Dokument-Nr. 565
Bornewasser, Franz Rudolf an Pacelli, Eugenio
Trier, 20. September 1923

Euer Exzellenz
beehre ich mich in der nachstehend dargelegten Angelegenheit ergebenst um Ihre gütige Bemühung zu bitten.
Wie Ew. Exzellenz bekannt ist, hat im vorigen Jahre der aumonier inspecteur der französischen Rheinarmee Msgr. Remond inscio ordinario loci unter Missachtung der cann. 495 und 497 des C. I. C. eine Niederlassung von Ordensschwestern in dem zum Saargebiet gehörigen Teil meiner Diözese gegründet. Da ich diesen Eingriff in meine Rechte nicht unwidersprochen lassen durfte, habe ich im Dezember vorigen Jahres meinen Weihbischof Msgr. Dr. Mönch und Herrn Praelat Dr. Kaas nach Rom entsandt und die Angelegenheit der S. Congregatio Concistorialis zur Entscheidung vorgelegt. Die oben genannten Schwestern sind an Schulklassen tätig, die von der französischen Bergwerksverwaltung eingerichtet wurden, jedoch fast nur von deutschen Kindern besucht werden. Mit Rücksicht auf den letzteren Umstand habe ich mich veranlasst gesehen, der Hl. Kongregation nicht nur die Frage der Klostergründung selbst sondern auch die Entscheidung darüber vorzulegen, ob der Hl. Stuhl die Absicht gehabt habe, die Jurisdiktion über die fast nur von deutschen Kindern besuchten Schulen dem französischen Armeebischof zu übertragen. Am 23. März d. J. ist mir von dem Sekretär der genannten Kongregation Sr. Eminenz Kard. de Lai folgender vorläufiger Bescheid zugegangen:

"Sacra Congregazione Concistoriale
Roma, 23 Marzo 1923.
549/21.

Illmo e Revmo Signore,
Mi sono giunte le Sue nuove osservazioni e notizie circa le case religiose francesi sorte in Sua diocesi e le scuole parimenti francesi nella regione della
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Saare, trasmesse per mezzo di Mgr. Steinmann. La questione, sino dal primo ricorso da Lei presentato nel passato Dicembre, fu subito oggetto di premure da parte di questo S. Congregazione; ma non essendosi ancora in possesso delle cose richieste, si è preferito attendere per dare a Lei precisa risposta, che spero inviare fra breve.
Fin d'ora del resto si vede chiaro il punto giuridico circa l'erezione di nuovi monasteri, non potendosi avere dubbi sul senso dei can. 495 e 497; e non era quindi autorizzato Mgr. Rémond a fare quanto fece. Ma, ripeto, fra breve Le darò precisa risposta, per affrettare la quale ho fatto nuove insistenze.
Con sensi di particolare ossequio mi professo
della S. V. Revma
affmo come fr.
sign. + J. Card. De Lai, Ves."

Aus dieser vorläufigen Mitteilung glaubte ich entnehmen zu können, dass der Hl. Stuhl in der Frage der Klostergründung1 entsprechend den klaren Normen des kirchlichen Rechts das Vorgehen des französischen Militärbischofs als unkanonisch erklären und den Bischof von Trier in der Wahrung seiner Befugnisse als Ordinarius schützen werde. Betreffs der Jurisdiktion über die genannten Schulen enthielt das Schreiben S. Eminenz des Herrn Kardinals de Lai noch keinerlei Stellungnahme.
Zu meiner lebhaften Beunruhigung wird mir nunmehr eine Notiz bekannt, welche die französische Zeitung Le Gaulois am 26. August ds. Jahres unter dem Titel: "Frankreich an der Saar. Eine wichtige Entscheidung des Hl. Stuhles" gebracht hat. Sie lautet: "Die Agence Havas teilt uns folgende Depesche aus Rom mit:
Es ist bekannt, dass im Saargebiet mehrere Schulen bestehen, die von französischen Schwestern geleitet sind. Durch den deutschen Episkopat ist nun angefragt worden, unter welcher Jurisdiktion diese Schulen gestellt sein müßten. Natür-
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lich besteht der deutsche Episkopat darauf, dass diese Jurisdiktion nur die des Ordinarius loci sein könnte, d. h. der deutschen Bischöfe.
Dieser Standpunkt ist nicht vom Hl. Stuhl vertreten worden, und der französische Gesandte am Hl. Stuhl hat es erreicht, dass diese von Ordensschwestern geleiteten Schulen von der Autorität des Bischofs der Rheinarmee, Mgr. Reymond [sic], abhängig sind.
Nur mit Genugtuung kann man diese Entscheidung des Hl. Vaters unterstreichen, die ebenso gerecht ist wie übereinstimmend mit dem Wortlaut und dem Sinn des Versailler Vertrages.
Diese Entscheidung ehrt unserer Ansicht nach Pius XI.
Begnügen wir uns festzustellen, dass ein französischer Gesandter am Vatikan doch in bestimmten Fällen von Nutzen sein kann."

Die vorstehende Notiz berührt zwar nicht die Frage der Klostergründung als solcher, würde aber, falls sie den Tatsachen entsprechen sollte, in Bezug auf die zweite der Konsistorialkongregation vorgelegte Frage eine derart bedeutsame Einschränkung der dem Ordinarius der Trierer Diözese zustehenden Rechte darstellen, dass ich mit Rücksicht auf die Stimmung meiner saarländischen Diözesanen nur wünschen kann, dass es sich um eine unrichtige Meldung handelt. Es steht zu befürchten, dass gegnerische Blätter die obengenannte Pressenotiz in tendenziöser Weise ausnützen. Noch vor kurzen hat die sozialistische Presse unter Bezugnahme auf die Frankfurter Zeitung einen Artikel gebracht, in dem Stimmung gegen Rom gemacht wurde, das in der Saarfrage mehr auf Frankreich als auf die Saarbevölkerung Rücksicht nehme. Auch die kirchlich gesinnten Katholiken des Saarlandes würden eine Stellungnahme nicht schweigend hinnehmen, in der sie weniger den Ausdruck einer kirchlichen Rechtsentscheidung sehen würden, als vielmehr eine diplomatische Rücksichtnahme gegenüber derjenigen Partei, die freilich die Macht auf ihrer Seite hat.
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Gerade deshalb, weil ich die dem katholischen Interesse abträgliche propagandistische Auswertung der unglücklichen Pressenotiz vermieden sehen möchte, wäre ich Euer Exzellenz zu aufrichtigstem Dank verpflichtet, wenn Sie durch eine Anfrage an maßgebender Stelle beschleunigt feststellen lassen könnten, wie die Angelegenheit in Rom steht. Euer Exzellenz würden mich und alle Katholiken der Trierer Diözese von schwerer Beklemmung und ernster Besorgnis befreien, wenn Sie mir die Unrichtigkeit der Havasmeldung amtlich bestätigen könnten. Sollte aber tatsächlich, was Gott verhüten möge, die Angelegenheit in einer Entwickelung begriffen sein, die dem Gaulois Recht gibt, dann bitte ich Euer Exzellenz beim Hl. Stuhl mit allem möglichen Nachdruck dahin wirken zu wollen, dass die endgültige Entscheidung nicht gefällt wird, ohne mir bezw. einem Vertreter erneut Gehör geschenkt zu haben. Mit der dem Hl. Stuhl gebührenden Ehrfurcht darf ich darauf hinweisen, dass manche der heute entstandenen Schwierigkeiten nur dadurch möglich geworden sind, dass die Formulierung der dem aumonier inspecteur der französischen Rheinarmee erteilten Fakultäten ohne Anhörung der beteiligten Bischöfe des besetzten Gebietes und ohne hinreichende Kenntnis der Detailverhältnisse erfolgt ist. Um den durch die ausdeutungsfördernde Formulierung der genannten Fakultäten entstandenen Schwierigkeiten zu begegnen, habe ich im Dezember vorigen Jahres bei der S. Congregatio Consistorialis eine authentische Interpretation derselben beantragt und gebeten, auszusprechen, daß die Hl. Kongregation nicht beabsichtigt habe, dem französischen Armeebischof irgendwelche Jurisdiktion über Nichtfranzosen zuzuerkennen. Sollte Msgr. Remond in seinem Gegenbericht einen anderen Standpunkt vertreten haben, so bitte ich den Hl. Stuhl eindringlichst, vor der endgültigen Entscheidung mich zu den von der anderen Seite vorgebrachten Gegengründen verantwortlich äußern zu dürfen.
Indem ich Euer Exzellenz tiefer Einsicht und leidenschaftslosem Urteil diese für die Stellung des Hl. Stuhles und für
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das Wohl der katholischen Sache in Deutschland überaus bedeutungsvolle Angelegenheit vertrauensvoll übergebe, bitte ich zugleich die Gefühle aufrichtigsten und verehrungsvollsten Dankes aussprechen zu dürfen,
mit denen ich die Ehre habe zu sein
Euer Exzellenz in Xo ergebenster
+ Franz Rudolf
Bischof von Trier.
1"Frage der Klostergründung" hds. unterstrichen, vermutlich vom Empfänger.
Empfohlene Zitierweise
Bornewasser, Franz Rudolf an Pacelli, Eugenio vom 20. September 1923, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 565, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/565. Letzter Zugriff am: 28.03.2024.
Online seit 24.10.2013.