Bayerische Volkspartei (BVP)

Führende Mitglieder der Bayerischen Zentrumspartei um Georg Heim und Sebastian Schlittenbauer gründeten am 12. November 1918 unter dem Eindruck der Revolution die Bayerische Volkspartei (BVP). Die neue Partei setzte sich damit bewusst in ihrer föderalistisch bis separatistischen Zielsetzung mit dem Programm "Bayern den Bayern" und "Los von Berlin" von der reichsweit organisierten Deutschen Zentrumspartei ab. Die konfessionell katholisch ausgerichtete BVP vertrat besonders die Interessen des Besitzbürgertums und von Teilen der Industrie. Sie war konservativer als die Deutsche Zentrumspartei, die sich unter dem Einfluss Matthias Erzbergers während des Krieges nach links bewegt hatte.
Die BVP erkannte die Weimarer Reichsverfassung an, setzte sich dennoch für einen deutschen Staatenbund unter Wahrung der traditionellen bayerischen Sonderrechte im Wirtschafts-, Steuer-, Kultur-, Militär- und Postwesen und weiteren Bereichen ein. Ihr rechter Flügel war jedoch republikfeindlich. Seit den Landtagswahlen vom 12. Januar 1919 bis zu den Landtagswahlen von 1932 war die BVP mit einem Stimmenanteil von 31,6 bis 39,4 Prozent die stärkste Partei in Bayern und in allen Landesregierungen vertreten. Mit Hugo Graf von und zu Lerchenfeld auf Köfering und Schönberg (1921-1922) sowie Heinrich Held (1924-1933) stellte sie für insgesamt zehn von 14 Jahren der Weimarer Republik den Bayerischen Ministerpräsidenten.
Für die Wahlen zur Verfassunggebenden deutschen Nationalversammlung ging die BVP ein Wahlbündnis mit der Deutschen Zentrumspartei ein und bildete gemeinsam mit dieser bis 1920 auch eine Fraktionsgemeinschaft im Reichstag. Danach verschlechterte sich das Verhältnis zur Zentrumspartei, da die BVP eine bürgerlich-konservative Reichsregierung anstrebte und die Koalitionen der Zentrumspartei mit den Sozialdemokraten ablehnte. Diese Haltung kam in der Unterstützung des Protestanten Paul von Hindenburg bei der Reichspräsidentenwahl 1925 gegen die Kandidatur des katholischen Zentrumskandidaten Wilhelm Marx deutlich zum Ausdruck. Ab Ende 1927 näherten sich die BVP und die Deutsche Zentrumspartei im Reichstag wieder an und bildeten erneut eine Fraktionsgemeinschaft. Bei den Reichstagswahlen zwischen 1920 und 1932 erhielt die BVP in den bayerischen Wahlkreisen mindestens 31,7 und maximal 40,6 Prozent, was im Reichsdurchschnitt 3,1 bis 4,2 Prozent der Stimmen bedeutete. Von 1925 bis zum Scheitern des Präsidialkabinetts Heinrich Brünings (Zentrum) im Mai 1932 war die BVP in allen Reichskoalitionen vertreten. Sie stellte mit Karl Stingle (1925-1926) und Georg Schätzl (1927-1932) zwei Reichspostminister.
Die Bayerische Volkspartei verfügte über keine eigene Tageszeitung, doch standen ihr neben vielen Lokalzeitungen vor allem die "Augsburger Postzeitung", der "Bayerische Kurier" und der "Regensburger Anzeiger" nahe.
Literatur
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Empfohlene Zitierweise
Bayerische Volkspartei (BVP), in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 2079, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/2079. Letzter Zugriff am: 19.03.2024.
Online seit 02.03.2011, letzte Änderung am 25.03.2013.
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