Männer und Frauen in dem verflossenen Jahrhundert errichtet haben. Sie, die Sie die Geschichte Ihrere Heimat kennen, vergleichen Sie den religiösen Zerfall vor 100 Jahren mit dem reichen und blühenden religiösen Leben an der letzten Jahrhundertwende! Vielgestaltig war dieses religiöse Leben in seinen Aeußerungen, vielgestaltig wie die gottgesegnete Natur Ihres Landes und der Charakter seiner Bewohner: die gottfrohe Art der Menschen vom Seekreis wie die Gemütstiefe der Schwarzwälder, der auf Werk und Tat gerichtete Sinn der Bewohner des badischen Industriegebietes wie die gläubige Kirchentreue derer von Hohenzollern, vom Odenwald und Taubergrund sind in ihm zum Ausdruck gekommen. Was uns aber vor allem in freudiger Bewunderung zu den Höhen dieses geistigen Baues aufschauen läßt, das ist der Gedanke an alle die vielen Millionen, die durch das religiöse Wirken des letzten Jahrhunderts dem wahren Glauben, Christus und seiner Kirche erhalten und für Zeit und Ewigkeit beglückt worden sind.
Das hinter uns liegende Jahrhundert war ein Jahrhundert starken geistigen Ringens, eines heiligen Kampfes der katholischen Kirche für ihre Freiheit, die es ihr allein ermöglicht, ihre Aufgabe zu erfüllen, ihre Werke zu entfalten, dem Volke und damit auch dem Staate ihr Bestes zu schenken. Dankbaren Gefühles blicken wir heute auf die hochherzigen Männer aus dem Klerus und der Laienwelt, die Bekennerbischöfe und Bekennerpriester vergangener schwerer und doch so ruhmvoller Jahre, die Männer wie Andlaw und Butz, Lindau und Wacker, auf alle, die dem katholischen Volke in seinem Kampfe um die kirchliche Freiheit Vorbild und Führer gewesen sind.
Zweien von ihnen gebührt ein besonders Wort der Erinnerung: Alban Stolz, dem echten und edelsten Sohn seiner Schwarzwälder Heimat, dem religiösen Volksschriftsteller mit einem Erfolge ohnegleichen, dem tausende und abertausende suchender und ringender Seelen ihre Rückkehr zu Gott und ihr inneres Glück verdanken –
und Erzbischof Hermann von Vicari, dem liebenswürdigen und kindlich frommen Sohn des Schwabenlandes, dem Vorbild heiliger Priester, dem Vater der Armen, dem unbeugsamen Vorkämpfer für Recht und Freiheit der Kirche, den Pius XI. die "Zierde der Christenheit" genannt hat, der heute in seiner langen Lebenszeit, in seiner Lebensarbeit und seinem Schicksal vor uns steht als die Verkörperung der Geschicke der Freiburger Erzdiözese. Ihm und Alban Stolz in dieser Stunde ein ehrfurchtsvolles Gedenken zu widmen, ist mir Ehrensache und Herzensbedürfnis.
Die Empfindungen, die uns heute beseelen, haben wir in der Frühe, als das Te Deum mächtig durch die Hallen des Münsters flutete und seine Gewölbe füllte, zusammengefasst in den Lobpreis des Dankes gegen den allmächtigen und barmherzigen Gott. Wenn wir daran denken, wie die Erzdiözese sich aufbauen mußte aus Trümmern zerschlagener Bistümer, aus Ruinen, die Säkularisation und politische Wirren hinterlassen hatte, wie ihr Weg so oft durch Sturm und Not ging, dann steht es lebendig vor unserer Seele: die Hand des Herrn ist es, die dies alles vollbracht hat.
Das muß Ihnen auch Mut und Vertrauen schenken in der Stunde, in der ihre Kirche den Gang durch ihr zweites Jahrhundert antritt, und in der sie vor neue und schwere Aufgaben vor allem für das innerreligiöse und soziale Leben, für Glaube und Sitte ihrer Kinder gestellt ist. In dieser Stunde rufe ich Ihnen eines zu: Wahren Sie wie bisher den Anschluß an den Nachfolger Petri, weil dieser Anschluß an Petrus Verbindung mit Christus bedeutet. Hier liegt ja das Geheimnis des Erfolges der Männer, die Sie im letzten Jahrhundert geführt haben. Das wird auch der Born der Lebenskraft Ihrer Kirche im zweiten Jahrhundert ihres Bestehens sein. Ubi Petrus, ibi Ecclesia. Ubi Ecclesia, ibi Christus: Wo Petrus, da ist die Kirche. Wo die Kirche, da ist Christus.
Daß Ihre Erzdiözese, wie in der Vergangenheit, so auch in der Zukunft, Ihrem Volke und Lande eine unerschöpfliche Quelle echten heiligen Glückes sei, dafür spende ich Ihnen im Namen des glorreichen regierenden Heiligen Vaters Pius. XI. von Herzen den Apostolischen Segen.
Der Zeitungsausschnitt, den Pacelli seinem Bericht beilegte, ist mit dem maschinenschriftlichen Hinweis gekennzeichnet, er stamme aus der Freiburger Tagespost, Nr. 112 vom 16. März 1927. Tatsächlich weicht der Artikel in der Freiburger Tagespost im Satz und in der Länge von dem von Pacelli übersandten Text ab. Aus welchem Organ dieser Text stammt, konnte nicht nachgewiesen werden. Nachfolgend wird der tatsächliche Text aus der Freiburger Tagespost wiedergegeben:
"Unter jubelndem Beifall bestieg dann Nuntius Pacelli das Rednerpult und hielt folgende Ansprache:
Exzellenz! Hochwürdige Herren! Hochansehnliche Festversammlung!
Die liebenswürdige Einladung Ihres allverehrten, hochgeschätzten Oberhirten, an der Jubelfeier Ihrer Erzdiözese teilzunehmen, traf mich inmitten schwerer und dringlicher Arbeiten. Trotzdem hielt ich es für meine Ehrenpflicht, dem hohen Fest beizuwohnen. Gibt es doch wenig Diözesen in den deutschen Landen, die in den letzten hundert Jahren so sehr der Gegenstand der Sorge und Liebe, aber auch der Bewunderung des Oberhirten der Christenheit gewesen ist, wie die Erzdiözese Freiburg. So jung sie auch noch sein mag neben den anderen Diözesen, deren Annalen eine tausendjährige Vergangenheit umspannen, die hundert Jahre, auf die sie heute zurückblickt, sind so reich an Arbeit und Leid, an Aufstieg und Erfolgen, daß sie einen Vergleich mit den älteren Schwester-Diözesen nicht zu scheuen braucht. Die Empfindungen, die uns heute beseelen, haben wir in der Frühe, als das Te Deum mächtig durch die Hallen des Münsters flutete und seine Gewölbe füllte, zusammengefaßt in einen Lobpreis und Dank gegen den allmächtigen und barmherzigen Gott. Wenn wir daran denken, wie die Erzdiözese sich aufbauen mußte aus Trümmern zerschlagener Bistümer, aus Ruinen, welche die Säkularisation und politische Wirren hinterlassen haben, wie ihr Weg durch Sturm und Not ging – denken wir nur an die Bekennerbischöfe und Priester vergangener schwerer Jahre, vor allem an den heiligmäßigen Bischof Hermann v. Vicari – dann steht es lebendig vor unserer Seele: Die Hand des Herrn ist es gewesen, die dies alles vollbracht hat. Das muß Ihnen Mut und Vertrauen schenken in der Stunde, in der Ihre Diözese den Gang durch ein zweites Jahrhundert antritt, in der sie vor neuen schweren Aufgaben, vor allem für das innere religiöse und soziale Leben, für Glaube und Sitte ihrer Kinder gestellt ist. In dieser Stunde rufe ich Ihnen eines zu: Wahren Sie wie bisher den Anschluß an den Nachfolger Petris, weil dieser den Anschluß und die Verbindung mit Christus bedeutet. Hier liegt ja das Geheimnis des Erfolges der Männer, die Sie im letzten Jahrhundert geführt haben! Dann wird auch der Zorn der Lebenskraft Ihrer Kirche im zweiten Jahrhundert bestehen bleiben. Wo Petrus ist, da ist die Kirche, und wo die Kirche ist, da ist Christus! Daß Ihre Erzdiözese, wie in der Vergangenheit, so auch in der Zukunft, dem Volk und Land eine unerschöpfliche Quelle echten, heiligen Glückes sei, dafür spende ich Ihnen allen, Ihren Familien, Ihren Kindern, Ihren Kranken, im Namen Seiner Heiligkeit, des glorreich regierenden Heiligen Vaters Pius XI., von Herzen den Apostolischen Segen."
Empfohlene Zitierweise
Anlage vom vor dem 16. Mai 1927, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 18717, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/18717. Letzter Zugriff am: 28.03.2024.
Online seit 25.02.2019, letzte Änderung am 23.02.2017.