Reichstag, 1928-1930

Seit dem ersten Kabinett des Reichskanzlers Wilhelm Marx von der Zentrumspartei (Z), das am 30. November 1923 berufen wurde, wurde das Reich durchgängig von bürgerlichen Regierungen unter Ausschluss der Sozialdemokraten (SPD) regiert. Die Reichstagswahlen am 20. Mai 1928 ergaben jedoch einen Linksruck. Die SPD gewann 22 Mandate hinzu und kam nun auf 153 Sitze bzw. 29,8 Prozent der Stimmen. Die Deutschnationale Volkspartei (DNVP) verlor dagegen 30 Mandate und verfügte nur noch über 73 Sitze (14,2 Prozent). Auch die anderen Mitglieder des vierten Kabinetts Wilhelm Marx - Zentrumspartei (62 Mandate bzw. 12,1 Prozent), Deutsche Volkspartei (DVP) (45 Mandate bzw. 8,7 Prozent), Deutsche Demokratische Partei (DDP) (25 Mandate bzw. 4,9 Prozent) und Bayerische Volkspartei (BVP) (16 Mandate bzw. 3,1 Prozent) - mussten Einbußen hinnehmen. Die Kommunisten (KPD) erhielten 54 Mandate bzw. 10,6 Prozent und die Nationalsozialisten (NSDAP) 12 Mandate bzw. 2,6 Prozent.
Da die SPD mit Abstand stärkste Kraft wurde, drängte sich die Bildung einer Großen Koalition unter ihrer Führung auf. Aufgrund der unterschiedlichen Positionen der möglichen Koalitionspartner, insbesondere zwischen SPD und DVP, drohten die Verhandlungen zu scheitern. Erst der Vorschlag Gustav Stresemanns, der aus außenpolitischen Erwägungen an einer Großen Koalition interessiert war, ein "Kabinett der Persönlichkeiten" ohne Beteiligung der jeweiligen Fraktionen zu bilden, brachte den Durchbruch. Das zweite Kabinett des Reichskanzlers Hermann Müller (SPD), das am 28. Juni 1928 berufen wurde, erhielt allerdings erst nach einer weiteren Regierungskrise im April 1929 eine förmliche Vereinbarung.
Die Regierungszeit war geprägt von den Auseinandersetzungen um den Neubau eines Panzerkreuzers, den Young-Plan und die Sozialpolitik. Agrar- und Wirtschaftskrise sowie die zunehmende politische Polarisierung lähmten die Innenpolitik. Schließlich trat Müller am 27. März 1930 zurück.
Literatur
BÜTTNER, Ursula, Weimar. Die überforderte Republik. 1918-1933, in: BENZ, Wolfgang (Hg.), Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 18: 20. Jahrhundert (1918-2000), Stuttgart 102010, S. 171-767, hier 596-608.
FALTER, Jürgen / LINDENBERGER, Thomas / SCHUMANN, Siegfried, Wahlen und Abstimmungen in der Weimarer Republik. Materialien zum Wahlverhalten. 1919-1933, München 1986, S. 44.
Reichsregierung (1923-11-30 – 1924-06-03) Kabinett Marx I; Schlagwort Nr. 18018.
Reichsregierung (1927-01-29 – 1928-06-29) Kabinett Marx IV; Schlagwort Nr. 18023.
Reichsregierung (1928-06-28 – 1930-03-30) Kabinett Müller II; Schlagwort Nr. 18024.
Empfohlene Zitierweise
Reichstag, 1928-1930, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 2253, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/2253. Letzter Zugriff am: 19.04.2024.
Online seit 20.01.2020.
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