Verhandlungen über ein Konkordat mit Baden

Nach dem Abschluss des Bayernkonkordats 1924 wollte Pacelli entsprechende Verträge auch mit den anderen deutschen Staaten und dem Reich abschließen. 1925 trat er an die Spitzen der badischen Zentrumspartei und an die Kirchenführung um den Freiburger Erzbischof Carl Fritz heran. Diese waren jedoch mit der bestehenden Regelung des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat zufrieden und fürchteten sogar eine Verschlechterung.
Anlässlich der Rottenburger Bischofswahl 1926/27 sondierten Pacelli und die württembergische Regierung über ein mögliches Konkordat. Stuttgart schlug dabei gemeinsame Verhandlungen der Länder der oberrheinischen Kirchenprovinz vor. Die badische Regierung behandelte den Vorschlag jedoch mit Verweis auf die laufenden Konkordatsverhandlungen Preußens dilatorisch. Ohnehin lehnte die protestantische, sozialdemokratische und liberale Öffentlichkeit ein Konkordat ab. Nach dem Sieg der Zentrumspartei bei den badischen Landtagswahlen 1929 beugten sie sich schließlich Pacellis Druck. Das Projekt fand Aufnahme in die Koalitionsvereinbarung mit den Sozialdemokraten (SPD). Die Deutsche Demokratische Partei (DDP) verzichtete wegen der Konkordatsfrage auf eine erneute Regierungsbeteiligung.
Die badische Staatsregierung nahm 1930 eine neue Offerte Pacellis an. Dieser führte die Verhandlungen als Kardinalstaatssekretär von Rom aus persönlich. Der sozialdemokratische Kultusminister Adam Remmele versuchte, das Zustandekommen des Konkordats zu verzögern. Die Regierung verhandelte parallel auch über einen Staatskirchenvertrag mit der evangelischen Landeskirche. Remmele wurde im Rahmen einer Regierungsumbildung am 30. Juni 1931 durch den Zentrumspolitiker Josef Schmitt abgelöst, der wie sein Nachfolger Eugen Baumgartner die Konkordatsverhandlungen energisch vorantrieb. Der Vertrag kam am 14. November 1932 zustande. Um öffentliche Diskussionen zu vermeiden, waren die Verhandlungen im Geheimen geführt worden. Dasselbe galt für die Unterzeichnung am 12. Oktober 1932. Als dies und der Vertragstext bekannt wurden, zwang die Parteiführung der SPD die Landtagsfraktion, die zugesicherte Zustimmung zum Konkordat im Landtag zu verweigern. Die Zentrumspartei konnte jedoch die Deutsche Volkspartei (DVP) zur Zustimmung bewegen. Der Landtag nahm das Konkordat wie den Vertrag mit der evangelischen Landeskirche am 1. und 9. Dezember 1932 mit hauchdünner Mehrheit an. Die Ratifizierung des Konkordats am 10. März 1933 war die letzte Amtshandlung der badischen Regierung vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten. Den Austausch der Ratifikationsurkunden am 11. März nahm bereits Reichskommissar Robert Wagner vor.
Das Konkordat spiegelte sowohl die Positionen der Zentrumspartei als auch seiner sozialdemokratischen und liberalen Koalitionspartner wider. Es enthielt zwar auch Elemente des Bayernkonkordats von 1924, war aber stark am preußischen Konkordat von 1929 orientiert. Die Kirchenprovinz wurde ohne die Bistümer Limburg und Fulda neu umschrieben (Art. II). Das Erzbischofswahlrecht des Freiburger Domkapitels wurde bestätigt. Jedoch mussten die Domkapitulare nun aus einer Dreierliste wählen, die der Heilige Stuhl unter Würdigung der Vorschläge des Erzbischofs und des Kapitels zusammenstellte. Das Konkordat enthielt außerdem eine "politische Klausel" (Art. III). Ebenso wurde die Dotation geregelt (Art. VI). Festgelegt wurden zudem die Mindestvoraussetzungen für die Ausübung eines kirchlichen Amtes: Reichsangehörigkeit, Hochschulreife sowie die Absolvierung eines dreijährigen philosophisch-theologischen Studiums (Art. VII und VIII). Das Konkordat garantierte die katholisch-theologische Fakultät in Freiburg. Deren Mitglieder benötigten nun eine erzbischöfliche Missio canonica (Art. X). Ebenso wurden zwei katholische Weltanschauungsprofessuren in Geschichte und Philosophie in Freiburg errichtet (Schlussprotokoll zum Konkordat). Die Schulfrage blieb dagegen bis auf die Garantie des Religionsunterrichts (Art. XI) ausgeklammert.
Quellen
Concordato con il Baden, in: MERCATI, Angelo (Bearb.), Raccolta di Concordati su Materie Ecclesiastiche tra la Santa Sede e le Autorità Civil, Bd. 2: 1915-1954, Vatikanstadt 1954, S. 148-160.
Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaate Baden vom 12. Oktober 1932, in: SCHÖPPE, Lothar (Bearb.), Konkordate seit 1800. Originaltext und deutsche Übersetzung der geltenden Konkordate (Dokumente 35), Frankfurt am Main / Berlin 1964, S. 38-43.
Literatur
HUBER, Ernst Rudolf, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 6: Die Weimarer Reichsverfassung, Stuttgart u. a. 1981, S. 928-934.
KALLER, Gerhard, Baden in der Weimarer Republik, in: SCHWARZMAIER, Hansmartin / SCHAAB, Meinrad (Hg.), Handbuch der baden-württembergischen Geschichte, Bd. 4: Die Länder seit 1918 (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg), Stuttgart 2003, 23-72, hier 41-47, 53 f.
PLÜCK, Susanne, Das Badische Konkordat vom 12. Oktober 1932 (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte B 41), Mainz 1984.
VIAF: 177443078
Empfohlene Zitierweise
Verhandlungen über ein Konkordat mit Baden, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 1390, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/1390. Letzter Zugriff am: 19.04.2024.
Online seit 24.06.2016, letzte Änderung am 25.02.2019.
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