Dokument-Nr. 8571
Falkenhausen, Ludwig Alexander Friedrich Freiherr von an Hartmann, Felix von
München, 08. Februar 1918

Hochzuverehrender Herr Kardinal!
Euere Eminenz hatten im Februar v. J. meinem Amtsvorgänger die Bitte Seiner Heiligkeit des Papstes übermittelt, in Belgien von der Beschlagnahme des Kirchenmetalls abzusehen, und diese Bitte unter Hinweis auf die Verschiedenartigkeit der Verhältnisse in Deutschland und Belgien selbst warm unterstützt. Wie Euerer Eminenz bekannt ist, wurde damals diesen Bitten stattgegeben. Es wurden zunächst nur die Sparmetalle ohne kirchliche Weihe beschlagnahmt; das Kirchenmetall aber sollte zurückgestellt werden, bis alle anderen Bestände erschöpft seien. Daher ist bisher in Belgien keine Kirchenglocke abgebaut worden.
Der Zeitpunkt ist gekommen, wo die Beschlagnahme der Kirchenglocken nicht länger hinausgeschoben werden kann. Ich habe zunächst die Bestandsaufnahme der vorhandenen Glocken und Orgelpfeifen angeordnet, der die Beschlagnahme
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und der Abbau in einiger Zeit folgen werden. In den Etappengebieten wird wahrscheinlich ohne vorherige Bestandsaufnahme zur Beschlagnahme geschritten werden müssen.
Ohne Zweifel wird diese, durch die harte Kriegsnotwendigkeit gebotene Massnahme, eine gewisse Erregung bei der katholischen Bevölkerung und insbesondere beim Klerus in Belgien hervorrufen. Der belgische Episkopat hat bereits in einer Eingabe vom 10. September v. J. darauf hingewiesen und mich dringend gebeten, von der Beschlagnahme der Kirchenglocken abzusehen. Ich habe ihm damals geantwortet, dass die Beschlagnahme einstweilen noch nicht beabsichtigt sei, ihm jetzt aber von der bevorstehenden Bestandsaufnahme Kenntnis gegeben. Er wird sicherlich feierlich Rechtseinspruch erheben. Andererseits ist zu erwarten, dass er zwar keinen offenen Widerstand leisten und auch nicht zu solchem seine Pfarrer auffordern wird, dass er aber auch jegliche Art von Mitwirkung ablehnen und weder die Glocken durch Gewährung des privilegium profanandi ihres kirchli-
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chen Charakters entkleiden, noch die Pfarrer zur Herausgabe der Kirchen- und Turmschlüssel auffordern wird. Die Möglichkeit, dass es zu einzelnen Zwischenfällen kommt, besteht also.
Die Beschlagnahme wird in derselben Weise durchgeführt wie in Deutschland. Namentlich soll auch hier den religiösen Bedürfnissen der Bevölkerung dadurch Rechnung getragen werden, dass jeder Kirche eine Läuteglocke bleibt. Ferner sollen historisch oder künstlerisch besonders wertvolle Glocken erhalten bleiben.
Den mit der Durchführung der Massnahme beauftragten Behörden habe ich es zur Pflicht gemacht, jede unnötige Härte zu vermeiden und alles zu tun, um ohne Anwendung von Gewalt zum Ziele zu kommen. Jede Störung des Gottesdienstes soll vermieden werden; wo die Pfarrer die Herausgabe der Schlüssel verweigern, sollen die Türen nicht mit Gewalt erbrochen, sondern von Schlossern geöffnet werden. Den Patrouillen, zu denen besonders zuverlässige Leute ausgewählt werden, sind sachverständige Glockenbauer beigegeben, sodass der möglichst schnelle kunstgerechte Abbau gewährleistet ist. Kurz, es soll nichts unterlassen
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werden, um den besonders schwierigen Verhältnissen in dieser Angelegenheit Rechnung zu tragen und die religiösen Gefühle möglichst zu schonen.
Da Seine Heiligkeit der Papst sich wegen der Beschlagnahme der Glocken bereits an Euere Eminenz gewandt haben, stelle ich Euerer Eminenz anheim, Seiner Heiligkeit von dem Vorstehenden Mitteilung zu machen.
Genehmigen Euere Eminenz die Versicherung meiner vorzüglichsten Hochachtung
mit der ich die Ehre habe zu sein
Euerer Eminenz ergebenster
L v Falkenhausen
Generaloberst.
Empfohlene Zitierweise
Falkenhausen, Ludwig Alexander Friedrich Freiherr von an Hartmann, Felix von vom 08. Februar 1918, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 8571, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/8571. Letzter Zugriff am: 28.03.2024.
Online seit 17.06.2011.