Dokument-Nr. 28

Kirche und Konkordat, in: [Trierische Landeszeitung], 12. August 1922
Von einem Kanonisten wird uns geschrieben:
Noch sind kaum bestimmte Nachrichten über den Inhalt der Konkordatsverhandlungen zwischen dem Deutschen Reiche und Bayern einerseits und dem Hl. Stuhle andererseits in die Oeffentlichkeit gedrungen, als schon von der gegnerischen Seite Versuche gemacht werden, gegen solche kirchenpolitische Vereinbarungen Mißtrauen zu säen. Insbesondere geschieht dieses durch die neueste Broschüre von G. O. Sleidan "Beitrag zu den Konkordatsverhandlungen zwischen Deutschland und dem Vatikan", die jüngst im Sämann-Verlag zu Berlin erschienen ist.
Nach dem Vorwort ist diese Schrift nicht auf konfessionelle, sondern auf nationale und allgemeine staatsbürgerliche Gesichtspunkte eingestellt. Hiergegen ist an sich nichts einzuwenden, da die Konkordate nicht nur im Interesse der Kirche, sondern auch in dem des Staates geschlossen werden. Es ist aber sehr zu beanstanden, wenn der Verfasser meint, daß nach der Auffassung weiter Kreise das Papsttum durch den Abschluß des Konkordates politisc h zu Gunsten Deutschlands beeinflußt und gleichsam "bei guter Laune gehalten" werden solle. Aber ein Konkordat hat mit der allgemeinen Staatspolitik nichts zu schaffen, sondern es verfolgt lediglich den Zweck, die kirchenpolitischen, das sind die den Staat und die Kirche berührenden Angelegenheiten in freundschaftlicher Weise zu regeln. Darum ist der ganze Abschnitt des Buches, in dem der Verfasser unter der Ueberschrift "Falsche Voraussetzungen" die Aussichtslosigkeit der politischen Motive darzulegen sucht, überflüssig und irreführend. Für die Katholiken ist das Konkordat ein religiös-kirchlicher Vertrag, aber durchaus kein Mittel der Politik.
Ferner erweckt die Darstellung Sleidans den Eindruck, als ob das Konkordat bloß im Interesse der katholischen Kirche abgeschlossen werden solle. Das trifft gleichfalls nicht zu und widerspricht der Natur der Konkordate, die im Interesse beider Pazistenten abgeschlossen werden. Die Kirche hat an einer solchen Vereinbarung kein größeres Interesse als der Staat.
In den deutschen Ländern existierte bislang kein Konkordat, das die Verhältnisse zwischen Staat und Kirche grundsätzlich regelte, außer in Bayern. Man kann aber nicht behaupten, daß die rechtliche Lage der Kirche in Preußen und in manchen anderen Staaten Deutschlands ungünstiger war als in Bayern. Durch die neue Reichsverfassung vom 11. August 1919 und insbesondere durch die grundsätzliche Anbahnung der Trennung des Staates von der Kirche, wie sie in Art. 137 der Verfassung vollzogen wurde, sind weite Betätigungsgebiete der bisherigen Staatskirchenhoheit weggefallen, die Zahl der sog. gemischten, d. i. staatlich-kirchlichen Angelegenheiten hat sich erheblich verringert, und der Kirche ist allenthalben eine bedeutend größere Selbständigkeit und Bewegungsfreiheit zugestanden. Wenn die Kirche deshalb nach dem alten Staatskirchenrechte ohne Konkordate auskommen konnte, so wird sie es nach dem neuen erst recht können. Das Hauptinteresse der Kirche konzentriert sich meines Erachtens auf die Schulfrage, die der Verfasser mit Recht als "Kernstück" des Konkordats bezeichnet.
Umgekehrt ist der Staat in Folge der wesentlichen Einschränkung der Staatskirchenhoheit durch die Reichsverfassung weit mehr an dem Abschlusse eines Konkordats interessiert als früher. Ich erinnere nur an die Sicherung des Bestandes der Theologischen Fakultäten, die Erziehung des Klerus, die Besetzung der Bischöflichen Stühle und die Ernennung der Pfarrer. In allen diesen Fragen hat die Kirche nach dem heute geltenden Staatsrecht völlig freie Hand. Der Papst kann z. B. ausländische Bischöfe ernennen, die Bischöfe haben das Recht, tridentinische Seminarien zu errichten, die Geistlichen können ohne Abiturientenexamen geweiht werden. Wer will deshalb unsere Staatsmänner tadeln, wenn sie sich bei diesen Belangen nicht bloß auf die staatsfreundliche Gesinnung der Kirchenoberen verlassen, sondern sich vom Papste mittels eines zweiseitigen Vertrages bindende Zusicherungen geben lassen?
Ganz falsch ist endlich die Ansicht, daß durch das in Aussicht genommene Konkordat die Bestimmungen der Reichsverfassung bezgl. der kirchenpolitischen Angelegenheiten teils bestätigt, teils neu geregelt oder abgeändert werden würden. Denn es ist selbstverständlich, daß das Konkordat mit der Verfassung nicht in Widerspruch treten darf. Es kann sich deshalb bei der Vereinbarung nur um solche Punkte handeln, die in der Verfassung noch nicht bestimmt sind, oder mit anderen Worten, das Konkordat hat lediglich die Aufgabe, die näheren Ausführungsbestimmungen zu dem religions- und kirchenpolitischen Abschnitt der R.-V. vertraglich festzulegen.
86v, Artikel unterhalb des Textes masch. mit "kk." unterschrieben.
Empfohlene Zitierweise
Anlage vom 12. August 1922, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 28, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/28. Letzter Zugriff am: 25.04.2024.
Online seit 31.07.2013.