Dokument-Nr. 4464
Braun, Otto an Pacelli, Eugenio
Berlin, 06. September 1926

Eurer Exzellenz
beehrt sich die Preußische Staatsregierung den Empfang des mit dem gefälligen Schreiben vom 7. Juli d. J. - Nr. 35547 – übersandten Memorandums des Heiligen Stuhles in der Frage des polnischen Konkordats ergebenst zu bestätigen.
Der von der Preußischen Staatsregierung in ihren bisherigen Noten eingenommene Standpunkt wird durch die Ausführungen des Memorandums nach Auffassung der Preußischen Staatsregierung nicht berührt. Ich darf mich jedoch hier darauf beschränken, nochmals hervorzuheben, daß die Darlegungen des Heiligen Stuhles das Wort „unverändert", auf welches die Note der Preußischen Staatsregierung vom 29. Dezember 1925 besonderen Nachdruck gelegt hat, ebensowenig berücksichtigt, wie die Tatsache, daß zu den preußischen Diözesen auch Gebiete außerhalb Preußens und des Deutschen Reichs gehören, und daß umgekehrt ausländische Diözesen in preußisches Gebiet übergreifen. Wenn das Memorandum noch hervorhebt, daß seinerzeit auch über die Neuregelung der kirchlichen Verhältnisse in Elsaß-Lothringen ohne Beteiligung Frankreichs nur mit Deutschland verhandelt worden sei, so gestattet sich die Preußische Staatsregierung zu bemerken, daß die Ablösung der Bistümer Straßburg und Metz von
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der Kirchenprovinz Besançon durch die Dekrete vom 10.  und 14. Juli 1874 erst erfolgt ist, nachdem Frankreich gemäß Art. 6 des Friedensvertrages vom 10. Mai 1871 sich mit Deutschland entsprechend geeinigt hatte.
Die Preußische Staatsregierung begrüßt mit Wärme die erneute Erklärung des Heiligen Stuhles, daß er das kirchliche Eigentum Deutschlands schützen und zur Anerkennung bringen wolle. Sie gibt sich, nachdem seit dem Abschluß des polnischen Konkordats 11/2 Jahre verflossen sind, der Erwartung hin, daß nunmehr die volle Freigabe der noch immer beschlagnahmten, Neupolen gelegenen Güter der Domkirche in Breslau herbeigeführt werde.
Die Preußische Staatsregierung glaubt nunmehr auch der vollen Freigabe des Grundeigentums der katholischen Pfarreien Preußens, die jetzt in Polen gelegen sind, entgegensehen zu sollen. Sie steht nicht an, zu erklären, daß sie – unter der selbstverständlichen Voraussetzung der Gegenseitigkeit – stets bereit gewesen ist und bereit sein wird, das in ihrem Staatsgebiet belegene [sic], polnischen kirchlichen Körperschaften gehörige Grundeigentum ohne Beschränkung den Eigentümern zu Verfügung zu stellen.
Indem ich bitte, dem Heiligen Stuhle diese Darlegungen zu übermitteln, wäre ich namens der Preußischen Staatsregierung besonders dankbar, wenn Eure Exzellenz Sich für den baldigen günstigen Abschluß der Güterfrage bei dem Heiligen Stuhle einsetzen würden.
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Mit dem Ausdruck meiner besonderen Hochachtung habe ich die Ehre zu zeichnen als
Eurer Exzellenz
ganz ergebener
Braun
Empfohlene Zitierweise
Braun, Otto an Pacelli, Eugenio vom 06. September 1926, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 4464, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/4464. Letzter Zugriff am: 18.04.2024.
Online seit 29.01.2018.