Vereinbarung zwischen dem Deutschen Reich und Lettland vom 15. Juli 1920

Am 15. Januar 1918 erklärte Lettland seine Unabhängigkeit vom Russischen Reich. Ob sich der neue Staat auf Dauer würde behaupten können, war angesichts der sich überschlagenden Ereignisse im Deutschen und im Russischen Reich lange nicht absehbar. Das Land war zu dem Zeitpunkt von deutschen Truppen besetzt. Dies blieb auch nach dem Waffenstillstand von Compiègne so, der das Reich angesichts der Revolution und des Bürgerkriegs in Russland dazu verpflichtete, vorerst im Baltikum zu bleiben, bis die Entente ihren Abzug für opportun ansah. Am 7. Dezember 1918 übergab die deutsche Besatzungsmacht die Verwaltung an die provisorische Regierung unter Kārlis Ulmanis. Zugleich zogen die meisten kriegsmüden deutschen Verbände in ihre Heimat zurück.
Jedoch schlossen beide Länder am 29. Dezember 1918 einen Vertrag, der antibolschewistische deutsche Freikorps aus dem Reich in das von der Roten Armee bedrohte Lettland locken sollte. Diese folgten zwar dem Ruf, erwiesen sich jedoch als schwer kontrollierbar und wandten sich schließlich gegen die lettischen Truppen. Im Waffenstillstand zwischen den Freikorps und der lettischen Regierung Ulmanis vom 3. Juli 1919 forderte die Regierung die deutschen Verbände auf, das Land zu verlassen. Ein Teil der Freikorps ignorierte die Aufforderung und schloss sich den russischen Weißen an, musste auf Druck der Entente jedoch das Baltikum im Dezember 1919 verlassen. Gleichzeitig erklärte Lettland im November 1919 den formalen Kriegszustand gegenüber Deutschland. Zudem hatte es im Oktober 1919 Friedensgespräche mit Sowjetrussland begonnen, die am 11. August 1920 mit einem Friedensvertrag abgeschlossen wurden.
Da Lettland damit seine Unabhängigkeit behauptet hatte und das Ansehen des Reichs nach dem Vorgehen der Freikorps im Jahr 1919 auf dem Tiefpunkt war, versuchte die deutsche Außenpolitik den Rest ihres Einflusses zu bewahren. Im April 1920 begannen Friedensverhandlungen zwischen Deutschland und Lettland, die in der vorläufigen Vereinbarung zwischen den beiden Staaten vom 15. Juli 1920 mündeten. Die Staaten nahmen damit zwar offizielle diplomatische Beziehungen auf. Jedoch wurde festgelegt, dass das Reich Lettland erst offiziell anerkennen würde, sobald eine der "alliierten Hauptmächte" es anerkannt habe (§ 2). Dazu kam es schließlich im Januar 1921.
Quellen
Allemagne et Latvie. Convention provisoire relative a la reprise des relations entre l'Allemagne et la Latvie, signée à Berlin le 15 juillet 1920, in: Société des Nations. Recueil des Traités et des Engagements Internationaux enregistrés par le Secrétariat de la Société des Nations 2,1 (1920), No. 52, S. 91-99, in:www.treaties.un.org (Letzter Zugriff am: 20.12.2017).
Gesetz, betreffend das vorläufige Abkommen über die Wiederaufnahme der Beziehungen zwischen dem Deutschen Reich und Lettland. Vom 23. August 1920, in: Reichsgesetzblatt 1920, Nr. 183, S. 1623-1629, hier 1623, in: alex.onb.ac.at (Letzter Zugriff am: 11.01.2018).
Reichsgesetzblatt 1920, Nr. 183; Dokument Nr. 18658.
Literatur
HIDEN, John, The Baltic States and Weimar Ostpolitik, Cambridge u. a. 1987.
Empfohlene Zitierweise
Vereinbarung zwischen dem Deutschen Reich und Lettland vom 15. Juli 1920, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 2200, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/2200. Letzter Zugriff am: 24.04.2024.
Online seit 25.02.2019, letzte Änderung am 20.01.2020.
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