Coenaculum in Jerusalem

Das Coenaculum in Jerusalem wird von allen Christen mit Ausnahme der syrisch-orthodoxen als der Schauplatz des letzten Abendmahles, des Pfingstereignisses sowie als Haus der Apostel und der urchristlichen Gemeinde angesehen.
Wahrscheinlich ist, dass der eigentliche Abendmahlssaal, der in den Evangelien Erwähnung findet, der Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 zum Opfer fiel. Es gibt deshalb keine sichere Lokaltradition zu diesem Ort, da noch im 6. Jahrhundert verschiedene andere Orte für das letzte Mahl Jesu angenommen wurden. Die Tradition eines Abendmahlssaales entstand erst im 5. Jahrhundert um die Hagia Sion auf dem Berg Zion im Südwesten der Altstadt, wo zugleich eine deutlich ältere Pfingsttradition belegt ist. Das in Apg 1,13 erwähnte Obergemach, in dem sich die Apostel bzw. die Jerusalemer Urgemeinde versammelt haben sollen, ist schriftlich für das 4. Jahrhundert belegt (Pilger von Bordeaux, Pilgerin Etheria). Der Ort, an dem von jüdischer Seite das Grab Davids lokalisiert wurde, erhielt im Laufe der Zeit zusätzlich sein Gepräge als Erinnerungsort des Letzen Abendmahls. Berichten zufolge befand sich der Saal in der südöstlichen Ecke über dem Diakonikon der byzantinischen Kirche Hagia Sion. Diese Kirche wurde 614 von den Persern zerstört und 1100 von den Kreuzfahrern als Kirche "St. Maria in Monte Sion" wieder aufgebaut. Nachdem die Kirche 1219 abermals durch die Sarazenen zerstört wurde, errichteten die zurückkehrenden Kreuzfahrer 1229 den bis heute erhaltenen frühgotischen Raum. 1335 wurden der Abendmahlssaal und eine angrenzende Kapelle an die Franziskaner übertragen, die den Saal rekonstruieren ließen. Seit Selim I. 1551 die Franziskaner vertrieben hatten, wurde das Gebäude als Moschee genutzt, da auch die Muslime das Davidsgrab (Nebi Da’ud), das sich im Untergeschoss des Coenaculums befindet, als Heiligtum verehrten. Christen war der Besuch des Obergeschosses gegen eine Gebühr weiterhin gestattet, gleichwohl religiöse Feiern verboten blieben.
Der gesamte Sionshügel erhielt zwischen 1898 und 1910 eine neue Ausrichtung durch die Investitionen deutscher Katholiken: Durch den Neubau der Dormitioabtei in unmittelbarer Nähe des Coenaculum-Komplexes durch die Benediktiner und die Errichtung eines kleinen Franziskanerkonvents unmittelbar im Anschluss an den Abendmahlssaal entwickelte sich auf dem Sion ein christliches Zentrum. Die Nutzung des Baus als Moschee und der muslimische Einfluss blieben jedoch erhalten. Die starke katholische Präsenz im Umfeld des Gebäudekomplexes führte immer wieder auch zu Konflikten zwischen der muslimischen Verwaltung der Moschee und den christlichen Pilgern, die durch die britische Besatzungsmacht (seit 1917) als Besucher zugelassen wurden.
Literatur
KOSMALA, Hans, Der Ort des letzten Mahles Jesu und das heutige Coenaculum, in: Judaica. Beiträge zum Verständnis des jüdischen Schicksals in Vergangenheit und Gegenwart 17,1 (1961), S. 43-47.
KÜCHLER, Max, Abendmahlssaal, in: Lexikon für Theologie und Kirche3 1 (1993), Sp. 35 f.
KÜCHLER, Max, Jerusalem. Ein Handbuch und Studienreiseführer zur Heiligen Stadt, Göttingen 22014, S. 419-442.
Kustodie des Heiligen Landes; Schlagwort Nr. 1841.
UHLMANN, Rainer F., Jerusalem Pages, Ein Reise-, Geschichts- und Lesebuch über die Heilige Stadt, Norderstedt 2009, S. 110-116.
Empfohlene Zitierweise
Coenaculum in Jerusalem, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 3056, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/3056. Letzter Zugriff am: 29.03.2024.
Online seit 31.07.2013, letzte Änderung am 29.01.2018.
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