Dokument-Nr. 7747
Bertram, Adolf Johannes an Boelitz, Otto
Breslau, 02. Oktober 1922

In der Eingabe, die ich namens des Preußischen Episkopats Eurer Exzellenz am 20. April 1922 unterbreitete, habe ich der ernsten Sorge Ausdruck gegeben, die die Aufhebung der konfessionellen Lehrerseminare und Lehrerinnenseminare den Oberhirten der Diözesen Preußens bereitet. Ich habe darauf hingewiesen, welchen Wert der katholische Volksteil auf die Konfessionalität der Schule und auf die Erhaltung konfessioneller höherer Schulen legt, und mit welchen Opfern die Katholiken vielfach für deren Erhaltung eingetreten sind. Ich durfte hervorheben, wie die konfessionelle Volksschule die konfessionelle Lehrerbildung zur Voraussetzung hat, und daß durch seinen Episkopat vertretene Volk die Aufhebung der katholischen Lehrer- und Lehrerinnenseminare und deren Umwandlung zu interkonfessionellen Aufbauschulen als einen schweren Verlust des katholischen Volkes betrachtet, dessen Folgen erst mit der Zeit immer deutlicher hervortreten werden in der Tätigkeit der auf dem neu betretenen Wege heranzubildenden Lehrerschaft.
Geleitet von dem auch seitens des Ministeriums ausgesprochenen Wunsche, daß durch die Bildungsanstalten ein körperlich und seelisch gesunder Nachwuchs der Lehrerschaft zugeführt werde, und daß auch nach eintretenden Umgestaltungen jene auch vom Ministerium anerkannte segensreiche Arbeit, welche die in Präparandenanstalten und Seminaren gebildete Lehrerschaft geleistet hat, dem Volke in vollem Maße erhalten werde, hatte ich darauf hingewiesen, daß das Geheimnis dieser segensreichen Arbeit gerade in dem tiefen Verständnis und der warmen Liebe zum religiösen Geiste und zu den religiösen Bedürfnissen des Volkes lag: geistige Vorzüge unserer Lehrerschaft, die wesentlich in der tüchtigen religiösen Bildung und Schulung in den konfessionellen Bildungsanstalten ihren Grund haben.
Für die Erfüllung der Aufgaben der Aufbauschulen genügen, wie meine Eingabe ferner darlegte, die zwei Religionsstunden nicht. Die vom Ministerium verlangte Heranbildung zu sittlich gefestigten charaktervollen Persönlichkeiten setzt ein tiefes, klares und festes religiöses Wissen, Empfinden und Üben voraus, wie wir es seither an unserer katholischen Lehrerschaft durchweg gefunden und hochgeschätzt haben, und wie es ganz besonders in unserer Zeit religiöser und sittlicher Zerfahrenheit notwendig ist. In den zwei Religionsstunden auf interkonfessionellen Anstalten wird dies nicht in genügendem Maße erreicht werden können.
Schließlich hatte ich bemerkt, wie wichtig es sei, daß eine in den beiden Primen etwa einzusetzende philosophische Lektüre, um nicht Verwirrung im Denken der Schüler anzurichten, mit ihrer religiösen Weltanschauung harmonieren müsse; die Übertragung dieses Unterrichts an den durch seine philosophische und theologische Vorbildung besonders geeigneten Religionslehrer hatte ich deshalb empfohlen.
Wie sehr besonders für die Ausbildung der weiblichen Lehrpersonen alle diese Erwägungen ins Gewicht fallen, bildete den Schluß meiner Vorstellung.
Alle diese Erwägungen sind von neuem Gegenstand ernster Beratungen auf der diesjährigen Bischofskonferenz gewesen. Ich bin von derselben beauftragt, Eurer Exzellenz den Ausdruck schmerzlichen Bedauerns aller Oberhirten preußischer Diözesen kundzugeben über den harten Verlust, den das katholische Volk durch die Aufhebung dieser konfessionellen Bildungsanstalten erleidet, und über die Verminderung des religiösen Charakters der Lehrerbildung, die durch die neuen Einrichtungen unabwendbar eintritt.
Was gegen meine Vorstellung angeführt ist und zum Teil auch, wie ich annehmen darf, auf Veranlassung des Ministeriums dem hochwürdigsten Herrn Kardinal-Erzbischof von Köln und mir mitgeteilt ist, hat auf [sic] kein Mitglied der Bischofskonferenz überzeugend und beruhigend wirken können.
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Unzutreffend würde die Annahme sein, als wenn die Aufbauschulen, wenn auch nominell paritätisch, doch tatsächlich überwiegend konfessionell bleiben; was mir z. B. von der Anstalt in Paradies mitgeteilt wird, spricht für eine solche Annahme nicht.
Ungenügend ist der Wink, man möge in den oberen Klassen der Aufbauschulen wahlfreie Arbeitsgemeinschaften für religiöse Fragen einrichten als vollwertigen Ersatz für die geringe Zahl von Religionsstunden; die Erfahrung wird zeigen, daß für ganz andere Fächer sich wahlfreie Arbeitsgemeinschaften in den Vordergrund drängen werden. Der Geist der Zeit neigt eben zu anderem Wege.
Geleitet von der pflichtmäßigen Sorge um die künftige religiöse Bildung und Erziehung des Volkes und von dem damit begründeten berechtigten Interesse an der Lehrerbildung, hat die Fuldaer Bischofskonferenz am 25. August d. J. einstimmig folgenden Beschluß gefaßt:
"Unter Berufung auf Art. 146 Abs. 2 der R. V., der die Bekenntnisschule gewährleistet und darum auch eine bekenntnismäßige Ausbildung der Lehrer zur Voraussetzung hat, verlangt die Konferenz, daß für den Fall der Aufhebung der bisherigen Lehrerseminare die an ihre Stelle tretenden Bildungsanstalten für die Allgemein- und Fachbildung der künftigen Lehrer konfessionell gestaltet werden. Insbesondere wird die Forderung erhoben, daß die aus den katholischen Lehrerseminaren bisher entstandenen und noch entstehenden Aufbauschulen den konfessionellen Charakter beibehalten, daß für eine gründliche religiöse Durchbildung, wofür mindestens drei Religionsstunden unerläßlich sind, gesorgt wird, und daß der im Lehrplan angesetzte philosophische Unterricht im Geiste der katholischen Weltanschauung erteilt wird. Vor allem müssen ferner die für die Berufsbildung der Lehrer zu treffenden Einrichtungen den konfessionellen Charakter tragen."
Das gleiche gilt von der Allgemein- und Fachbildung der Lehrerinnen.
Eure Exzellenz bitten die Oberhirten der Diözesen Preußens auf dringendste, diesen Forderungen Rechnung zu tragen. Dieselben haben nicht nur eine prinzipielle, sondern eine überaus bedeutsame aktuelle, praktische Bedeutung, weil Bildung und Erziehung der künftigen Generationen abhängt von den tiefgreifenden Wandlungen, die jetzt im Lehrerbildungswesen vor sich gehen. Die Lösung der schwebenden Fragen ist entscheidend für den Geist, der die Volksschule und damit das deutsche Volk leiten und beseelen wird.
Der Fürstbischof
A. Kard. Bertram
Empfohlene Zitierweise
Bertram, Adolf Johannes an Boelitz, Otto vom 02. Oktober 1922, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 7747, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/7747. Letzter Zugriff am: 28.03.2024.
Online seit 31.07.2013.