Dokument-Nr. 8577
Auswärtiges Amt an Schweizerische Gesandtschaft beim Deutschen Reich
Berlin, 12. Januar 1918

[Abschrift]
Das Auswärtige Amt beehrt sich, der Schweizerischen Gesandtschaft mit Beziehung auf die diesseitige Verbalnote vom 18. Oktober v.J. – IIIb 45773 -, betreffend die Heimschaffung der in Frankreich zurückgehaltenen Elsass-Lothringer, nachstehendes [sic] mitzuteilen.
In der vorbezeichneten Verbalnote hatte die Deutsche Regierung der Französischen Regierung ihren Standpunkt in der Angelegenheit der Elsass-Lothringer dargelegt und gleichzeitig darauf hingewiesen, dass deutscherseits eine längere Zurückhaltung der heimkehrberechtigten Elsass-Lothringer nicht würde hingenommen werden können. Die Französische Regierung hat die deutschen Vorschläge unbeantwortet gelassen, auch haben die französischen Unterhändler bei den im vorigen Monat in Bern geführten Verhandlungen über Gefangenenfragen jegliche Aussprache über die Freilassung der Elsass-Lothringer rundweg abgelehnt. Unter diesen Umständen hat sich die Deutsche Regierung genötigt gesehen, zu den der Französischen
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Regierung in Aussicht gestellten Vergeltungsmassnahmen zu schreiten. Zu diesem Zwecke sind am 6. d. M. 600 angesehene Franzosen aus dem besetzten Gebiete nach einem geeignetem [sic geeigneten?] Orte an der Eisenbahnstrecke Wilna – Kowno im besetzten Russland verbracht worden; Die [sic die?] Ueberführung von 400 angesehenen Französinnen nach dem Gefangenenlager Holzminden wird in einigen Tagen folgen. Die Zurückführung aller dieser Personen nach ihren bisherigen Wohnorten wird erst stattfinden, wenn die Französische Regierung die nachstehenden Forderungen erfüllt hat:
1. Heimschaffung der nach dem Abkommen vom Januar 1916 austauschberechtigten, nicht wehrfähigen [sic] elsass-lothringischen Zivilpersonen, d.h. aller derjenigen nicht wehrfähiger [sic] Elsass-Lothringer, die sich am 13. Januar 1916 in Internierungslagern mit Einschluss der sogenannten offenen Lager (Refuges [sic Réfuges?], Hôtel Depôts [sic Hôtel-Depôts?], usw.) befanden. Die Namen der Personen, deren Freilassung von deutscher Seite auf Grund des bezeichneten Abkommens noch gefordert wird, sind der Französischen Regierung z.B. in den mit den diesseitigen Verbalnoten an die Schweizerische Gesandtschaft vom 27. Juni v.J. – IIIb 24325 – und vom 23. Oktober v. J. – IIIc 22733 – übermittelten Listen mitgeteilt worden, auf die eine Erklärung noch aussteht. Sollten einzelne der angeforderten Personen nach französischer Auffassung nicht
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unter das Abkommen fallen, so muss für jeden Fall dieser Art eine begründete Erklärung der Französischen Regierung über die Sachlage erfolgen. Wenn ferner entlassungsberechtigte Personen in Frankreich zu bleiben wünschen, so muss der Deutschen Regierung eine entsprechende schriftliche Erklärung der jeweils in Betracht kommenden Personen auf diplomatischem Wege übermittelt werden.
2. Eine bestimmte Erklärung der Französischen Regierung darüber, dass die in Bern abgeschlossenen Vereinbarungen über den Austausch und die Internierung von kranken Zivilgefangenen, insbesondere also auch die Bestimmungen über die Vorstellung der Gefangenen vor den sogenannten Reisekommissionen ausnahmslos und ohne Vorbehalt auf alle kriegsgefangenen Elsass-Lothringer sowie auf alle elsass-lothringischen Zivilinternierten angewendet werden, und zwar bei letzteren ohne Rücksicht darauf, ob sie in gewöhnlichen Internierungslagern oder in sogenannten offenen Lagern (Refuges [sic Réfuges?], Hôtel-Depôts usw.) untergebracht sind. Insbesondere muss diese Forderung nach uneingeschränkter Durchführung des Austausches und der Internierung auch hinsichtlich der in Gerzat und Chagnat sowie in den dazu gehörigen Arbeitsstellen untergebrachten elsass-lothringischen Kriegsgefangenen wiederholt werden (vergl. diesseitige Verbalnote an die Gesandtschaft vom 12. September v.J. IIIb – 40030).
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3. Alsbaldige Entlassung des in Gerza t und C hagna t zurückgehaltenen Sanitätspersonals (vergl. auch hierüber die bereits vorstehend unter 2 erwähnte Verbalnote vom 12. September v.J.).
Im Uebrigen nimmt die Deutsche Regierung als selbstverständlich an, dass alle in Zukunft zwischen beiden Regierungen auf Grund der schwebenden oder späterer Verhandlungen zustande kommenden Vereinbarungen über die Entlassung oder Internierung von Kriegs- und Zivilgefangenen französischerseits auf Elsass-Lothringer in gleicher Weise Anwendung finden werden, wie auf alle übrigen Deutschen.
Das Auswärtige Amt bittet die Gesandtschaft, vorstehendes [sic] zur Kenntnis der Französischen Regierung bringen und ihm deren Antwort seinerseits mitteilen zu wollen.

Berlin, den 12. Januar 1918.
Empfohlene Zitierweise
Auswärtiges Amt an Schweizerische Gesandtschaft beim Deutschen Reich vom 12. Januar 1918, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 8577, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/8577. Letzter Zugriff am: 29.03.2024.
Online seit 17.06.2011.