Dokument-Nr. 555

[Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus]: Vollzug des Art. 14 § 3 des neuen Konkordates.. [München], März 1925

Abschrift
Art. 14 § 3 Satz 1 des neuen Konkordates mit dem Hl. Stuhle (GVBl. 1925 S. 53ff.) sieht das Erfordernis einer vorgaengigen Mitteilung der Personalien des in Aussicht genommenen Geistlichen nicht fuer die Vergebung aller Pfruenden oder Stellen vielmehr nur von Pfarreien vor. Die kirchliche Oberbehoerde wird demnach jeweils die Personalien des Geistlichen (*), dem eine Pfarrei im Wege der freien oberhirtlichen Vergebung oder auf Grund Vorschlages (Praesentation eines Privatpatrons) oder auf Grund eines Nominationsrechtes verleihen [sic] werden soll, der Regierung, Kammer des Innern, mitteilen. Die Regierung, Kammer des Innern, wird, falls eine Erinnerung nicht veranlasst erscheint, beschleunigt - d. i. laengstens binnen 14 Tagen - die Aeusserung in eigener Zustaendigkeit abgeben, anderenfalls jedoch die Verhandlungen dem Staatsministerium fuer Unterricht und Kultus zur Entscheidung unterbreiten. Dieses Verfahren entspricht dem bisherigen Falle des Schlussabsatzes des Art. XI des alten Konkordates (vgl. Min. Entschl. v. 9. Dezember 1923 Nr. 52699).
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Fuer Faelle der Vergebung anderer Pfruenden oder Stellen (Kurat- oder Inkurat-Pfruenden oder -Stellen) freier oberhirtlicher Verleihung oder auf Grund Vorschlages (Praesentation) eines Privatpatrons oder eines Nominationsrechtes ist nach den neuen Vereinbarungen eine vorgaengige Mitteilung der Personalien nicht mehr erforderlich.
2. Nach Art. 14 § 3 des neuen Konkordates bleiben die staatlichen Patronats- oder Praesentationsrechte aus besonderen kanonischen Rechtstiteln in der bisherigen Form unberuehrt. Hierzu sind folgende Bemerkungen veranlasst:
a) Der Vollzug des Art. XI des bisherigen Konkordates erforderte laengere Verhandlungen zwischen der Staatsregierung und den kirchlichen Oberbehoerden ueber die Zugehoerigkeit der einzelnen Pfruenden oder Stellen zur Gruppe im Sinne des Abs. I u. II oder im Sinne des Abs. VI des genannten Artikels. Die ueber das Ergebnis dieser Verhandlungen aufgestellten Verzeichnisse (vgl. von Seydel, Bayerisches Staatsrecht, 1. Aufl. Bd. 6 Seite 243 Anm. 1) und deren Nachtraege fuehren die Pfruenden oder Stellen in 3 Gruppen auf, naemlich solche im Sinne des Art. XI Abs. I und II – meist jedoch ohne Ausscheidung nach Abs. I oder II –, dann im Sinne des Abs. VI und endlich die sogenannten Wechselpfruenden. Da nun § 3 Schlusssatz des neuen Konkordates nur jene staatlichen Patronats- oder Praesentationsrechte aufrecht haelt, die auf einem besonderen kanonischen Rechtstitel, sei es Dotation, Fundation oder Aedifikation beruhen, so muessen die betreffenden Verzeichnisse durch Ausscheidung dieser Pfruenden oder Stellen von den bisherigen staatlichen blossen Praesentationsstellen berichtigt werden. Wenn einer der genannten drei Rechtstitel vorliegt, ist die Zeit
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seiner Entstehung vor oder nach dem Inkrafttreten der Verfassung von 1818 ohne Belang, ebenso wie der Umstand, ob es sich dabei um einen urspruenglichen oder (vgl. von Seydel, Bayer. Staatsrecht, 1. Aufl. Bd. 6 Seite 241/242 und Anm. 2) um einen Erwerb eines schon bestehenden Patronats- oder Praesentationsrechtes von einem weltlichen oder geistlichen Regierungsvorfahren handelt; wenn letztenfalls ein Erwerb im Wege der seinerzeitigen Verstaatlichung bisherigen Kirchengutes in Mitte liegt, ist eine Aufrechterhaltung des so erworbenen Patronatsrechtes nicht beabsichtigt.
Auch das dem Traeger der Staatsgewalt bisher indultweise zugestandenen Praesentationsrecht in den paepstlichen Monaten auf gewisse Pfarreien ("Monatpfarreien") ist ab 24.I.1925 zugunsten der libera collatio fallen gelassen.
Die Regierungen, Kammern des Innern, haben sich mit den Erzbischoeflichen und Bischoeflichen Ordinariaten ueber Zweifelsfälle zu benehmen und mangels einer Verstaendigung unter Vorlage der Verhandlungen an das Staatsministerium fuer Unterricht und Kultus zu berichten. Die Verzeichnisse der auch fernerhin zu Recht bestehenden staatlichen Patronats- oder Praesentationsrechte sind auf den Stand von Pfingsten 1918 zu ergaenzen und dem Staatsministerium fuer Unterricht und Kultus bis 1. Juli 1925 vorzulegen.
b) Bezueglich der Veranlassung der Ausschreibung erledigter staatlicher Patronats- oder Praesentationspfruenden oder -Stellen zur Bewerbung durch Vermittlung der kirchlichen Oberbehoerden, dann bezueglich der Einreichung der Gesuche um Vorschlag (Praesentation) zu solchen Pfruenden oder Stellen bei der zustaendigen Regierung, Kammer des Innern, weiter bezueglich der Sachbehandlung der eingekommenen Gesuche, insbesondere nach Ablauf der Bewerbungsfrist bezueglich der Erholung der gutachtlichen Aeusserung
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der kirchlichen Oberbehoerde und der berichtlichen Vorlage der etwaigen Verhandlungen mit einem Bewerberverzeichnis an das Staatsministerium fuer Unterricht und Kultus kommen die bisherigen Bestimmungen zur entsprechenden Anwendung.
Die Entscheidung ueber die Auswahl des vorzuschlagenden geeigneten Geistlichen behaelt sich wie bisher das Staatsministerium fuer Unterricht und Kultus vor. Die Regierung, Kammer des Innern, wird hiervon in Kenntnis gesetzt mit dem Auftrage, diesen Geistlichen unter Benuetzung des anliegenden Formblattes jeweils dem zustaendigen Erzbischoefliche [sic] oder Bischoeflichen Ordinariate fuer die betreffende Pfruende oder Stelle vorzuschlagen (zu praesentieren). Der Pfruende- oder Stellengenuss beginnt wie bisher und zwar in der Dioezese Wuerzburg mit dem Tage des Amtsantrittes, in den uebrigen Dioezesen mit dem Tage der das bisherige Notifikationsdekret ersetzenden Mitteilung des Vorschlages (Praesentationsurkunde) der Regierung, Kammer des Innern, an die kirchliche Oberbehoerde; als Tag der Ausstellung ist regellaessig der 1. oder 16. des betreffenden Monats zu waehlen.
Die Erzbischoeflichen und Bischoeflichen Ordinariate werden die Regierungen, Kammern des Innern, von der Verleihung der Pfruende oder Stelle an den vorgeschlagenen (praesentierten) Geistlichen in Kenntnis setzen; auch die Geistlichen werden durch die kirchlichen Oberbehoerden verstaendigt.
(*)Vgl. Art 13 § 1 a-c des neuen Konkordates; soferne die frueheren dienstlichen Stellungen des Geistlichen aus dem Dioezesanschematismus nicht ersichtlich sein sollten, sind auch sie anzugeben.
Empfohlene Zitierweise
[Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus], Vollzug des Art.14 §3 des neuen Konkordates., [München] vom März 1925, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 555, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/555. Letzter Zugriff am: 20.04.2024.
Online seit 24.06.2016.