Katholische Militärseelsorge in der Weimarer Republik

Die katholische Militärseelsorge wurde nach dem Ende des Kaiserreiches erst mit dem Reichskonkordat von 1933 und dem Päpstlichen Breve über die Militärseelsorge von 1935 staatskirchenrechtlich geregelt. Während der Weimarer Republik gab es nichtsdestoweniger eine katholische Militärseelsorge, deren praktische Arbeit jedoch vom Wohlwollen der militärischen und politischen Führung abhängig war. Bestrebungen, die Militärseelsorge gänzlich abzuschaffen, setzten sich nicht durch.
Mit der Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919 wurde das im Kaiserreich bundesstaatlich organisierte Heerwesen ausschließlich zur Reichsangelegenheit. Die Verfassung bot in den Artikeln 140 und 141 die grundsätzliche Möglichkeit der Militärseelsorge. Diese wurde zwar von der neuen Reichswehr dankend angenommen, allerdings gab es durch die Neuordnung des Heerwesens von Seiten des Episkopats rechtliche Bedenken hinsichtlich des Jurisdiktionsbereichs des ehemaligen preußischen Feldpropstes. Dieser war jetzt reichsrechtlich der Vorgesetzte aller Militärgeistlichen, kirchenrechtlich aber höchstens für das frühere preußische Heereskontingent.
Als nach dem Ausscheiden des ehemals preußischen Feldpropstes Heinrich Joeppen am 30. April 1920 sein Stellvertreter Paul Schwamborn die Geschäfte der katholischen Feldpropstei als Generalvikar übernahm, ergab sich für die Kurie die Gelegenheit einer grundsätzlichen Änderungen der Jurisdiktionsverhältnisse. Durch die Entscheidung der Konsistorialkongregation vom 14. Oktober 1920 wurde die Exemtion der katholischen Militärseelsorge im Reich aufgehoben. Reichswehrangehörige waren nun kirchenrechtlich Mitglieder der Zivilkirchengemeinden am Standort und unterstanden der Jurisdiktion der jeweiligen Diözesanbischöfe, deren Vertreter gegenüber der Reichsregierung und Heeresverwaltung der Bischof von Paderborn war. Schwamborn besaß als Staatsbeamter nun keine kirchliche Jurisdiktionsgewalt mehr, sondern nur noch die staatliche. Ihm waren die Militärpfarrer, der ihm zugeteilte Verwaltungssekretär und die Militärküster beamtenrechtlich unterstellt. Er selbst war kirchenrechtlich dem Ortsbischof unterstellt und erhielt von diesem auch seine kirchlichen Vollmachten. Disziplinarrechtlich unterstand er im kirchlichen Bereich aber seinem Heimatbischof. Von Reichsseite wurde auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Feldpropstei und den jeweiligen Ortsbischöfen Wert gelegt. Am 24. Juli 1929 wurde Schwamborn durch Franz Justus Rarkowski abgelöst.
Neben dem Generalvikar gab es bei den Wehrkreisen und Marinestationen Militärpfarrer, die hauptsächlich für Verwaltungsaufgaben zuständig waren. Die eigentliche Seelsorge leisteten im Neben- bzw. Hauptamt zivile Standortpfarrer, die für kirchliche Amtshandlungen die Erlaubnis des Ortspfarrers benötigte. Diese entfiel, wenn Personalmilitärgemeinden für die Soldaten eines Standortes errichtet wurden.
Aufgrund dieser rechtlichen Lage fand Canon 451 CIC/1917, wonach bezüglich der ordnungsgemäßen Ausübung der Seelsorge für die Militärgeistlichen besondere Vorschriften des Heiligen Stuhls gelten sollten, im Reich keine Anwendung. Nichtsdestoweniger führten während der gesamten Weimarer Republik Bischöfe, Kurie, Nuntius, Auswärtiges Amt und Reichsregierung Verhandlungen über eine endgültige staatskirchenrechtliche Lösung der Militärseelsorge.
Quellen
1917 Codex Iuris Canonicis, can. 451, in: www.jgray.org (Letzter Zugriff am: 29.03.2016).
Codex Iuris Senior, can. 451, in: www.catho.org (Letzter Zugriff am: 29.03.2016).
GASPARRI, Pietro (Hg.), Codex Iuris Canonici Pii X Pontificis Maximi iussu digestus, Benedicti Papae XV auctoritate promulgatus, Rom 1917, can. 451, S. 126, in: archive.org (Letzter Zugriff am: 29.03.2016).
Die Verfassung des Deutschen Reichs. Vom 11. August 1919, in: Reichsgesetzblatt 152 (1919), S. 1383-1418, hier 1410 (Art. 140 f.) in: alex.onb.ac.at (Letzter Zugriff am: 14.08.2012).
Literatur
BRANDT, Hans Jürgen, Biographisches Lexikon der Katholischen Militärseelsorge Deutschlands 1848-1945, Paderborn 2002.
BRANDT, Hans Jürgen, Militärseelsorge. I. Historisch, in: Lexikon für Theologie und Kirche3 7 (1998), Sp. 255 f.
GÜSGEN, Johannes, Die katholische Militärseelsorge in Deutschland zwischen 1920 und 1945. Ihre Praxis und Entwicklung in der Reichswehr der Weimarer Republik und der Wehrmacht des nationalsozialistischen Deutschlands unter besonderer Berücksichtigung ihrer Rolle bei den Reichskonkordatsverhandlungen (Bonner Beiträge zur Kirchengeschichte 15), Köln / Wien 1989.
KRIEG, Julius, Militärseelsorge, katholische, in: Lexikon für Theologie und Kirche 7 (1935), Sp. 186-189, hier 188.
Sitzung der Kongregation für die Außerordentlichen Kirchlichen Angelegenheiten vom 6. November 1925 zur Reorganisation der Militärseelsorge im Deutschen Reich; Schlagwort Nr. 2141.
Empfohlene Zitierweise
Katholische Militärseelsorge in der Weimarer Republik, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 3035, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/3035. Letzter Zugriff am: 19.03.2024.
Online seit 02.07.2012, letzte Änderung am 24.06.2016.
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