Oster-Massaker in Essen vom 31. März 1923 und Krupp-Prozesse vom 4. bis 8. Mai 1923

Am Karsamstag, den 31. März 1923 beabsichtigten zwei französische Militärkommandos die LKW der Firma Friedrich Krupp AG zu beschlagnahmen, doch waren die meisten Wagen bereits ausgefahren. Der Betriebsrat und die Betriebsleitung ließen die Arbeit niederlegen und eine Arbeitermenge versammelte sich vor der Wagenhalle, in der sich die französischen Soldaten aufhielten. Verhandlungen zwischen dem Betriebsrat und den Soldaten führten zu keinem Ergebnis. Die Situation eskalierte: die französischen Soldaten schossen in die Menge, um das Werksgelände verlassen zu können, insgesamt starben 13 Menschen und weitere wurden verletzt.
Die tödlichen Schüsse lösten auf deutscher Seite einen Sturm der Entrüstung aus, die französische Gegenpropaganda machte die Fabrikleitung für den Vorfall verantwortlich. Am Ostersonntag ließ der Essener Stadtkommandant Jaquemot die Kruppschen Direktoren Bruhn, Hartwig und Oesterlein verhaften. Die Ermittlungen zogen sich den April über hin, am 1. Mai wurde der Konzernchef Gustav Krupp von Bohlen und Halbach verhaftet. Der Prozess dauerte unter großen Sicherheitsvorkehrungen vom 4. bis 8. Mai. Gegen die Direktoren Baur und Schäffer sowie gegen die stellvertretenden Direktoren Schraepler und Cuntz wurde in Abwesenheit verhandelt, genauso gegen den Leiter der Lehrlingswerkstatt Groß und das Betriebsratsmitglied Müller. Es kam zu folgenden Schuldsprüchen:
Krupp von Bohlen und Halbach 15 Jahre Gefängnis und 100 Millionen Mark Geldstrafe
Hartwig 15 " "
Bruhn 10 " "
Oesterlen 15 " "
Baur 20 " "
Schäffer 20 " "
Schraepler 20 " "
Cuntz 20 " "
Groß 10 " 50 "
Müller 6 Monate Gefängnis
Krupp von Bohlen genoss im Düsseldorfer Gefängnis als politischer Gefangener deutliche Erleichterungen. Durch Intervention des Heiligen Stuhls – Krupp von Bohlen war von 1904 bis 1906 Legationsrat an der preußischen Gesandtschaft beim Heiligen Stuhl gewesen – gelang es, dass er nicht als Krimineller nach Germersheim verlegt wurde. Nach der Aufgabe des passiven Widerstands wurden Krupp von Bohlen und Halbach und die anderen Direktoren nach sieben Monaten aus der Haft entlassen.
Quellen
Aus dem Urteil gegen Direktoren der Krupp-Werke vom 8. Mai 1923, in: MICHAELIS, Herbert / SCHRAEPLER, Ernst (Hg.), Ursachen und Folgen. Vom deutschen Zusammenbruch 1918 und 1945 bis zur staatlichen Neuordnung Deutschlands in der Gegenwart. Eine Urkunden- und Dokumentensammlung zur Zeitgeschichte, Bd. 5: Die Weimarer Republik. Das kritische Jahr 1923, Berlin 1961, Nr. 1045, S. 132 f.
Der Prozeß Krupp vor dem französischen Kriegsgericht. Nach dem einzigen vorhandenen Stenogramm, München 1923.
Die Vorfälle in den Kruppwerken in Essen, in: MICHAELIS, Herbert / SCHRAEPLER, Ernst (Hg.), Ursachen und Folgen. Vom deutschen Zusammenbruch 1918 und 1945 bis zur staatlichen Neuordnung Deutschlands in der Gegenwart. Eine Urkunden- und Dokumentensammlung zur Zeitgeschichte, Bd. 5: Die Weimarer Republik. Das kritische Jahr 1923, Berlin 1961, Nr. 1039, S. 95-100.
Literatur
STEHLIN, Stewart A., Weimar and the Vatican 1919-1933. German-Vatican Diplomatic Relations in the interwar Years, Princeton, New Jersey 1983, S. 241 f., 253 f., 257 f.
WISOTZKY, Klaus, Der "blutige Karsamstag" 1923 bei Krupp, in: KREUMEICH, Gerd / SCHRÖDER, Joachim (Hg.), Der Schatten des Weltkriegs. Die Ruhrbesetzung 1923 (Düsseldorfer Schriften zur Neueren Landesgeschichte und zur Geschichte Nordrhein-Westfalens 69), Zuthpen 2004, S. 265-287.
WISOTZKY, Klaus, Die Jahre der Gewalt – Essen 1914 bis 1945, in: BORSDORF, Ulrich (Hg.), Essen. Geschichte einer Stadt, Bottrop / Essen 2002, S. 369-467, hier 387 f.
Empfohlene Zitierweise
Oster-Massaker in Essen vom 31. März 1923 und Krupp-Prozesse vom 4. bis 8. Mai 1923, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 456, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/456. Letzter Zugriff am: 18.04.2024.
Online seit 24.10.2013, letzte Änderung am 26.06.2019.
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