Dokument-Nr. 562
Schulte, Karl Joseph an Pacelli, Eugenio
Köln, 11. April 1923

Hochwürdigste Exzellenz!
In den Anlagen übersende ich zwei Darlegungen,1 die sich mit den voraussichtlichen religiösen Wirkungen des französisch-belgischen Vorgehens befassen, und die den Ernst dieser Situation meines Erachtens klar aufzeigen. Diese Darlegungen werde ich auch Monsignore Testa überreichen, sobald er wieder durch Köln kommt. Da aber darüber noch manche Tage vergehen können, und da die postalische Verbindung mit dem Ruhrgebiete ebenso schwierig wie unsicher geworden ist, möchte ich zunächst Euere Exzellenz ehrerbietigst bitten, die Anlagen dem Heiligen Stuhl zu unterbreiten.
Freiherr von Loe, der Urheber des angefügten Schreibens vom 30. März d. J., ist der Bruder der Generaloberin des Sacré Cœur in Rom. Als Vorsitzender des Rheinischen Bauernvereins ist er in der Lage, das in den weitesten katholischen Schichten Deutschlands umgehende Urteil gut kennenzulernen. Seiner tiefreligiösen Gesinnung und seinem durchaus katholischen Empfinden entspricht es sonst nicht, sich irgendwie kritisch über eine vom Heiligen Stuhl nach außen hin
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eingenommene Haltung auszusprechen.
Die andere Anlage ist von einem meiner ersten Mitarbeiter in der Verwaltung der Erzdiözese verfasst und enthält jene Gedanken, die wieder und wieder von ernst und ruhig denkenden führenden Katholiken betont werden. Man hat in diesen Kreisen vielfach die Empfindung, daß der Heilige Stuhl uns zwar wirklich wohlwolle, aber unsere eigentlich tiefsten Sorgen und Kümmernisse noch nicht vollkommen verstehe, und diese sind eben in der Denkschrift zum Ausdruck gebracht worden. Es erschien mir heilige Pflicht, diese auf das Wesentliche der Lage hinzielenden Gedanken und Erwägungen dem Heiligen Stuhle nicht vorzuenthalten.
Nicht unterlassen möchte ich hervorzuheben, daß die Entsendung von Monsignore Testa in das Einbruchsgebiet allgemein von der deutschen Bevölkerung dankbar begrüßt worden ist und als ein besonders tröstlicher Beweis des väterlichen Wohlwollens des Heiligen Vaters gewertet wird. Leider erwartet mancher Unmögliches von der Mission, die Msgr. Testa anvertraut wurde, und auch von Msgr. Testa, der als mit den Verhältnissen vorerst nicht vertraute Einzelperson diese Mission auszuführen hat.
In treuester und dankbarster Verehrung bin ich
Euerer Exzellenz
ehrerbietig ergebenster
C J Card. Schulte,
Erzbischof von Köln.
1Hds. am linken Seitenrand von unbekannter Hand, vermutlich vom Empfänger, notiert: "2".
Empfohlene Zitierweise
Schulte, Karl Joseph an Pacelli, Eugenio vom 11. April 1923, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 562, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/562. Letzter Zugriff am: 28.03.2024.
Online seit 24.10.2013.