Dokument-Nr. 20484
Sinnigen OP, Ansgar (Taufname: Arnold)Kassiepe OMI, Max an Pacelli, Eugenio
Berlin, 25. Juli 1929

Excellenz!
Die "Germania" brachte vor kurzem in Nr. 317 einen Artikel mit der Ueberschrift "Ueber die Rückgabe unserer deutschen Missionen" von Prof. Dr. Schmidlin, der in der dargebotenen Form verletzende Anklagen gegen die römische Propaganda, ja gegen den Hl. Stuhl selbst enthält.
Die Superioren der missionierenden Orden und Kongregationen in Deutschland bedauern und missbilligen diese Ausführungen sehr. Die von Prof. Schmidlin gebotenen Gedankengänge und aufgestellten Forderungen, die er auch schon früher in Zeitungsartikeln und in seinen Büchern, wenn auch nicht so schroff wie diesmal, vertritt, sind der Auffassung und den Wünschen der Missionsgesellschaften diametral entgegenstehend und enthalten in der dargebotenen Form schwere Anschuldigungen und Kränkungen der römischen Kurie.
Infolgedessen sahen sich die Superioren der Missionsgesellschaften genötigt, in einer Erklärung gegen die Ausführungen Schmidlins Verwarnung einzulegen. Folgende Notiz ist zur Aufnahme in die Germania an die Redaktion gesandt worden:
""Zur Rückgabe unserer deutschen Missionen" Unter dieser Ueberschrift veröffentlicht Prof. Dr. Schmidlin in Münster in Nr. 317 der "Germania" einen Artikel, dem gegenüber die Unterzeichneten auf Wunsch und im Namen der deutschen missionierenden Orden und Kongegrationen folgende Erklärung abgeben:
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"Prof. Schmidlin ist nicht beauftragt und berechtigt als Anwalt der deutschen Missionsgesellschaften aufzutreten; die ohne Vorwissen der Missionsgesellschaften von ihm gebotenen Gedankengänge und erhobenen Forderungen sind seine Privatäusserungen, für die der Verfasser die Verantwortung allein trägt.
Die deutschen Missionsgesellschaften bedauern diese Darlegungen. Sie müssen sich dagegen verwahren, dass ihre Angelegenheiten von unberufener Seite in einer Weise, die ihrer Auffassung und ihren Wünschen nicht entspricht, in die Oeffentlichkeit getragen werden.
Die deutschen Missionsgesellschaften wissen sehr wohl, wie der Hl. Stuhl und die Propaganda in den schweren Kriegs- und Nachkriegsjahren immer bemüht gewesen sind, die Rechte und das Ansehen der deutschen Missionare zu schützen. Sie haben des öftern Gelegenheit gehabt, die Wertschätzung der deutschen Missionsgesellschaften seitens der obersten Kirchenleitung wirksam zu erfahren und ihrer Dankbarkeit dem Hl. Stuhl gegenüber auch wiederholt Ausdruck verliehen.
Die ihnen übertragenen neuen Gebiete haben sie in bereitwilligem Gehorsam gegenüber dem Hl. Stuhl übernommen, eingedenk ihrer apostolischen Aufgabe, zu der sie der Göttliche Heiland selbst berufen hat.
Im Namen der Superioren-Vereinigung
gez. P. Prov. Max Kassiepe OMI, Vorsitzender
gez. P. Ansgar Sinnigen OP, Generalsekretär"
In dieser Erklärung haben wir uns bemüht klar und kurz, sowie sachlich zu sein und haben es vermieden auf Einzelheiten einzugehen, weil wir jede Diskussion über die angeschnittenen Fragen mit Prof. Schmidlin vermeiden wollen; und wir haben uns darauf beschränkt, kurz zu erklären, dass Prof. Schmidlin nicht im Namen der Missionsgesellschaften, und ohne Vorwissen derselben geschrieben habe, und dass wir seine Darlegungen und Forderungen ablehnen.
Die H. H. Superioren haben uns sodann beauftragt, Ew. Excellenz als den verehrten Vertreter des Hl. Stuhles in Deutschland mitzuteilen, wie sehr sie alle die Schmidlinschen Veröffentlichungen das Missionseigentum betreffend bedauern und verurteilen und Excellenz zu bitten, diese ihre Auffassung auch der römischen Propaganda übermitteln zu wollen.
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Prof. Schmidlin, dessen Verdienste um die Missionswissenschaft, besonders um die Missionsgeschichte unangetastet bleiben sollen, geht weit über seine Aufgaben hinaus, wenn er sich zum Anwalt und Sprecher der deutschen Missionare macht. Geradezu unverständlich aber erscheint es, wie er unter dem Schein, im Namen der Missionsgesellschaften zu handeln, Vorwürfe gegen die römische Propaganda erheben und rechtliche Forderungen stellen und dabei gegen den Hl. Stuhl an die grosse Oeffentlichkeit appellieren kann.
Die H. H. Superioren bedauern, wie schon gesagt, aufrichtig diese Veröffentlichungen und verurteilen sie. In ihren Zuschriften an den Vorstand der Superioren-Vereinigung betonen sie ausdrücklich, dass sie mit grosser Dankbarkeit der vielen Beweise des Wohlwollens der Propaganda und der Fürsorge der römischen Kurie und der Propaganda gedenken, die so sichtlich bemüht gewesen sind die Kriegswunden zu heilen und sich schützend vor die deutschen Missionare zu stellen in einer Zeit, als deren Ansehen unter den anderen Nationen gefährdet erschien.
Bei dieser Gelegenheit können wir nicht umhin, auch des wahrhaft väterlichen Wohlwollens wiederum zu gedenken, dessen sich die deutschen Missionare jederzeit seitens Ew. Excellenz zu erfreuen haben und Ew. Excellenz dafür tiefsten, ehrfurchtvollsten Dank zu sagen.
Niemals soll den deutschen Missionaren der Vorwurf gemacht werden können, dass sie irdischen Gewinns halber oder aus weltlichen Gründen an die Missionsarbeit herangetreten seien. Sie weisen es weit von sich, anders als vom Hl. Stuhl gesandt in die Mission gehen zu wollen, überzeugt, dass ihre Arbeiten nur dann den Missionsländern zu Segen und ihnen selbst zum Heile gedeihen werden, wenn sie sich als Rebzweige am Weinstock fühlen,
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dessen Stamm der Göttliche Meister selber ist, und dessen Wurzel in die Tiefen der Gottheit hineinreichen.
Genehmigen Ew. Excellenz den Ausdruck ehrehrbietigster Hochachtung, mit der wir zeichnen als
Ew. Excellenz
in Christo ergebenste
P. Max Kassiepe O. M. I.
P. Ansgar Sinnigen OP.
Empfohlene Zitierweise
Sinnigen OP, Ansgar (Taufname: Arnold) an Pacelli, Eugenio vom 25. Juli 1929, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 20484, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/20484. Letzter Zugriff am: 23.04.2024.
Online seit 20.01.2020.