Dokument-Nr. 2791

Hollweck, Josef: Voto di Mons. Hollweck2, vor dem 03. April 1919

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Konkordate werden immer zwischen dem hl. Stuhle, als dem höchsten und universellen Vertreter der Kirchenmacht, und den Staatsregierungen geschlossen, gleichgültig, wer eben als deren Inhaber und Vertreter erscheint, sei es ein Monarch, sei es eine Oligarchie, welche sie vertritt, oder ein Parlament, das seine Rechte und seine ihm zustehende Regierungsgewalt durch irgend eine bestimmte bevollmächtigte Person ausübt. Die Staatsregierung gilt in jedem Staatsgebiete als eine tatsächlich vorhandene unwandelbare Macht, welche mit der Existenz des Staates von selbst gegeben ist, und in der der Staat konkret existiert; wer pro tempore Inhaber der Staatsgewalt ist, und wie sie geübt wird, ist an sich irrelevant. Darum bleiben Konkordate zweifellos aufrecht, so lange der Staat, mit dem sie geschlossen wurden, existiert oder wenigstens mit der Substanz des Gebietes existiert, sollten auch daran Aenderungen vor sich gehen. Kardinal Cavagnis
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(Instit.jur.publ.eccl.) schreibt in seinen Erörterungen über die Konkordate: Respondemus conventiones aficere ipsam societatem, etsi contrahantur ejus nomine ab aucto ritate nunc praesidente societati; hinc jura et onera acquiruntur societati, mediantibus rectoribus, quoniam societas est persona perfecta (i.e. der Staat), hinc semper de se perdurant etsi mutentur rectores et regiminis formae. Et proinde est duplex persona consideranda; ea, cujus administratio geritur et ea, quae eandem gerit; illa est societas et permanet; haec est persona gubernans (e.gr.monarcha) sive physica sive moralis, et quoad formam mutatur in statu. Das mit Napoleon I. abgeschlossene Konkordat hat unter den Bourbonen, dann den Orleans, dann der Republik, dann Napoleon III. und wieder unter der Republik bestanden und ist auch staatlicherseits bis 1905 stets erfüllt worden. Rom hält zweifellos daran fest, dass die Aenderung der Regierungsform die Gültigkeit und den Fortbestand des Konkordates nicht berührt. Nur die eine Bestimmung über die Ernennung zu den Bischofssitzen, die ganz exzeptionell ein persönliches
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Privileg den Königen von Bayern und zwar für ihre Person einräumt, so lange sie katholisch sind, ist mit Beseitigung der Monarchie hinweggefallen‚ weil es keinen Träger des Privilegs mehr gibt.
Infolgedessen ist das Präsentationsrecht der Staatsregierung auf die sog. "königlichen" Pfarreien anstandslos anzuerkennen, auch wenn die gegenwärtigen bloss tatsächlichen Inhaber der Staatsgewalt dasselbe ausüben wollen, was sie ja tatsächlich tun. Wie sie das Recht ausüben wollen, welche Organe der Staatsgewalt dabei in Tätigkeit treten, ist ihnen selbst zu überlassen; ob der Justizminister das Recht ausübt oder der Kultusminister, ist ganz gleich. Auch die zufällige Religionszugehörigkeit des betr. Staatsorgans ist gleichgültig. Es kommt lediglich als Regierungsorgan in Betracht. Dezent wäre es freilich, dass nur Katholiken als Regierungsorgane in Betracht kämen, aber an sich ist die jüdische Religionszugehörigkeit für ein bayer. Regierungsorgan nur ein Schönheitsfehler.
Es kann also die hiesige praktische Behand-
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lung bei Erledigungen festgehalten werden. Ganz verkehrt wäre es, eine Abnormität der Schweiz, welche als Rechtsanomalie im Kodex bezeichnet ist, an Stelle des staatlichen Patronats einzuführen oder zuzulassen. Wenn das Konkordat aufrecht bleibt, dann bleiben vielmehr alle staatlichen Präsentationsrechte wie bisher. Wird es aber direkt oder indirekt gekündet durch Trennung von Kirche und Staat, dann tritt das gemeine Recht in Kraft und zwar ohne weiteres d.h. die königlichen Patronate fallen weg und es tritt das freie Collationsrecht des Bischofs ein. Der Kodex hat nach dieser Seite schon vorgesehen (can.1432,par. 1) und das ist sofort durch die ohne weiteres betätigte Uebung alsdann in Realität zu setzen.
Dr. Hollweck.
Hds. am rechten oberen Seitenrand eingefügt: "Allegato al No. 12509"
1Die Klammern wurden hds. eingefügt von Pacelli.
2"Voto di Mons. Hollweck" hds. eingefügt von Pacelli.
Empfohlene Zitierweise
Hollweck, Josef, Voto di Mons. Hollweck vom vor dem 03. April 1919, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 2791, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/2791. Letzter Zugriff am: 28.03.2024.
Online seit 04.06.2012.