Dokument-Nr. 6387
Schmidt, Josephine an Pius XI.
Teisbach, 02. Juli 1922

Euere Päpstliche Heiligkeit.
Durch das Bischöfliche Ordinariat Regensburg wurde ein Schreiben an mein zuständiges Pfarramt Teisbach erlassen, in welchem mir meine seit Kinderjahren gepflogene Gewohnheit der tägl. Kommunion1 untersagt wurde. Einen wirklich stichhaltigen, vernünftigen Grund kann ich mir nicht denken. Vermutlich gab die Veranlassung hierzu eine Angelegenheit mit der hiesigen Baronin. Dieselbe sollte auf Verlangen des Pfarrers im Presbyterium der Kirche zwei Chorstühle, die sie aufgrund eines früher einmal der Kirche gespendeten Almosens für sich beanspruchte, für die Kinder frei geben, die im Gange auf kaltem Pflaster stehen müssen. Da auch das Bisch. Ord. dieses Verlangen des Pfarrers billigte, dann aber
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offenbar aus persönlichen Rücksichten gegen die Baronin den Erlass rückgängig machte, glaubte ich in Übereinstimmung mit Herrn Pfarrer weiter dahin mich bemühen zu sollen, daß für die Schuljugend ein entsprechender Platz in der Kirche geschaffen würde. Das erregte den Unwillen der Baronin. Sie verleumdete mich beim Bischöfl. Ordinariate. Dieses genügte zu dem genannten, für mich so schwer wiegendem Ordinariats-Erlass.
Der gesunde Sinn für Recht und Gerechtigkeit sagt mir: das Bisch. Ord. Regensburg hätte – um nicht ein ganz und gar entstelltes Bild von der Sachlage zu bekommen u. um nicht zu so ungerechter Maßnahme zu schreiten – sich nicht einseitig informieren sollen, hätte auch mich vorladen, bezw. vernehmen müssen, hätte zum mindesten eine unparteiische Mittelsperson beauftragen sollen, die Angelegenheit nach beiden Seiten hin eingehend zu prüfen. Nichts von alldem ist geschehen. Lediglich auf Verdächtigung der Baronin hin, die – nebenbei bemerkt – eine geschiedene Frau ist, wurde mir der Sakramentsempfang untersagt. Inwiefern das Ordinariat das Recht hat, mich durch solch einen Erlass förmlich als öffentliche Sünderin zu brandmarken ist mir unerfindlich.
Ich bin seit Jahren Bezirksvertreterin des kathol. Lehrerinnenvereins, habe seit meiner Anstellung trotz vieler Behelligungen vonseite meiner Kollegen und Kolleginnen die Sache der kathol. Lehrerinnen vertreten, war bestrebt die Kinder im Geiste unserer heiligen katholischen Kirche zu unterrichten u. zu erziehen, habe mich der Jugend auch ausserhalb der Schule im Interesse einer christlichen Erziehung jederzeit angenommen
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– nicht um mich lobend hervorzuheben sei das gesagt – sondern lediglich um die Angelegenheit in entsprechendem Lichte darzustellen. Ich fand in der häufigen ja täglichen Kommunion, entsprechend dem Dekret des hochseligen Papstes Pius X. die sittliche Kraft zur Erfüllung meiner Berufs- und Standespflichten; bedurfte derselben auch um in meiner Eigenschaft als Lehrerin u. Jugenderzieherin dem Zölibat treu zu bleiben, um deswillen gerade in unser Zeit u. in unserem Lande die kathol. gesinnten Volksvertreter so schwere Kämpfe durchzumachen haben.
Nun soll mir die Kommunion untersagt werden aus rein persönlichen Rücksichten für die genannte Frau, welche beim Bisch. Ord. offenbar nur deshalb so grossen Einfluss hat, weil sie von Adel ist.
Wenn dieser Ordinariats Erlass verpflichtende Rechtskraft hat dann muss ich die Konsequenzen ziehen. Wenn ich daher in das Lager antikirchlicher Kreise gedrängt werde, wenn ich, der Gnade der Sakramente beraubt, nicht mehr den in meinem Berufe notwendigen moralischen Halt habe, wenn das auch in meiner Tätigkeit in der Schule seine unvermeidlichen Wirkungen ausübt, so lehne ich die Verantwortung hierfür völlig ab. Hier steht nicht in Frage ob die Baronin wegen der Stühle im Recht oder Unrecht ist. Das hätte einer gerechteren objektiven Behandlung bedurft vonseite des Bisch. Ordinariates. Doch das ist eine Sache für sich. Hier handelt es sich darum, dass mir die tägl. Kommunion untersagt wurde u. dass dieses Vorgehen des Bisch. Ord. durch rein gar nichts begründet ist. Ich erblicke darin eine schreiende Ungerechtigkeit des Bisch. Ordinariates. Dasselbe hat zweifellos seine Kompetenzen weit überschritten. Der Grundsatz "Recht muss Recht bleiben" muss, wenn überhaupt, dann sicher für eine
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kirchliche Behörde Geltung haben.
Ich bitte daher Euere Heiligkeit, beim Bischöfl. Ordinariate Regensburg dahin zu wirken, dass mir Gerechtigkeit widerfahre, beziehungsweise der ungerechte, durch nichts begründete Erlass förmlich zurückgenommen werde.
Euerer Päpstlichen Heiligkeit
in tiefster Ehrfurcht
ergebene
Josephine Schmidt
Lehrerin
1"tägl. Kommunion" hds. unterstrichen von unbekannter Hand in brauner Farbe unterstrichen, vermutlich vom Empfänger.
Empfohlene Zitierweise
Schmidt, Josephine an PiusXI. vom 02. Juli 1922, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 6387, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/6387. Letzter Zugriff am: 20.04.2024.
Online seit 31.07.2013.