Dokument-Nr. 2012

Schlüter, Johannes: [Kein Betreff], 17. Juni 1925

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Abschrift
1. Zu Artikel 26 Abs. 2 des Konkordats.
Güter des Breslauer Domkapitels in Polen. Der Heilige Stuhl erkennt das unbeschränkte Eigentum des Breslauer Domkapitels an und steht auf dem Standpunkt, daß Polen verpflichtet ist, die Beschlagnahme aufzuheben u. die bisher vorenthaltenen Einnahmen herauszugeben. Auch hat Polen dies alles zugesagt.
Preußen befürchtet aber, daß Polen seine Zusage nicht hält, wenn der Heilige Stuhl nicht jetzt vor Ausführung des Konkordats die Erfüllung durchsetzt.
Preußen ist der Ansicht, daß der Heilige Stuhl sich durch Abschluß des Konkordats das beste Mittel, um Polen zur Freigabe zu veranlassen, genommen hat. Ratifizierung ist auch schneller erfolgt als hier erwartet wurde. Wenn das Konkordat ausgeführt ist, so wird Polen die Sache ins Endlose verschleppen. Also: jetzt oder nie!
Regelung ist deshalb schnellestens nötig, weil die Einnahmen aus den Gütern zur baulichen Unterhaltung des Domes, zur Pflege des Gottesdienstes und zur Besoldung der niederen Kirchendiener bestimmt sind. Da die Einnahmen seit Jahren fast ganz fehlen, so leidet alles Not u. müssen Al-
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mosen helfen. Das Domkapitel kann noch nicht einmal die Zinsen der auf den Gütern ruhenden Lasten bezahlen.
Erforderlich ist, daß Polen die Freigabe nicht bloß zusagt, sondern auch die Erklärung der zuständigen innerstaatlichen Behörde beifügt. Der Heilige Stuhl möge ferner di Gewähr dafür besorgen, daß das Kapitelsgut nach Artikel 15 behandelt wird, da unzweifelhaft seine Einkünfte zu Zwecken des religiösen Kultus bestimmt sind.
2. Zu Artikel 19 Ziffer 1
Preußen will sich in diese Bestimmung nicht einmischen, aber es ist sehr besorgt um das Schicksal der bereits ausgebildeten Geistlichen, die ipso jure einer neuen polnischen Diözese angehören.
a) Eine Anwendung von Vorschriften über Ausbildung auf bereits ausgebildete Geistliche ist ganz ungewönlich, innerlich unberechtigt und unzweifelhaft unbillig und macht die Betroffenen zu Geistlichen zweiten Grades. Deshalb möge der Heilige Stuhl sich auf den Standpunkt stellen, daß Ziffer 1 nur für Personen gilt, die erst noch ausgebildet werden.
Wenn die Entscheidung immer dem Einzelfall überlassen würde, dann wird Polen sicherlich immer ablehnen. Eine Hoffnung auf eine andere Haltung Polens ist völlig unbegründet; Polen will sogar die festangestellten Pfarrer vertreiben.
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Schon jetzt herrscht Priestermangel in Polen, besonders Mangel an deutschen Geistlichen. Wenn die bereits ausgebildeten deutschen Geistlichen von Polen nicht zum Pfarramt zugelassen werden, so besteht die größte Gefahr für die deutschen Katholiken. Schon jetzt gehen die deutsche katholischen Kinder in deutsche protestantische Schulen, weil die Schulen für deutsche Katholiken gehindert werden.
b) Das Schlimmste ist, von einer Verständigung im Einzelfall etwas zu erhoffen und deshalb zu warten. Nur eine generelle Regelung gibt die Sicherheit, daß für die kirchlichen Bedürfnisse der deutschen Katholiken für das nächste Jahrzehnt ausreichend gesorgt wird. Auch ist eine generelle Regelung deshalb nötig, weil die betroffenen Geistlichen ein berechtigtes Interesse darab haben, zu wissen, ob sie jemals ein Pfarramt erlangen können und werden.
Wenn der Heilige Stuhl glaubt, sich nicht auf den Standpunkt stellen zu können, daß Ziffer 1 keine rückwirkende Kraft habe, so möge er entsprechende Übergangsbestimmungen treffen und die Frage generell regeln.
3. Zu Artikel 19 Ziffer 2.
Diese Bestimmung ist sehr dehnbar. Preußen wünscht, daß sie von Polen nicht mißbräuchlich ausgenutzt wird. Deshalb möge der Heilige Stuhl generell durch abschließende Bestimmung nach der positiven und negativen Hinsicht erklären, wie sie zu verstehen ist. Anders kann einem Mißbrauch nicht vorgebeugt werden.
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Eine solche Erklärung ist auch deshalb nötig, weil Ziffer 2 von den deutschen Geistlichen ein bestimmtes Verhalten fordert und ihnen ein bestimmtes Verhalten verbietet. Es entspricht einem anerkannten Rechtsgrundsatz, daß die Betroffenen nur dann verantwortlich gemacht werden können, wenn sie wissen, wie die Bestimmung zu verstehen ist.
Die Kirche empfiehlt aus kirchlichen Gründen ihren Geistlichen Zurückhaltung in der Politik. Hier aber handelt es sich um ein Recht des Staates genen die Geistlichen. Um so mehr müßte völlig klargestellt sein, was gemeint ist. Besonders wäre klarzustellen, daß die Wahrung der Minderheitsrechte nicht darunter fällt.
Empfohlene Zitierweise
Schlüter, Johannes, [Kein Betreff] vom 17. Juni 1925, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 2012, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/2012. Letzter Zugriff am: 20.04.2024.
Online seit 24.06.2016.