Dokument-Nr. 648
Hartmann, Felix von an Schmidt-Ott, Friedrich
Köln, 14. Oktober 1917

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Euere Exzellenz bitte ich, es mir nicht zu verargen, wenn ich mich in einer mir sehr peinlichen Angelegenheit vertrauensvoll an Hochdieselben wende.
Ew. Exzellenz und der Herr Staatssekretär des Reichs-Kolonialamts sind zu dem am 21. Oktober in Aachen stattfindenden Missionstag ohne mein Wissen eingeladen worden. Dieser Missionstag wird anlässlich des 75 jährigen Jubiläums des Xaverius-Vereins abgehalten. Ich weiß nicht, ob es Ew. Exzellenz bekannt ist, dass der Xaverius-Verein ein Zweig des großen, die ganze Welt umspannenden Lyoner Missionsvereins ist. Die aus den verschiedenen Diözesen Deutschlands in Aachen einkommenden Gaben wurden an die Zentrale nach Lyon geschickt, und die deutschen Missionen erhielten von dort (wie rechnerisch genau festgestellt ist) eine erheblich größere Summe zurück, als von den deutschen Diözesen sei es direkt oder über Aachen eingezahlt wurde. Während des Krieges wurde selbstverständlich kein Geld nach Lyon geschickt, sondern es wurden die für den Xaverius-Verein bei den einzelnen bischöflichen Curien Deutschlands angesammelten Gelder mit Erlaubnis des Papstes direkt den deutschen missionierenden Ordensgenossenschaften ausgezahlt. Es wird mit Aussicht auf Erfolg angestrebt, diese Einrichtung auch nach dem Kriege festzuhalten, wobei aber eine Trennung von dem Lyoner Weltverein vermieden werden soll, da sie den deutschen Xaverius-Verein sehr vieler geistlicher und temporeller Vorteile berauben würde.
In letzter Zeit sind nun zwischen der deutschen Zentrale des Xaverius-Vereins zu Aachen und dem Straßburger Diöze-
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sankomitee des Lyoner Missionsvereins in Strassburg erhebliche Differenzen entstanden, da die Aachener Zentrale eine neue Zeitschrift "Die Weltmission" herausgegeben hat, während Strassburg, welches bisher für ganz Deutschland die Übersetzung der Lyoner Zeitschrift "Annalen" besorgte, an dieser Zeitschrift festhielt. Infolge dieser Differenz entstand in Lyon der Verdacht, die deutschen Diözesen wollten sich mit Rücksicht auf den Krieg von dem Lyoner Verein völlig trennen. Von Lyon wandte man sich daher nach Rom, von wo die strikte Weisung hierher erfolgte, dass jeder Versuch einer Trennung von dem Lyoner Verein in diesem schwierigen Augenblick vermieden werden müsse.
Wenn nun jetzt in Aachen das Jubiläum des Xaverius-Verein unter Beteiligung der höchsten Staatsbehörden, so dankenswert dieselbe auch an sich ist, stattfindet, so wird das ohne jeden Zweifel im Ausland dahin ausgelegt werden, dass die Tagung eine politische Bedeutung habe, und dass eine Trennung des deutschen Xaveriusverein von dem Lyoner Missionsverein dadurch sanktioniert werden soll. Ich muss fürchten, dass das Ausland in hohem Grade gegen uns ausgebeutet würde, was mir so peinlicher ist, als der h. Vater mich hat anweisen lassen, Gedanken an eine Trennung z. Zt. unbedingt zurückzustellen.
Eine derartige Ausbeutung wäre auch aus dem Grunde aufs lebhafteste zu bedauern, als dadurch der Riss unter den Völker nur noch vertieft würde, während gerade der weltumspannende Missionsverein ein wirksames Mittel sein könnte, die entzweiten Völker wieder einander näher zu bringen.
Ich zweifele nicht, dass Ew. Exzellenz diesen Gedankengängen Verständnis abgewinnen und es darum auch nicht ungütig aufnehmen werden, wenn ich mit aller Offenheit mich Ew. Exzellenz gegenüber ausgesprochen habe. Dankbar würde ich sein, wenn Euer Exzellenz die Gewogenheit haben wollten, dem Herrn Staatssekretär des Reichskolonialamts von meiner Auffassung Kenntnis geben.
gez. Felix Cardinal von Hartmann.
Empfohlene Zitierweise
Hartmann, Felix von an Schmidt-Ott, Friedrich vom 14. Oktober 1917, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 648, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/648. Letzter Zugriff am: 19.04.2024.
Online seit 24.03.2010, letzte Änderung am 10.03.2014.