Welträtsel Ernst Haeckels

In seinem Werk "Die Welträtsel" von 1899 legte der Zoologe und monistische Philosoph Ernst Haeckel (1834-1919) die Positionen seines naturwissenschaftlich gefärbten Monismus für ein breites Publikum dar.
Den Anstoß für das Werk lieferte ein Vortrag Emil du Bois-Reymonds vor der Berliner Akademie der Wissenschaften und das daraus entstandene Werk "Die sieben Welträtsel" (1891). Du Bois-Reymond stellte die These auf, dass sich der Menschheit sieben Rätsel im Blick auf die Beschaffenheit der Welt stellen: das Wesen der Materie und Kraft (I), der Ursprung der Bewegung (II), die Entstehung des Lebens (III), die absichtsvoll, zweckmäßige Einrichtung der Natur (IV), die Entstehung der einfachen Sinnesempfindung (V), das vernünftige Denken und die Entstehung der Sprache (VI) sowie das Problem der Willensfreiheit (VII).
Haeckels Zielsetzung war es nun, diese These zu widerlegen. Durch die Einführung seines Substanzgesetzes löste er die Probleme I, II und IV. Als Substanzgesetz bezeichnete Haeckel seine Auffassung, dass die Grundlage des Wesens der Welt der Energie-Erhaltungssatz der Physik und das chemische Grundgesetz von der Erhaltung der Materie sei. Diese beiden Phänomene fasste er im Substanzbegriff zusammen.
Die Probleme III, V und VI ließen sich nach Haeckel durch die Evolutionstheorie erklären, während Problem VII, die Willensfreiheit, nicht wissenschaftlich belegt sei und daher überhaupt kein Problem darstelle.
Vor dem Hintergrund der Lösung dieser philosophischen Grundprobleme war laut Haeckel die Trennung zwischen Naturwissenschaft und Religion überwunden, da nicht mehr zwischen physikalisch und metaphysisch erklärbaren Phänomenen zu unterscheiden sei. Haeckel versuchte in seinem Modell des Monismus diesen Grundsatz umzusetzen. In den "Welträtseln" entwarf er eine monistische Religion, die das Christentum ablösen sollte, gleichwohl aber keiner rein materialistisch-szientistischen Wissenschaftsgläubigkeit entsprach, sondern die Vielfalt und Schönheit der Prozesse innerhalb der Natur als verehrungswürdig ansah. Die monistische Religion sei auf die Pfeiler Wahrheit (naturwissenschaftliche Erkenntnis), Tugend (Integration christlicher Ethik) und Schönheit (Ästhetische Betrachtung der natürlichen Prozesse) gegründet. Im Gegensatz zum Christentum, das sich auf einen transzendenten und personalen Gott ausrichtet, ist die monistische Weltanschauung Haeckels eine konsequent immanente Form der Wirklichkeitsdeutung.
Die Nachfrage nach Haeckels Buch, das Kritik von verschiedenen Seiten – darunter Vertreter der Kirchen, aber auch Naturwissenschaftler – hervorrief, war in weiten Teilen der Bevölkerung sehr groß, sodass bereits in den ersten Jahren nach Erscheinen mehrere Auflagen folgten und Übersetzungen angefertigt wurden.
Quellen
HAECKEL, Ernst, Die Welträtsel. Gemeinverständliche Studien über Monistische Philosophie, Leipzig 131922.
Literatur
HOSSFELD, Uwe, Die Welträtsel, in: DERS., Absolute Ernst Haeckel, Freiburg im Breisgau 2010, S. 154-156.
WEBER, Heiko, Der Monismus als Theorie einer einheitlichen Weltanschauung am Beispiel der Positionen von Ernst Haeckel und August Forel, in: ZICHE, Paul (Hg.), Monismus um 1900. Wissenschaftskultur und Weltanschauung, Berlin 2000, S. 81-127, hier 86-88.
Empfohlene Zitierweise
Welträtsel Ernst Haeckels, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 12081, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/12081. Letzter Zugriff am: 28.03.2024.
Online seit 24.10.2013.
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