Dokument-Nr. 6666

Die dritte Steuernotverordnung, in: Bayerische Staatszeitung und Bayerischer Staatsanzeiger, Nr. 28, 02. Februar 1924
Die dritte Steuernotverordnung. Auf Grund des Ermächtigungsgesetzes vom 8. Dezember 1923 wird nach Anhörung eines Ausschusses des Reichstages und eines Ausschusses des Reichsrates und der Reichsregierung folgendes verordnet:
Art. 1: Aufwertung. § 1. Vor dem 1. Januar 1923 begründete Ansprüche aus einer der nachstehenden Vermögensanlagen auf Zahlung einer in Reichswährung ausgedrückten Geldsumme werden nach Maßgabe der §§ 2 ----7 abgewickelt:
1. Hypotheken, Grundschulden und Rentenschulden.
2. Reallasten, wenn sie die Zahlung von Geld zum Gegenstand haben.
3. Pfandrechte an im Schiffsregister eingetragenen Schiffen und Bahneinheiten.
4. Durch Hypotheken=Schutzpfandrecht oder Bahnpfandrecht gesicherte Forderungen. 5. Pfandbriefe der Grundkreditanstalten (Landschaften, Stadtschaften, Hypothekenbanken) und Schiffsbeleihungsbanken. 6. Andere Schuldverschreibungen auf den Inhaber, wenn sie von natürlichen Personen, Vereinigungen oder juristischen Personen des Privatrechtes ausgegeben sind mit Ausnahme der in § 41 des Hypothekenbankgesetzes bezeichneten Schuldverschreibungen.
7. Darlehen, die nicht unter Ziffer 4 fallen, wenn sie von einer natürlichen Person, Personenvereinigung oder juristischen Person des Privatrechtes aufgenommen und nicht früher als 3 Monate nach der Hingabe rückzahlbar sind oder gekündigt werden können.
Hat der Gläubiger eine Zahlung vor dem 31. Dezember 1923 als Erfüllung angenommen, so findet die Vorschrift dieses Artikels keine Anwendung, insoweit kann mit Rücksicht auf die Geldent= wertung ein höherer Beitrag als der Nennbetrag (Aufwertung) auch auf ungerechtfertigte Bereicherung oder auf Grund einer An= fechtung wegen Irrtum oder aus einem anderen Rechtsgrund nicht verlangt werden.
Findet durch diese Regelung ein Rechtsstreit seine Erledigung, so trägt jede Partei, die ihr entstandenen außergerichtlichen Kosten. Die gerichtlichen Kosten werden niedergeschlagen.
§ 2. Ansprüche der im § 1 Ziff. 1, 2, betrages aufge3, 4, 6, 7 bezeichneten Art werden auf 10 Prozent des Goldmark betrages aufgewertet. Der Schuldner kann eine Herabsetzung des Aufwertungsbetrages verlangen, wenn sie mit Rücksicht auf seine Vermögenslage zur Abwendung offenbar großer Unbilligkeit unabweisbar erscheint. Als Goldmarkbetrag gilt bei Ansprüchen der in § 1 Ziff. 1, 2, 3, 4, 7 bezeichneten Art, die der Gläubiger vor dem 1. Januar 1919 erworben hat, der Nennbetrag. Der Goldmark= Betrag von Ansprüchen, die der Gläubiger nach diesem Zeitpunkt Erworben hat, wird dadurch festgestellt, daß der Nennbetrag nach dem Mittelkurs der amtlichen Notiz der Berliner Börse für den nord= amerikanischen Dollar am Tage des Erwerbs in Goldmark um= gerechnet wird; an die Stelle des Nennbetrages tritt der Erwerbs= preis, wenn er niedriger ist.
Bei Schuldverschreibungen, die vor dem 1. Januar 1919 aus= gegeben sind, gilt als Goldmarkbetrag der Nennbetrag. Für nach diesem Zeitpunkt ausgegebene Schuldverschreibungen wird der Goldmarkbetrag entsprechend der Vorschrift des Satzes 2 Halbsatz 1 festgestellt.
In den Fällen des § 1, Ziffer 1 und 2 ist der Aufwertungs= Betrag auf Antrag des Gläubigers an der nächstbereiten Stelle im Grundbuch einzutragen. Die Entstehung des Anspruches ist von der Eintragung nicht abhängig. Entsprechendes gilt für Pfandrechte an im Schiffsregister eingetragenen Schiffen.
Besteht Streit darüber, wie hoch die Aufwertungsansprüche Nach den Vorschriften der Abs. 1 und 2 zu beziffern ist, so entschei= Det ausschließlich die Aufwertungsstelle (§ 6). Ist die Aufwertung durch ein Sondergesetz durch eine aus= drückliche bei der Begründung des Rechts getroffene Vereinbarung oder durch ein Urteil, daß bei dem Inkrafttreten dieser Verordnung rechtskräftig war, geregelt, so behält es hierbei sein Berwenden.
§ 3. Der Anspruch auf Herabsetzung des Aufwertungs= Betrags (§ 2) kann nur geltend gemacht werden
1. auf Grund einer Vereinbarung die bis 31. Dezember 1924 bei der Aufwertungsstelle (§6) angemeldet ist,
2. auf Grund einer Entscheidung der Aufwertungsstelle oder auf Grund eines vor ihr abgeschlossenen Vergleiches, sofern das Verfahren vom Schuldner oder dem Gläubiger vor dem 31. De= zember 1924 bei dieser Stelle abhängig gemacht ist.
§ 4. Ansprüche aus Pfandbriefen werden nur aufge= Wertet, wenn der Gläubiger nachweist, daß er oder sein Erblasser Seit dem 1. Januar 1919 im Besitze ist oder die Pfandbriefe auf Grund gesetzlichen Zwanges zur mündelsicheren Anlage erworben Und seit dem Erwerb im Eigentum behalten hat. Dem gesetzlichen Zwang steht der Zwang durch die Vorschriften der Satzung, Stif= tung oder sonstigen Verfassung einer inländischen Personen= vereinigung, Körperschaft oder Vermögensmasse gleich, die aus= schließlich gemeinnützigen, ethischen oder religiösen Zwecken dienen.
Die Vorschriften des § 2 Abs. 5 gelten entsprechend.
Die Aufwertung erfolgt in der Weise, daß die zur vorzugs= weisen Befriedigung der Pfandbriefgläubiger dienende und nach Maßgabe dieser Verordnung aufgewertete Deckung nach Abzug eines Beitrages zu den Verwaltungskosten gleichmäßig unter die nach § 1 Berechtigten verteilt wird. Uebersteigt der hiernach auf den einzelnen Berechtigten entfallende Betrag 10 Prozent des Goldmarkbetrages seiner Pfandbriefforderung, so kommt der Ueberschuß dem Reich zur Verstärkung der aus der Vorschrift des § 21 fließenden Mittel zu.
Die Reichsregierung trifft die näheren Bestimmungen über die Art und Weise des Verfahrens der Verteilung sowie über die Art und Weise des Verfahrens der Verteilung sowie über einen etwaigen vom Schuldner zu der Teilungsmasse zu leistenden Beitrag.
Die Reichsregierung oder die von ihr bestimmte Stelle gibt Grundsätze für die Bemessung des Verwaltungsbeitrages.
§ 5. Die Bezahlung der aufgewerteten Kapitalbeiträge kann nicht vor dem 1. Januar 1929 verlangt werden. Die aufgewerteten Ansprüche sind bis zum 31. Dezember 1924 unverzinslich. Rückständige Zinsen gelten als mit dem Inkraft= treten dieser Verordnung erlassen. Vom 1. Januar 1925 ab be= trägt der Zinssatz 1 Prozent und erhöht sich für jedes weitere Jahr um je 1 Prozent bis zur Erreichung des vereinbarten Zins= satzes. Abweichende Vereinbarungen sind zufällig. § 6. Die Reichsregierung bezeichnet die für die Durchführung des Aufwertungsverfahrens zuständigen Stellen -- Aufwertungstelle – und regelt das Verfahren. Die Zuständigkeit der Aufwertungsstelle kann auch für Ansprüche vereinbart werden, auf die sich die Vorschriften dieses Artikels nicht erstrecken. Die Aufwertungsstelle erhebt nach Maßgabe der Durchführungsbe= stimmungen eine Gebühr, die für Ansprüche bis zu 10 Prozent tunlichst niedrig zu bemessen ist.
§ 7. In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten ist das Verfahren auf Antrag auszusetzen, soweit die Entscheidung davon abhängt, in welcher Höhe ein Anspruch der in § 1 bezeichneten Art aufzuwerten ist. Dies gilt nicht, soweit die Verpflichtung zur Aufwertung auf einem der in § 2 Absatz 5 bezeichneten Rechtsgründe beruht. Die Vorschrift des § 302 der ZPD. Bleibt unberührt. Der Antrag auf Aussetzung kann vor dem Gerichtsschreiber zu Protokoll er= klärt werden, wenn die Klage vor dem Inkrafttreten dieser Ver= ordnung erhoben ist.
§ 8. Für auf Reichsmark lautende Ansprüche aus Guthaben bei öffentlichen Sparkassen und aus Lebensversicherungsverträgen gilt die Vorschrift des § 7 entsprechend, sofern nicht die Aufwertung durch eine ausdrückliche bei der Be= gründung des Rechtes getroffene Vereinbarung geregelt ist. Aus dem aufgewilt enerteten Vermögen der Sparkassen sind nach näherer Vorschrift der Landesregierung die in der Zeit vom 1. Januar 1919 bis 1. Januar 1928 auf Grund gesetzlicher Vor= Schriften mündelsicher angelegt gewesenen Vermögen bis zum Be= Trag von 10 Prozent des Goldmarkbetrages aufzuwerten. Im Übrigen fällt der aufgewertete Betrag dem Garantieverband zur Verwendung für gemeinnützige Zwecke zu, soweit nicht die Landes= gesetzgebung etwas anderes bestimmt. Die Reichsregierung kann mit Zustimmung des Reichsrates Grundsätze für die Art der Ver= wendung aufstellen, § 4 Abs. 1 Satz 2 gilt entsprechend. Bei Lebensversicherungs= Gesellschaften be= stimmt die Reichsregierung oder eine von ihr bezeichnete Stelle, in welcher Weise das aufgewertete Vermögen zugunsten der Ver= sicherten zu verwenden ist. Ist das aufgewertete Vermögen einer Lebensversicherungs=Gesellschaft so geringfügig, daß die Aufteilung auf die Versicherten nicht angezeigt erscheint, so fällt es dem Reich zur Verwendung für gemeinnützige Zwecke nach Maßgabe des § 4 Abs.2 Satz 2 zu.
§ 9. Die Reichsregierung kann Bestimmungen treffen 1. über die Abwicklung anderer als der in § 1 bezeichneten Vermögensanlagen;
2. über die Verwendung von Vermögen von anderen als Öffentlichen Sparkassen, soweit das Vermögen gemäß dieser Ver= Ordnung aufgewertet ist.
Art. 2: Oeffentliche Anleihen. § 10. Vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung aufge= nommene und auf Reichsmark lautende Anleihen des Reiches, der Länder und Gemeinden (Gemeindeverbände) werden bis zur Er= ledigung sämtlicher Reparationsverpflichtungen nicht verzinst und nicht eingelöst.
Bei der Aufnahme neuer Anleihen kann bestimmt werden, daß sie mit Vorrang vor den in Abs. 1 bezeichneten Anleihen zu ver= zinsen und zu tilgen sind. Bei Anleihen der Gemeinden (Ge= meindeverbände) bedarf die Bestimmung der Zustimmung der obersten Landesbehörden.
Die Reichsregierungkann mit Zustimmung des Reichsrats die für Gemeinden geltenden Vorschriften der Absätze 1 und 2 auf die Anleihen anderer öffentlich=rechtlicher Körperschaften für anwend= bar erklären. Ein späteres Reichsgesetz regelt, ob, wie und wann der Zinsen= und Tilgungsdienst wieder aufgenommen wird.
Art.3: Geldentwertungs=Ausgleich zugunsten des Reichs.
§ 11. Von solchen natürlichen Personen, Personenvereini= gungen und juristischen Personen des Privatrechts, die zur Tilgung von Schuldverschreibungen berechtigt oder verpflichtet gewesen sind oder noch sind, wird eine Steuer nach den Bestimmungen der §§ 12 – 18 erhoben. § 12. Schuldverschreibungen im Sinne dieser Bestimmungen Sind:
Empfohlene Zitierweise
Anlage vom 02. Februar 1924, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 6666, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/6666. Letzter Zugriff am: 19.04.2024.
Online seit 18.09.2015.