Reichs-Landbund

Der Reichs-Landbund entstand Anfang 1920 durch den Zusammenschluss des Bundes der Landwirte und des Deutschen Landbundes. Der Bund der Landwirte war aus dem Protest ostdeutscher Großgrundbesitzer gegen die Wirtschaftspolitik Reichskanzler Leos von Caprivi entstanden, der 1890 die Schutzzollpolitik seines Vorgängers Otto von Bismarck beendet hatte. Der vom Bund der Landwirte dominierten Konservativen Partei war es 1894 gelungen, Caprivi zu stürzen und 1902 die Bismarckzölle wieder einzuführen. Der Deutsche Landbund war ein Zusammenschluss regionaler Landbünde, die aufgrund des Aufrufes des Rates der Volksbeauftragten vom 13. November 1918 zur Gründung von Bauernräten entstanden waren. Der Deutsche Landbund brachte in den neuen Reichs-Landbund die in den Nachkriegswirren verlorenen Mitglieder ein, der Bund der Landwirte hingegen vor allem seine Verbandskader.
Dem Reichs-Landbund gelang es im Gegensatz zum früheren Bund der Landwirte, mit seiner Organisation auch in die landwirtschaftlich geprägten Gebiete im Westen und Süden des Reichs vorzudringen. Jedoch behielten die dortigen Bauernvereine mittelfristig die Oberhand, so dass ab 1927/28 wieder die ostdeutschen Landbünde den Kern des Reichs-Landbundes bildeten. 1930 zählte die Organisation ca. 359.000 Mitglieder. Politisch war der Reichs-Landbund konservativ bis republikfeindlich.
Die meisten Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft pflegten seit März 1920 enge Verhältnisse zu den landwirtschaftlichen Interessenverbänden. Auch Reichspräsident Paul von Hindenburg setzte sich für die Landwirte ein. Verbündeter des Reichs-Landbundes war bis 1928 vor allem die Deutschnationale Volkspartei (DNVP), in Südwestdeutschland auch die Deutsche Volkspartei (DVP). 1929 gründete der Reichs-Landbund zusammen mit den anderen wichtigen Landwirtschaftsverbänden eine "Grüne Front", die jedoch nicht über einzelne gemeinsame Aktionen hinauskam. Auch versuchte man die Gründung neuer Parteien wie der Christlich-nationalen Bauern- und Landvolkpartei und der Konservativen Volkspartei. Seit Herbst 1930 gewannen die Nationalsozialisten (NSDAP) immer mehr Einfluss im Reichs-Landbund.
Literatur
BÜTTNER, Ursula, Weimar. Die überforderte Republik. 1918-1933, in: BENZ, Wolfgang (Hg.), Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 18: 20. Jahrhundert (1918-2000), Stuttgart 2010, S. 171-767, hier 437 f.
GESSNER, Dieter, Agrarverbände in der Weimarer Republik. Wirtschaftliche und soziale Voraussetzungen agrarkonservativer Politik vor 1933, Düsseldorf 1976, S. 37-39.
MERKENICH, Stephanie, Grüne Front gegen Weimar. Reichs-Landbund und agrarischer Lobbyismus 1918-1933 (Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien 113), Düsseldorf 1998.
Empfohlene Zitierweise
Reichs-Landbund, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 25095, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/25095. Letzter Zugriff am: 29.03.2024.
Online seit 14.05.2013, letzte Änderung am 10.03.2014.
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