Dokument-Nr. 8491
Hartmann, Felix von an Hertling, Friedrich Georg Graf von
Köln, 02. April 1918

Abschrift
Hochgebietender Herr Reichskanzler!
Aus der Türkei kommen sehr beunruhigende Nachrichten, die fürchten lassen, dass sich die Armenier-Gräuel erneuern werden. Mit Bestimmtheit verlautet, dass die türkische Regierung vor Wochen schon an die verbündeten und neutralen Regierungen Berichte über aufständige Banden geschickt hat, welche sich türkischen Einwohnern gegenüber grausam benommen haben sollen. In den christlichen Kreisen herrscht darüber große Beunruhigung, weil man fürchtet, dass es sich bei diesen Berichten um eine Erfindung oder wenigstens um eine sehr starke Übertreibung handele, die der türkischen Regierung als Vorwand dienen solle zur Vernichtung der noch übrig gebliebenen armenischen oder gar christlichen Bevölkerung im Inneren des Landes.
Schon bei der Verfolgung der Armenier im Jahre 1915,die an Grausamkeit den Christenverfolgungen der ersten christlichen Jahrhunderte nicht nachsteht, wurde vielfach die Meinung laut, dass die Deutsche Regierung und besonders die deutschen Katholiken für diese Gräuel vor Gott und der Geschichte mit verantwortlich gemacht werden würden,
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wenn sie nicht alles aufböten, um nach Kräften diese Ausschreitungen zu verhindern. Namentlich wird das feindliche Ausland den deutschen Katholiken eine schwere Schuld aufbürden, wenn sie nicht nach besten Kräften der Armenier sich annehmen, zumal bei der früheren Verfolgung auch die unierten Armenier mit betroffen wurden, die sich alle Zeit als loyale Untertanen Seiner Majestät des Sultans gezeigt und betätigt haben.
Bei dieser Sachlage sehe ich mich als Präsident des deutschen Vereins vom Heiligen Lande genötigt, die Hülfe der Reichsregierung anzurufen.
Euere Excellenz bitte ich daher, nachdrückliche Schritte zu tun, um eine drohende neue Verfolgung von den Armeniern abzuwenden, und alles aufzubieten, damit die bei der ersten Verfolgung angerichteten himmelschreienden Gräuel sich nicht wiederholen.
Nach den mir zugegangenen Berichten dürfte es sich empfehlen, dass baldigst eine deutsche Militärperson beauftragt würde, aus militärischen Rücksichten die Verhältnisse an Ort und Stelle zu prüfen.
Euere Excellenz brauche ich nicht zu versichern, dass nicht bloß das Mitleid mit den eigenen Glaubensgenossen, sondern vor allem auch die Sorge um die Ehre des deutschen Namens mich veranlasst, diesen Appell an Euere Excellenz zu richten.
In größter Verehrung etc.
gez. F. Card. v. Hartmann.
Empfohlene Zitierweise
Hartmann, Felix von an Hertling, Friedrich Georg Graf von vom 02. April 1918, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 8491, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/8491. Letzter Zugriff am: 23.04.2024.
Online seit 17.06.2011.