Debatte über die Abhaltung von Wahlen zu einer Verfassunggebenden Landesversammlung bzw. zum Landtag in Bayern

In der Frage, zu welchem Zeitpunkt Wahlen zu einer Verfassunggebenden Landesversammlung bzw. zum Landtag abgehalten werden sollen, traten die Spannungen innerhalb der bayerischen Revolutionsregierung Ende November 1918 offen zu Tage. Der Ministerpräsident Kurt Eisner und die USPD hielten die Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte im Augenblick für notwendig. Die Soldatenräte könnten mit der Zeit abgeschafft werden, doch müssten die Bauernräte fortbestehen, um die Bauern von der Zentrumspartei zu lösen. Die Arbeiterräte könnten frühestens in einem Jahr aufgelöst werden, da durch diese der Bolschewismus, den auch Eisner ablehnte, in Zaun gehalten würde. Aus diesem Grund wollte er die Wahlen zur Nationalversammlung sowohl im Reich als auch in Bayern hinausschieben.
Innenminister Erhard Auer und die SPD lehnten das Rätesystem komplett ab und strebten eine parlamentarische Demokratie an, weshalb sie für eine frühe Wahl für die Nationalversammlungen eintraten. Auer schränkte die Vollzugsgewalt der Räte ein und sah vor, sie in der parlamentarischen Republik in Arbeiter- und Landwirtschaftskammern umzuwandeln, wodurch sie ihren revolutionären Charakter verlieren würden. Auer konnte sich schließlich am 2. Dezember gegen Eisner durchsetzen. Der Ministerpräsident musste erklären, dass die Regierung ihr Versprechen, so rasch wie möglich eine Nationalversammlung abhalten zu wollen, einlösen werde.
Bereits am 5. Dezember legte Auer den Termin für die Wahlen zum bayerischen Landtag auf den 12. Januar 1919 fest, was zu erneuten Auseinandersetzungen innerhalb des Kabinetts führte. Damit war der Wahlkampf eröffnet, der bis zu den Wahlen zur deutschen Nationalversammlung am 19. Januar 1919 anhielt.
Das im Dezember verabschiedete Wahlgesetz beinhaltete erstmals das aktive und passive Frauenwahlrecht. Mit 53,4 Prozent stellten sie die Mehrheit bei der Wahl. Zusätzlich wurde das Mindestalter der Wahlberechtigten von 25 auf 20 Jahre herabgesetzt. Die Wahlen vom 12. Januar 1919 verliefen ohne Zwischenfälle. Bei einer Beteiligung von 86,26 Prozent gaben ca. drei Millionen Bayern ihre Stimme ab.
Für Kurt Eisner und die USPD war das Resultat von 2,5 Prozent der Stimmen eine politische Katastrophe. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis Eisner sein Amt verlieren würde.
Quellen
Langprotokoll der Ministerratssitzung vom 5. Dezember 1918, in: BAUER, Franz J. (Hg.), Die Regierung Eisner 1918/19. Ministerratsprotokolle und Dokumente (Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien I 10), Düsseldorf 1987, S. 123-129.
Literatur
Bayerischer Landtag (Weimarer Republik) (Dieser Artikel ist noch nicht freigegeben), in: www.historisches-lexikon-bayerns.de (Letzter Zugriff am: 17.10.2014).
GRAU, Bernhard, Kurt Eisner 1867-1919. Eine Biographie, München 2001, S. 358-376.
HÜRTEN, Heinz, Revolution und Zeit der Weimarer Republik, in: SCHMID, Alois (Hg.), Handbuch der bayerischen Geschichte, Bd. 4: Das neue Bayern. Von 1800 bis zur Gegenwart, Teilbd. 1: Staat und Politik, München 22003, S. 440-498, hier 445-457.
KÖGLMEIER, Georg, Die zentralen Rätegremien in Bayern 1918/19. Legitimation – Organisation – Funktion (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 135), München 2001.
LILLA, Joachim, Der bayerische Landtag 1918/19 bis 1933. Wahlvorschläge – Zusammensetzung – Biographien (Materialien zur bayerischen Landesgeschichte 21), München 2008.
MITCHELL, Allan, Revolution in Bayern 1918/1919. Die Eisner-Regierung und die Räterepublik, München 1967, S. 183-200.
Empfohlene Zitierweise
Debatte über die Abhaltung von Wahlen zu einer Verfassunggebenden Landesversammlung bzw. zum Landtag in Bayern, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 2062, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/2062. Letzter Zugriff am: 28.03.2024.
Online seit 02.03.2011, letzte Änderung am 10.09.2018.
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