Londoner Konferenz von 1924 und Dawes-Plan

Nach Abbruch des "Ruhrkampfes" und der Einleitung der Währungsstabilisierung ergriff die Regierung Stresemann bei der Lösung der Reparationsfrage die Initiative und beantragte am 24. Oktober 1923 die Überprüfung der Zahlungsfähigkeit des Deutschen Reichs durch unabhängige Sachverständige.
Unter der Leitung des amerikanischen Bankiers Charles G. Dawes berieten darauf von Januar bis April 1924 Finanzexperten der großen Reparationsgläubiger und der USA über Höhe und Modalitäten möglicher deutscher Entschädigungszahlungen und legten am 9. April ihr Gutachten vor.
Vom 16. bis 31. Juli und vom 6. bis 16. August 1924 fanden anschließend in London zwei Konferenzen statt, bei denen die Vertreter der alliierten und schließlich auch die deutschen Regierungen den die Reparationen regulierenden Dawes-Plan annahmen. Die beiden Konferenzen werden in der historischen Forschung in der Regel unter dem Schlagwort Londoner Konferenz von 1924 zusammengefasst.
Der Dawes-Plan sah unter anderem vor, dass die jährlichen Reparationszahlungen des Reichs binnen fünf Jahren allmählich von 1 Mrd. Goldmark auf den endgültigen Betrag von 2,5 Mrd. Goldmark ansteigen sollten, welche zur einen Hälfte aus unmittelbaren Einnahmen des Reichs, zur anderen Hälfte durch eine Zwangsanleihe der deutschen Industrie sowie Leistungen der Reichsbahn aufgebracht werden sollten. Der Gesamtumfang der geforderten Entschädigungen blieb de jure bei den 132 Mrd. Goldmark des "Londoner Ultimatums" von 1921. Um die notwendigen Devisen aufzubringen, war das Reich auf Exportüberschüsse angewiesen, die wiederum eine international akzeptierte und durch Gold oder Devisen gedeckte Währung voraussetzten. Den dafür notwendigen Grundstock an Deckungsmitteln sollte eine internationale Anleihe von 800 Mio. Goldmark liefern. Zudem sagten die Alliierten zu, die im Januar 1923 besetzten deutschen Gebiete binnen Jahresfrist zu räumen.
Die Umsetzung des Plans machte teilweise verfassungsändernde Gesetze – insbesondere das Reichsbahngesetz, das diese in eine selbstständige Gesellschaft mit internationaler Leitung umwandelte und sie verpflichtete, eine Quote ihrer Erträge an das Reparationskonto abzuführen – notwendig, deren Verabschiedung eines Zweidrittelmehrheit im Reichstag erforderte. Bei der Abstimmung am 29. August 1924 konnte Regierung die Wilhelm Marx' aus Zentrum, Deutscher Demokratischer Partei (DDP) und Deutscher Volkspartei (DVP) mit den Stimmen der Sozialdemokraten (SPD) die Ausführungsgesetze Gesetze durchbringen. Die Verabschiedung der verfassungändernden Gesetze gelang mit Hilfe der Stimmen von Teilen der Fraktion der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP), die zuvor heftig über die Annahme des Planes gestritten hatte.
Quellen
Die entsprechenden Ausführungsgesetze finden sich in: Reichsgesetzblatt, Teil II, Nr. 32, S. 235-358.
Literatur
BÜTTNER, Ursula, Weimar. Die überforderte Republik 1918-1933, in: BENZ, Wolfgang (Hg.), Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 18: 20. Jahrhundert (1918-2000), Stuttgart 102010, S. 171-767, hier 459, 558, 567-569.
JACOBSON, Jon, The Reparation Settlement of 1924, in: FELDMAN, Gerald D. u. a. (Hg.), Konsequenzen der Inflation, Berlin 1989, S. 79-108.
KENT, Bruce, The Spoils of War. The Politics, Economics and Diplomacy of Reparations 1918-1932, Oxford u. a. 1989, S. 245-286.
KOLB, Eberhard, Die Weimarer Republik (Oldenbourg Grundriss der Geschichte 16), München 72009, S. 68.
KRÜGER, Peter, Die Außenpolitik der Republik von Weimar, Darmstadt 1985,S. 218-247.
LINK, Werner, Die Amerikanische Stabilisierungspolitik in Deutschland 1921-1932, 1970.
Empfohlene Zitierweise
Londoner Konferenz von 1924 und Dawes-Plan, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 3099, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/3099. Letzter Zugriff am: 20.04.2024.
Online seit 04.06.2012, letzte Änderung am 25.03.2013.
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