Dokument-Nr. 4455
Bornewasser, Franz Rudolf an Pacelli, Eugenio
Trier, 19. Mai 1923

Ew. Exzellenz!
Seine Eminenz der Herr Kardinal von Cöln setzte mich in Kenntnis von einem Schreiben Ew. Exzellenz, das sich auf die Grundsteinlegung einer neuen Kirche in Saarbrücken durch Seine Eminenz, durch den hochwürdigsten Herrn Bischof von Speyer und mich bezieht. Seine Eminenz der Herr Kardinal hat bereits, wie er mir schreibt, diese Nachricht als tendenziöse Unwahrheit mit Recht bezeichnet. Ich gestatte mir zu der Angelegenheit Ew. Exzellenz folgendes zu berichten:
In der Woche nach dem Fronleichnamsfeste habe ich nach dem Visitationsplane für das Jahr 1923 das Dekanat Völklingen, der H. H. Weihbischof das Dekanat Saarbrücken (beide im Saarstaat) zu visitieren, und dort die hl. Firmung zu spenden. Nun haben wir schon im verflossenen Winter nach eingehender Beratung mit hervorragenden Laien beschlossen, in möglichst vielen Städten und Bezirken der Diözese, kleine, rein religiöse Katholikentage zu halten, um dem armen gedrückten Volke in diesen freudelosen Zeiten wenigstens die rein geistigen Freuden unserer katholischen Religion, wie sie diese Veranstaltungen mit sich bringen, zu schenken und dadurch die religiösen und sittlichen Kräfte in den Seelen der Diözesanen zu stärken. Grössere Katholikentage sollten in den beiden grössten Städten der Diözese, die zugleich einen sehr starken Prozentsatz von Protestanten haben, in Coblenz und Saarbrücken stattfinden. Als bekannt wurde, dass in Cöln im August d. J. die übliche Katholikenversammlung für ganz Deutschland stattfinden sollte, hat Coblenz wegen der Nähe Cölns auf eine eigene Katholikenversammlung verzichtet, Saarbrücken sie aber beibehalten, weil es augenblicklich von Deutschland getrennt ist und kaum jemand
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von dort nach Cöln gehen kann.
Mit Rücksicht darauf nun, dass der H. H. Weihbischof und ich in der Fronleichnamsoktav die Visitationsreisen in den obengenannten Dekanaten des Saargebietes beginnen, und weil sich die treuen saarländischen Katholiken gar zu sehr freuen, ihre beiden Bischofe bei sich zu haben, ist der Katholikentag auf den Sonntag in der Fronleichnamsoktav gelegt worden. Derselbe ist rein religiös. Morgens werden in verschiedenen Kirchen Pontifikalämter gehalten, um 11 Uhr in allen Kirchen und nachmittags in 6-7 Sälen nur gesprochen über den Wert des katholischen Glaubens und die Treue zur hl. Kirche.
Seine Eminenz der Herr Kardinal von Cöln ist gar nicht eingeladen worden. Niemals hat auch die Absicht bestanden, ihn einzuladen. Der H. H. Bischof von Speyer ist eingeladen worden und musste eingeladen werden, weil ein Teil seiner Diözese zum Saargebiet gehört und seine Pfarreien, die unmittelbar vor den Toren Saarbrückens liegen, am Katholikentag teilnehmen werden. Ob er kommt, weiss ich nicht; ich habe bis jetzt keinerlei Nachricht.
Die Grundsteinlegung der neuen grossen Kirche in Saarbrücken ist eine ganz zufällige und nebensächliche Angelegenheit. Sie wird von mir vollzogen, weil ich gerade anwesend bin. So war es auch bei meinem Vorgänger Brauch, wenn gelegentlich seiner Visitationsreisen in einem Dekanate ein Kirchenbau soweit vorbereitet war, dass der Grundstein gerade während dieser Reise gelegt werden konnte. Ich möchte den opferfreudigen Katholiken Saarbrückens, die vor dem Kriege jahrzehntelang unter dem Druck eines gehässigen liberalen Regiments sehr viel gelitten haben, die Freude machen, dass ihr Ordinarius selbst die Segnung des Grundsteins vornimmt. Weder der Herr Kardinal von Cöln noch der Bischof von Speyer haben irgendetwas mit dieser rein kirchlichen Feier zu tun. Höchstens wird der H. H. Weihbischof von Trier dabei sein, der im Saargebiet Pfarrer war.
Anlass zu der für mich schmerzlichen, tendenziösen Lüge hat vielleicht eine kurze Notiz gegeben, die vor einigen Monaten im "Saar-Kurier", einer, wie man mir sagt, französisch orientierten Zeitung, sich
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fand. Es hiess darin, zum Katholikentag würden ausser mir der Herr Kardinal von Cöln und der Bischof von Speyer kommen, und bei dieser Gelegenheit werde der Grundstein einer neuen Kirche gelegt. Diese Notiz ist auch, soweit ich unterrichtet bin, in einige andere Zeitungen übergegangen. Als wir in Trier diese Nachricht, die den Stempel der Unwahrheit an der Stirne trug, lasen, sagten wir uns sofort, sie sei mit Absicht in die erstgenannte Zeitung lanciert worden, um dem Katholikentag eine politische Note zu geben und ihn so in Misskredit zu bringen. Die Tendenz-Information nach Rom scheint mir nur eine Fortspinnung dieses Fadens zu sein. Man scheint in Saarbrücken schon nervös zu werden, wenn der Ordinarius, der sich übrigens gänzlich von jeder Politik fernhält, in diesen Teil seiner Diözese kommt, weil das treukatholische Saarvolk mit der Anhänglichkeit an seinen Trierer Bischof nicht zurückhält. Aber ich werde mich, solange ich Bischof von Trier bin, niemals abhalten lassen, meine oberhirtliche Pflicht auch in diesem Teile meiner Diözese zu erfüllen und dorthin zu gehen, so oft es Hirtenpflicht und Hirtenliebe verlangen. Nicht ohne Interesse dürfte es für Ew. Exzellenz sein, dass bei meinem ersten feierlichen Empfang in Saarbrücken (1922) selbst französische Zeitungen gestehen mussten, ich hätte mich sehr korrekt benommen, jedes Eingehen auf politische Fragen vermieden, und fasste mein hohes Amt rein religiös auf. Zugleich haben diese Zeitungen freilich ihr Erstaunen darüber nicht unterdrücken können, wie sehr das Saarvolk an seinem Trierer Bischof hange.
Eine Illustration zu den Tendenzmeldungen über das Saargebiet bietet z. B. folgender Satz aus einem Artikel: "Frankreich im Saargebiet", den St. Lauzanne am 10. X.1922 im "Matin" veröffentlichte: "Frankreich hat stets gegen sich die Tätigkeit der Geistlichkeit, die unter dem Einfluss der Bischöfe von Mainz und Speyer geblieben ist, deren Liebe zu Deutschland 100 Ellen höher ist, als ihre Liebe zu Gott. Wenn ihr wüsstet, dass die jungen Saarpriester in der Mehrzahl aus dem Münchener <(!)>1 Seminar kommen, wo geistliche Exerzitien mit Schiessübungen abwechseln,
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dann würdet ihr eine Ahnung haben von der christlichen Neutralität des Saarklerus."
Ew. Exzellenz mögen aus obiger Darstellung ersehen, wie die Sache so ganz anders liegt, als sie von interessierter Seite tendenziös nach Rom berichtet wurde, und ich darf mich der Hoffnung hingeben, dass Seiner Eminenz dem Herrn Kardinal-Staatssekretär mit dieser Darstellung alle Sorge genommen ist und durch dieselbe gezeigt wurde, dass die Tagung der Saarkatholiken und vor allem die rein zufällige Grundsteinlegung der neuen Kirche durch mich mit Politik, Deutschtum, Saarstaat etc. gar nichts zu tun haben, sondern eine rein religiöse Angelegenheit sind. Als solche war die Feier von allen massgebenden Persönlichkeiten von Anfang an gedacht und wird auch als solche durchgeführt werden.
Ich benutze gerne diese Gelegenheit, um Ew. Exzellenz den Ausdruck meiner vorzüglichsten Hochschätzung und Verehrung zu entbieten als
Ew. Exzellenz
ergebenster
+ Franz Rudolf
Bischof von Trier.
1Hds. eingefügt von unbekannter Hand, vermutlich vom Verfasser.
Empfohlene Zitierweise
Bornewasser, Franz Rudolf an Pacelli, Eugenio vom 19. Mai 1923, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 4455, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/4455. Letzter Zugriff am: 29.03.2024.
Online seit 24.10.2013, letzte Änderung am 29.09.2014.