Sächsisches Oberaufsichtsgesetz vom 23. August 1876

Am 23. August 1876 von König Albert von Sachsen im Kontext der Kulturkämpfe im Deutschen Reich erlassen, räumte das Sächsische Oberaufsichtsgesetz dem Staat massive Einflussmöglichkeiten in Angelegenheiten der katholischen Kirche ein.
Kirchliche Verordnungen mussten vor ihrer Verkündigung der Regierung vorgelegt werden und bedurften in bestimmten Fällen sogar einer Genehmigung des Königs. Dies galt auch für Erlasse der Römischen Kurie. Dem König wurde zudem das Recht eingeräumt, in den katholischen Kirchen Feierlichkeiten oder Gebete zu verlangen und über deren Art zu bestimmen. Die Kirche durfte nur Strafmittel aus dem rein religiösen Bereich anwenden. Eine kirchliche Strafe durfte kein Staatsgesetz behindern. Disziplinarstrafen gegen Geistliche durften vom Staat vollstreckt werden. Jede Amtsenthebung musste dem Staat angezeigt werden. Zudem erhielt der Staat das Recht, Geistliche bei wiederholten groben Gesetzesverstößen des Amtes zu entheben. Unabhängig von der kirchlichen Disziplinargewalt durfte der Staat einem Geistlichem seine ihm übertragenen staatlichen Geschäfte entziehen und einem anderen übertragen. Ein geistliches Amt durfte nur ein Deutscher übernehmen, welcher ein dreijähriges Theologie-Studium an einer deutschen Hochschule vorweisen konnte. Absolventen jesuitischer Einrichtungen waren nicht zugelassen. Darüber hinaus konnte der Staat Kandidaten zurückweisen, wenn aufgrund seines Verhaltens die Annahme bestand, dass er den öffentlichen Frieden stören könne. Die Ernennung eines Kandidaten zu einem geistlichen Amt jedweder Art musste vorher dem Staat zur Prüfung angezeigt werden. Das Gesetz sah außerdem ein Mitbestimmungsrecht des Königs und seiner Regierung bei der Besetzung der Kirchenverwaltung vor. Würden, Pfründen, Orden, Ehrentitel von auswärtigen kirchlichen Oberen oder Souveränen durften nur mit Genehmigung des Königs angenommen werden. Des Weiteren enthielt das Gesetz ein Verbot geistlicher Orden und ähnlicher Vereinigungen mit Ausnahme der mit der Kinder- und Krankenpflege betrauten Frauenkongregationen. Das Vermögen kirchlicher Stiftungen sowie der Kirchen, Kirchenämter und kirchlicher Anstalten unterlag der Oberaufsicht des Staates.
Quellen
Gesetz, die Ausübung des staatlichen Oberaufsichtsrechts über die katholische Kirche im Königreich Sachsen betreffend, in: MEIER, Heinrich, Das Apostolische Vikariat in den Sächsischen Erblanden (Studien zur katholischen Bistums- und Klostergeschichte 24), Leipzig 1981, S. 236-243.
Literatur
Die katholische Kirche im Königreiche Sachsen unter der Herrschaft des Oberaufsichtsgesetzes vom 23. August 1876. Ein Beitrag zur Revision des Gesetzes, Dresden 1901.
Empfohlene Zitierweise
Sächsisches Oberaufsichtsgesetz vom 23. August 1876, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 19080, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/19080. Letzter Zugriff am: 29.03.2024.
Online seit 14.05.2013, letzte Änderung am 16.12.2013.
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