Dokument-Nr. 3808
Overbeck, Else an [Bertram, Adolf Johannes]
Berlin, 13. Januar 1921

Excellenz,
Ich bitte vielmals um Verzeihung, Euer Excellenz Zeit in Anspruch zu nehmen; Hochwürden der Herr Propst von St. Hedwig hatte die Güte, mich an Eure Excellenz zu verweisen. – Ich komme im Namen von 300-400 deutschen Kriegsgefangenen, die im Zuchthaus zu Avignon noch zurückgehalten werden und durch den Vertrag von Versailles schutzlos in französischer Hand blieben. Unsere zuständige Behörde teilte mir mit, dass von Seiten der deutschen Regierung alles Erdenkliche geschehen sei, die Avignongefangenen zurückzuerhalten, leider vergeblich. Es gäbe nur die Möglichkeit den armen Menschen zu helfen, wenn es gelänge, Seine Heiligkeit den Papst, von dessen
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tiefem Mitleid und Gerechtigkeitsgefühl für die deutschen Kriegsgefangenen Deutschland schon so viele Beweise hatte, für diese zurückgehaltenen Opfer der grausamen französischen Kriegsgesetze zu interessieren. Auch durch die Presse der neutralen Länder wäre es möglich, die Welt auf die deutschen Kriegsgefangenen im Zuchthaus zu Avignon aufmerksam zu machen. Durch Vermittlung spanischer Herren, die in hiesigem Auswärtigen Amt arbeiten, ist die Abschrift eines, an mich gerichteten Briefes aus Avignon an Seine Majestät den König von Spanien und an die spanische Presse gesandt worden. Ich erlaube mir, diesem Brief an Eure Excellenz ebenfalls eine Abschrift jenes Avignonbriefes beizufügen. Ich bitte Eure Excellenz im Namen der Menschlichkeit und im Namen meiner deutschen
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Landsleute in Frankreich, die Fürsprache Seiner Heiligkeit des Papstes für meine gefangenen deutschen Brüder erwirken zu wollen. Ich habe während des ganzen Krieges ehrenamtlich in der Kriegsgefangenen-Fürsorge im Abgeordnetenhaus in der französischen Abteilung gearbeitet und die letzten 13 Monate die Transporte heimkehrender Kriegsgefangener begleitet und dadurch Gelegenheit gehabt, tiefe Einblicke in den Seelenzustand der Gefangenen zu tun; darum liegt mir das Schicksal dieser Ärmsten in Avignon Zurückgehaltenen schwer auf dem Herzen. Da kürzlich die Nachricht durch die Presse ging, dass ein Teil der Gefangenen nach Cayenne überführt werden solle, wäre ich Euer Excellenz von tiefstem Herzen dankbar, wenn Eure Excellenz die Güte haben würden, Seine Heiligkeit den
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Papst auf das Schicksal der, in Frankreich zurückgehaltenen Kriegsgefangenen aufmerksam zu machen, da wir von einer Fürsprache Seiner Heiligkeit des Papstes so viel erhoffen.
In aufrichtigster Dankbarkeit für Euer Excellenz Güte bin ich Euer Excellenz
ergebenste
Else Overbeck
23v, unterhalb des Brieftextes hds. von unbekannter Hand notiert: "[Bln. W.] 56.Vom 13.I.21Obiges Gesuch beehre ich mich Ew. Exzellenz wärmstens zu empfehlen.In fürstbischöflicher DelegaturBertramfürstbischöfl. Delegat."
Empfohlene Zitierweise
Overbeck, Else an [Bertram, Adolf Johannes] vom 13. Januar 1921, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 3808, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/3808. Letzter Zugriff am: 19.04.2024.
Online seit 14.05.2013, letzte Änderung am 16.12.2013.