Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräte in Bayern (II. Phase der Revolution)

Mit dem Mord an Kurt Eisner am 21. Februar 1919 geriet Bayern in eine gefährliche politische Lage. Der zukünftige verfassungsrechtliche Status der Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte war bis zu diesem Zeitpunkt nicht geklärt worden. In dieser Phase nahmen die Räte erstmals signifikanten Einfluss auf die politischen Entscheidungen im Land.
Schon einen Tag nach Eisners Ermordung wurde der Zentralrat der bayerischen Räte als ein neuer Aktionsausschuss gebildet. Die elf Mitglieder kamen aus den Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräten sowie aus dem Revolutionären Arbeiterrat; Vorsitzender wurde Ernst Niekisch. In diesem Gremium und in den Räten kam es vor allem um die Rolle des Landtags und um seine mögliche Wiedereinberufung zu Auseinandersetzungen.
Von 25. Februar bis zum 8. März tagte der Kongress der bayerischen Arbeiter-, Soldaten- und Bauern-Räte in München. Er lehnte am 28. Februar den Antrag des Anarchisten Erich Mühsam ab, eine Räte-Republik auszurufen. Am 1. März beschloss der Kongress die Bildung einer neuen revolutionären Regierung unter dem Mehrheitssozialdemokraten Martin Segitz, die aber letztendlich nicht zusammentrat.
Zur Regierungsbildung wurde eine Kompromisslösung von revolutionären und parlamentarischen Gremien benötigt. Der Rätekongress kam der Forderung nach, die neue Regierung durch den rechtmäßig gewählten Landtag bestätigen zu lassen. Daraufhin wurde am 17. März eine Regierung unter dem Mehrheitssozialdemokraten Johannes Hoffmann eingesetzt.
Die wirtschaftliche und soziale Lage war Anfang April nach wie vor katastrophal. Die Lebensumstände verschärften sich zudem durch einen Kälteeinbruch.
Ein neuer Impuls für die Rätebewegung ging in dieser Situation von Augsburg aus, wohin sich viele radikale Rätemitglieder zurückgezogen hatten. Dort wurde am 3. April der Beschluss zur Errichtung einer Räte-Republik gefasst. Darüber hinaus legte am folgenden Tag der Zentralrat sein Veto gegen den von der Regierung Hoffmann intendierten erneuten Zusammentritt des Landtags zum 8. April ein. In der Nacht zum 7. April schließlich riefen der Zentralrat und der Revolutionäre Arbeiterrat die bayerische Räte-Republik aus, womit die Revolution in Bayern in ihre dritte Phase überging.
Quellen
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Empfohlene Zitierweise
Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräte in Bayern (II. Phase der Revolution), in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 1044, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/1044. Letzter Zugriff am: 19.03.2024.
Online seit 20.12.2011, letzte Änderung am 10.09.2018.
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