Dokument-Nr. 7993
Pacelli, Eugenio an Kahr, Gustav Ritter von
München, 06. Februar 1921

[Abschrift]
Euerer Excellenz
erlaube ich mir in der bayerischen Konkordatsfrage Folgendes höflichst zu unterbreiten:
In diesen Tagen hat es sich gejährt, daß ich die Ehre hatte, mit Schreiben N. 15750 vom 4. Februar 1920 der Bayerischen Regierung die Wünsche des Heiligen Stuhles in 19 genau formulierten Punkten vorzulegen. Mit Schreiben vom 26. August 1920 übergab mir der Herr Kultusminister Dr. Matt (dessen ausgezeichnete Eigenschaften und beste Gesinnung ich sehr wohl zu schätzen weiss) seine persönliche Rückäusserung auf die ersten fünf Punkte mit dem ausdrücklichen Beifügen, "den Rest demnächst nachzubringen, wenn er aus einem kurzen Urlaub, den er auf dem Lande verbrachte, nach München zurückgekehrt sein würde". Obwohl ich nun aber wiederholt – unmittelbar und mittelbar – beim verehrten Herrn Kultusminister im Namen des Heiligen Stuhles dringend vorstellig geworden bin, um eine möglichst rasche Fortsetzung der Verhandlungen durchzusetzen, konnte ich doch bis heute keine weitere Mitteilung mehr erlangen. Bisher wurde diese Verzögerung erklärt nicht nur aus der Schwierigkeit der Materie, sondern auch aus der großen Arbeitslast des Herrn Kultusministers, die ich selbstverständlich vollkommen anerkenne. Aus persönlichen Rücksprachen im Kultusministerium habe ich Grund zu der Annahme, eine Schwierigkeit werde insbesondere darin erblickt, dass gewisse
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reichsrechtliche Bestimmungen über Schul- und Lehrerbildungswesen noch nicht ergangen sind. Nach der mir von der Reichsregierung am 13. November 1920 gewordenen schriftlichen unzweideutigen Erklärung vermag ich indes solche Bedenken nicht zu teilen. In der Absicht jedoch die Lage zu klären und zugleich um mich jeder Verantwortung dem Heiligen Stuhl, dem Bayerischen Episkopat und den bayerischen Katholiken gegenüber, die aus einer derartigen Verzögerung der Verhandlungen erwachsen könnte, zu entledigen, wende ich mich nunmehr an Eure Exzellenz, um auf diesem Stand der Sache Ihre hohe Aufmerksamkeit zu lenken mit der höflichen Bitte, mich gütigst über die diesbezügliche Stellungnahme der Bayerischen Regierung in Kenntnis setzen zu wollen.
In Erwartung einer gütigen Antwort verharre ich mit der Versicherung höchster Wertschätzung
Euerer Exzellenz
ganz ergebenster
(gez.) Eugen Pacelli, Erzbischof von Sardes
Apostolischer Nuntius
Empfohlene Zitierweise
Pacelli, Eugenio an Kahr, Gustav Ritter von vom 06. Februar 1921, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 7993, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/7993. Letzter Zugriff am: 28.03.2024.
Online seit 14.05.2013, letzte Änderung am 25.06.2013.