Dokument-Nr. 8582
Molz, Friedrich an Pacelli, Eugenio
München, 22. August 1919

Eine große Schwierigkeit ist die Aufbringung der finanziellen Mittel durch die Arbeiten im Saargebiete.
Eine weitere Schwierigkeit bildet die Kasse der Eremiti, in die die Pfälzer Geistlichen ein Prozent ihres Einkommens einzahlen. Die französische Regierung wird wohl kaum hiefür etwas übrig haben.
Die politische Seite: Es ist eine französische Aktion, auf dem linken Rheinufer kleinere Republiken zu schaffen. Dafür sollte schon der Bischof mitarbeiten, was er selbstverständlich ablehnte. Die Amerikaner und Engländer wollen diese kleineren Republiken nicht, die mit der Zeit an Frankreich fielen, weil sie Frankreich nicht zu stark werden lassen wollen. Inoffiziell rieten Engländer zur Gründung einer großen rheinischen Republik, die das ganze linke Rheinufer umfasst. Dieses wäre auch der sehnlichste Wunsch der Katholiken, auch des Herrn Bischofs von Trier. Es wird wohl auch diese große Republik auf dem Anmarsche sein. Ob sie Verschiebung kirchlicher
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Organisation mit sich bringt, ist noch ungewiss. Wäre eine Pfalzrepublik (Birkenfeld, Pfalz und ein Teil von Hessen) vor dem Friedensabschluss gebildet worden, wäre es vielleicht nicht unmöglich gewesen, dass von der Pfalz kein Gebietsteil an den Saarstaat gefallen wäre. Dieser Staat dürfte ein Verlegenheitsprojekt Wilsons sein, der wohl die französische Grenze nicht bis an den Rhein ausgedehnt sehen will, ebenso wenig als England.
Mit kurzen Worten: Die politische Situation ist noch nicht geklärt; jede Aktion aber auf kirchlichem Gebiete könnte Mithilfe für Frankreichs Aspirationen schaffen. Dafür kann der hl. Stuhl nicht das Odium tragen und können die Bischöfe sich nicht hergeben (Can. 141 par. 1). Die Bischöfe werden wohl den Weisungen des hl. Stuhles Folge leisten, was aber sagt das aufgeregte Volk zu einer kirchlichen Trennung von seinen Diözesen? Gerade im preußischen Saargebiet ist der deutsche Gedanke sehr stark und die abzutrennenden Pfarreien sind geradezu blühende Pfarreien, wenngleich das Saargebiet die erforderliche Anzahl der Priester, die wohl nach Analogie der Beamten aus dem Saargebiet genommen werden sollen, nicht aufbringt.
Auch ist zu bedenken, dass die Protestanten des Saargebietes sich nicht an eine kath. Macht, die Frank-
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reich immerhin noch ist, anlehnen wollen. Die pfälzischen Protestanten fürchten sogar mit den Protestanten des Saargebietes eine liturgische Gemeinschaft zu erhalten; deshalb ist unter ihnen, die Calvinisten sind, während der preußische Anteil die lutherische Liturgie hat, die Aufregung schon sehr groß. Mithin würde der Friede zwischen den Katholiken und Protestanten gestört und die Protestanten würden schon dafür sorgen, dass die Bischöfe und Katholiken als Reichsverräter gebrandmarkt würden.
Eine kirchliche Neuerung im Saarstaate wäre auch zum mindesten sehr auffallend, während doch in politischer Beziehung innerhalb der durch den Friedensvertrag festgelegten 15 Jahre nichts geändert werden darf. Auch spricht der Friedensvertrag kein Wort über kirchliche Verhältnisse. Ob ihm vielleicht "Organische Artikel" angefügt werden sollen, ist nicht bekannt.
Was man kirchlicherseits vielleicht zugeben könnte, wäre die Aufstellung eines Vertreters des Bischofs bei der Diözese. Dieser Vertreter wäre aber ein bloßer Intermediaire zwischen seiner bischöflichen
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Curie und dem Fünferrat der Entente. Jeder Bischof bliebe dabei Bischof mit vollen Rechten; der Vertreter hätte im äußersten Falle kleinere Vollmachten, nicht aber die eines Generalvikars.
Es ist der ausdrückliche Auftrag der Bischöfe von Speyer und Trier, dass der ehrerbietigst unterzeichnete Generalvikar diese Erklärung über einen Stellvertreter vor der hochwürdigsten Apostolischen Nuntiatur abgebe.
Dabei wäre jedoch zu bemerken, dass für den kleineren Teil, nämlich für das Speyerer Gebiet ein solcher Mittelsmann sehr überflüssig sein dürfte. Jedenfalls dürfte dieser Mittelmann kein französischer Priester sein. Der genannte Aumonier militaire de La Saare heißt Coqueret und ist Direktor der Innern Mission in Paris. Dieser Priester scheint der am allerwenigsten geeignete Mittelsmann zu sein; würde auch allem Anscheine nach wohl nur dann zufrieden sein, wenn er bischöflichen Charakter bekäme.
In aller Ehrerbietung
Molz, vic. gen.
Empfohlene Zitierweise
Molz, Friedrich an Pacelli, Eugenio vom 22. August 1919, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 8582, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/8582. Letzter Zugriff am: 19.04.2024.
Online seit 04.06.2012.