Dokument-Nr. 20809

Der Prozeß Lama-Doehring, in: Bayerischer Kurier und Münchener Fremdenblatt, Nr. 81, 22. März 1929
In der Privatklagesache, die von Herrn v. Lama (vertreten durch Herrn Justizrat Dr. Warmuth) gegen D. Doehring und Genossen wegen Beleidigung angestrengt hatte [sic], hat, wie vor kurzem mitgeteilt, das Amtsgericht Füssen das Verfahren eingestellt, weil die Straftat unter das Amnestiegesetz falle. Gegen diese Entscheidung legten sowohl der Vertreter des Privatklägers wie die Privatbeklagten Beschwerde beim Landgericht Kempten ein. Die Strafkammer des Landgerichts Kempten hat aber durch Beschluß vom 16. März 1929 diese Beschwerde verworfen. Da eine weitere Beschwerde nicht möglich ist, ist die von Herrn v. Lama angestrengte Privatklage hiermit nun endgültig erledigt. Die Begründung des Beschlusses des Landgerichts geht von der Tatsache aus, "daß sich die beiden Parteien darüber einig waren, daß über die Anwendung des Gesetzes betreffend die Straffreiheit (Amnestiegesetzes) eine gerichtliche Entscheidung zu treffen sei, wenn sie auch hinsichtlich der Einstellung des Verfahrens selbst einen ablehnenden Standpunkt einnehmen". Beide hätten übereinstimmend geltend gemacht, daß von keiner Partei ein Antrag auf Einstellung des Verfahrens gestellt worden sei und daß daher kein Anlaß zur Fassung des amtsgerichtlichen Beschlusses bestanden habe; die Privatbeklagten hätten ausdrücklich bestritten, daß sie aus politischen Beweggründen gehandelt hätten; der Privatkläger habe darauf hingewiesen, daß diese Erklärung der gerichtlichen Entscheidung zugrunde zu legen sei. Die Erklärung der Privatbeklagten stehe aber mit dem tatsächlichen Inhalt der Veröffentlichungen nicht im Einklang. Der Begriff "politische Beweggründe" müsse nach dem üblichen Sprachgebrauch aufgefaßt werden; er erschöpfe sich nicht mit den öffentlichen Angelegenheiten, die den Staat und die zwischenstaatlichen Beziehungen beträfen; es fiele darunter auch das äußere Verhältnis der Religionsgesellschaften zu einander und die etwa sich ergebenden Erörterungen über beiderseitige Belange, da sie mit dem gesamten Staatsleben in engem Zusammenhang stünden. Die politische Absicht brauche nicht ausschließlicher oder überwiegender Beweggrund gewesen zu sein; es genüge, daß sich der Täter überhaupt von politischen Beweggründen habe leiten lassen. Im gegebenen Falle sei das Vorhandensein von politischen Beweggründen zu bejahen. Die drei Artikel, die die Beleidigungen enthielten, befaßten sich mit einer politischen Angelegenheit (der diplomatischen Behandlung der päpstlichen Friedensaktion durch die Reichsregierung und der Einwirkung der publizistischen Tätigkeit des Privatklägers auf den konfessionellen Frieden); die Ausführungen seien in einer politischen Auseinandersetzung erfolgt und hätten sich gegen den Privatkläger als politischen Gegner gerichtet.
Empfohlene Zitierweise
Anlage vom 22. März 1929, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 20809, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/20809. Letzter Zugriff am: 23.04.2024.
Online seit 20.01.2020.