Freidenkerbewegung

Die intellektuellen Wurzeln der Freidenkerbewegung liegen im Atheismus und in der Religionskritik der Aufklärung. Vorläufer des organisierten Freidenkertums, das erst unter den gesellschaftlichen und rechtlichen Bedingungen des 19. Jahrhunderts entstand, waren der Laizismus sowie die freireligiöse Gemeindegründungen, die das Religiöse zunehmend auf Ethik und Gemeinschaft im Rahmen gemeindlicher Strukturen reduzierten. Insbesondere die Kritik an den Beschlüssen des Ersten Vatikanischen Konzils gab den Anstoß zur Etablierung fester organisatorischer Strukturen. 1880 wurde in Brüssel die "Fédération Internationale de Libres Penseurs" gegründet. Im Folgejahr entstand der "Deutsche Freidenkerbund" als deutscher Zweig der Förderation. Er vereinigte bürgerliche und sozialdemokratische Freidenker. Letztere gründeten bald darauf eigene sozialdemokratische Vereine: neben dem "Verein der Freidenker für Feuerbestattung" 1905 vor allem den "Zentralverband deutscher Freidenker-Vereine". Dieser wurde 1911 in "Zentralverband proletarischer Freidenker Deutschlands" und in der Weimarer Republik in "Deutscher Freidenkerverband" umbenannt. Freidenkerbund und -verband hatten am Ende des Kaiserreichs jeweils etwa 6.000 Mitglieder. Die öffentliche Wirksamkeit der Freidenkerbewegung entfaltete sich im Kaiserreich vor allem im gemeinsamen Projekt der Propagation des Kirchenaustritts. Aber erst das Ende des Staatskirchentums 1918, die Ablehnung der Kirchensteuer durch breite Bevölkerungsschichten sowie günstige Feuerbestattungsversicherungen für Mitglieder von Freidenkerverbänden führten zu großen Erfolgen auf diesem Gebiet. Der "Deutsche Freidenkerverband" hatte 1932 knapp 550 .000  Mitglieder. Der 1928 von diesem abgespaltene kommunistische "Verband proletarischer Freidenker" besaß rund 150. 000  Mitglieder. Letzterer wurde 1932 verboten, alle übrigen Freidenkerorganisationen wurden seit 1933 von den Nationalsozialisten unterdrückt. Alle Wiedergründungen nach 1945 erreichten bei Weitem nicht mehr die Stärke ihrer Vorgänger.
Literatur
GROSCHOPP, Horst, Dissidenten. Freidenker und Kultur in Deutschland, Marburg 22011.
MEHLHAUSEN, Joachim, Freidenker, in: Theologische Realenzyklopädie 11 (1983), Sp. 489-493.
FEIEREIS, Konrad, Freidenker, in: Lexikon für Theologie und Kirche3 4 (1995), Sp. 91-93.
Empfohlene Zitierweise
Freidenkerbewegung, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 863, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/863. Letzter Zugriff am: 28.03.2024.
Online seit 25.02.2019, letzte Änderung am 20.01.2020.
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