Dokument-Nr. 6603
Fransecky, D. an Schulte, Karl Joseph
Berlin, 13. April 1918

Unter Rückgabe der beiden Denkschriften über das Kriegsgefangenlager Zerbst beehrt sich Euer bischöflichen Gnaden das Kriegsministerium ergebenst folgendes mitzuteilen.
Die Behandlung der Kriegsgefangenen im Lager Zerbst ist durchaus gerecht, menschlich und einwandfrei für alle, die sich in ihr Schicksal fügen und einsehen, dass ihnen nur das Nötigste gewahrt werden kann. Auf Zucht und Ordnung wird natürlich gehalten und Unbotmassigkeiten, wozu die französischen Kriegsgefangenen sehr neigen, werden nicht geduldet. Misshandlungen Kriegsgefangener durch das Aufsichtspersonal sind streng verboten. Die Beschäftigung der Kriegsgefangenen ist einheitlich geregelt, und wird auch durch Ärzte überwacht. Den Gefangenen wird nicht mehr zugemutet, als sie bei gutem Willen ohne Überanstrengung leisten können: Kranke arbeiten nicht.
Die Unterbringung ist ausreichend, ebenso die Verpflegung. In letzter Beziehung sind die Kriegsgefangenen nicht schlechter gestellt, als die deutsche Zivilbevölkerung.
Im vorletzten Winter wurde eine größere Anzahl Kriegsgefangener, die aus vielen Lagern Deutschlands an bestimmten Orten zusammengezogen und daselbst von der Schweizer Ärztekommission<n>1 bei der Auswahl der zu Internierenden zurückgewiesen worden waren,
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in das Lager Zerbst verbracht. Diese Gefangenen zeigten sich, wahrscheinlich wegen ihrer Zurückweisung von der Internierung, sehr unzufrieden, hetzerisch und widersetzlich. Besonders hetzerisch wirkten die Mitglieder des französischen Hilfsausschusses des Lagers, nach dessen Neubildung besserten sich sofort die Verhältnisse.
Im Übrigen sind die Ausführungen des Berichterstatters Gerlier Übertreibungen und Unwahrheiten.
Die Kommandantur des Lagers hat der Abhaltung des Gottesdienstes für die katholischen Kriegsgefangenen niemals irgend welche Hindernisse in den Weg gelegt oder Schwierigkeiten bereitet. Es ist richtig, dass dem französischen Priestersoldaten Dubaut früher die Genehmigung erteilt war, auf Grund einer von der Kommandantur angestellten Erlaubniskarte sich ohne Begleitung frei im Lager zu bewegen, sowie die schwerkranken Franzosen in den Hilfslazaretten "Kaserne" und "Kreiskrankenhaus" zu besuchen. Diese Erlaubnis musste zurückgezogen werden, als er sich dieser Bewegungsfreiheit und des wegen seines Standes ihm geschenkten Vertrauens leider nicht würdig zeigte und auf die Kriegsgefangenen einen schlechten Einfluss ausübte.
Unter dem 22.6.17 beklagte sich Dubaut bei der Kommandantur darüber, dass die Nordlagerwache einige Male von der Vorüberkunft von Leichenzügen, welche im Gefangenlazarett verstorbene Gefangene nach dem Friedhof überführten, keine Notiz genommen hätte. Die Kommandantur hat darauf am gleichen Tage durch einen Parolebefehl und am nächsten Tage nochmals schriftlich das Landsturm-Inftr. Ers. Batl., welches
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die Wachen stellt, auf die Bestimmungen der Garnisondienst-Vorschrift aufmerksam gemacht und auf die allgemein menschlichen Gefühle in solchen Fällen verwiesen.
Die Behauptung, dass die Kommandantur viermal vergessen habe, die Gefangenen von der Anwesenheit des französisch sprechenden Pfarrers Malecki aus Magdeburg zur Beichte zu benachrichtigen und dieser deshalb dreimal gezwungen gewesen sei, unverrichteter Sache wieder wegzugehen, ist starke Übertreibung bezw. Lüge. Tatsächlich war dies nur bei der ersten Anwesenheit des Pfarrers Malecki der Fall, weil zu der selben Zeit mit größter Überstürzung der erste Abschub von 365 französischen Gefangenen nach Kostanz statfinden musste wobei alle Organe des Lagers auf das äußerste mit in Anspruch genommen wurden. Sonst ist die Anwesenheit des Pfarrers stets allgemein aufgibig bekannt gemacht worden. Dass Dubaut während der Anwesenheit des Berichterstatters im Lager kein einziges Mal zu einem kranken Gefangenen in die Hilfslazarette gerufen worden sei, ist Tatsache; es hatte kein einziger Gefangener den Wunsch nach einem französischen Priester geäußert. Die Seelsorge daselbst versteht der katholische Pfarrer von Zerbst.
Auch wird auf die Antwort des katholischen Pfarrers Visarius in Zerbst, auf die Anfrage bei ihm durch das Schreiben der kirchlichen Kriegshilfe des Bischöflichen Generalvikariates Paderborn, Abteilung Auskunftsstelle für Vermisste, vom 27.11.17 Nr. 25564 bezuggenommen.
Zu weiterer Auskunft ist Pfarrer Malecki aus Magdeburg, der mit der Abhaltung des Gottesdienstes für die katholischen Kriegsgefangenen des Lagers Zerbst betraut ist, in der Lage.
J. A. 
gez. D. Fransecky
Am linken oberen Seitenrand:" Kriegsministerium. Nr. 772/3. 18. U. 3"
1Hds. eingefügt, vermutlich vom Empfänger.
Empfohlene Zitierweise
Fransecky, D. an Schulte, Karl Joseph vom 13. April 1918, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 6603, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/6603. Letzter Zugriff am: 19.04.2024.
Online seit 20.12.2011.