Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) in Bayern

Die bayerische Mehrheitssozialdemokratie (MSPD) hatte sich am Ende des Ersten Weltkriegs für eine demokratische Verfassungsreform engagiert. Die Revolution konnte aber, auch wenn Erhard Auer, der Vorsitzende der bayerische MSPD, dies wollte, nicht aufgehalten werden. Am 8. November fügte sich die MSPD den Tatsachen und trat in die provisorische Regierung des Unabhängigen Sozialdemokraten Kurt Eisner ein, um die Revolution zu kanalisieren.
Die MSPD war nicht in der Lage, ihre reformistische Politik im revolutionären Umbruch umzusetzen. Mit den Landtagswahlen am 12. Januar 1919, bei denen die MSPD mit 33,0 Prozent der Stimmen deutlich über dem Anteil der USPD mit 2,5 Prozent lag, war jedoch die MSPD wieder in der Lage, die Initiative zu übernehmen.
Nach den Anschlägen am 21. Februar 1919, die zum Tod Eisners und zur Verwundung Auers führten, kam es aber zu einer erneuten Radikalisierung der Situation im Land. Anfang April 1919 wurde die Räterepublik ausgerufen und die seit März bestehende neue Regierung des Mehrheitssozialdemokraten Johannes Hoffmann musste nach Bamberg fliehen.
Die Position der bayerischen MSPD zur Räterepublik war nicht eindeutig. Zwar lehnten viele Funktionäre sie strikt ab, viele Parteianhänger, vor allem in München, sympathisierten jedoch mit ihr. Die Regierung Hoffmann versuchte zunächst aus eigener Kraft, die Räterepublik zu besiegen. Weil dies aber Mitte April 1919 misslang, rief sie das Reich und Reichswehrminister Gustav Noske um Hilfe an. Reguläre Truppen und Freikorps schlugen die Räterepublik daraufhin Anfang Mai 1919 blutig nieder.
Diese Ereignisse führten zur Entfremdung zwischen Mehrheitssozialdemokratie und vor allem der südbayerischen Arbeiterschaft, was sich auch in den anschließenden Wahlergebnissen niederschlug. In den Landtagswahlen am 6. Juni 1920 kam sie nur noch auf 16,5 Prozent der Stimmen. Viele ihrer Wähler gingen zur USPD über.
Die SPD wurde insbesondere durch die BVP aus der bayerischen Politik ausgeschlossen und war ab März 1920 bis zum Ende der Weimarer Republik an keiner Landesregierung mehr beteiligt.
Im Zuge einer konservativen Kehrtwende wurde der mittlerweile wiedervereinigten Sozialdemokratie (SPD) die Schuld an der Revolution gegeben. Die wenigen gelungenen Reformen, etwa im Schulwesen, wurden nach und nach kassiert. Ihre Landtagswahlergebnisse lagen – abgesehen von einem leichten Anstieg während der Phase der relativen Stabilität der Weimarer Republik, als die SPD 1924 24,2 Prozent der Stimmen gewann, – stets bei ca. 16 Prozent.
Beteiligung an Landesregierungen
Kabinett Ministerposten
Kabinett Eisner (8. November 1918 bis 17. März 1919) Justiz (Johannes Timm), Inneres (Erhard Auer), Kultus (Johannes Hoffmann), Militär (Albert Roßhaupter), Handel, Industrie und Gewerbe (Lujo Brentano)
Kabinett Segitz (1. März bis 17. März 1919, trat nie zusammen) Ministerpräsident, Äußeres, Inneres (Martin Segitz), Justiz (Fritz Endres), Kultus (Ernst Niekisch)
Kabinett Hoffmann I (17. März bis 31. Mai 1919) Ministerpräsident, Äußeres, Kultus und Unterricht (Johannes Hoffmann), Justiz (Fritz Endres), Inneres (Martin Segitz), Soziales (Hans Gasteiger, ab 9. April 1919), Militär (Ernst Schneppenhorst), Handel, Industrie und Gewerbe (August Sigmund Karl Ulrich Haller von Hallerstein)
Kabinett Hoffmann II (31. Mai 1919 bis 16. März 1920) Ministerpräsident, Äußeres, Kultus (Johannes Hoffmann), Inneres (Fritz Endres), Soziales (Martin Segitz), Militär (Ernst Schneppenhorst, bis 25. August 1919)
Literatur
FALTER, Jürgen / LINDENBERGER, Thomas / SCHUMANN, Siegfried, Wahlen und Abstimmungen in der Weimarer Republik. Materialien zum Wahlverhalten 1919-1933 (Statistische Arbeitsbücher zur neueren deutschen Geschichte), München 1986, S. 91.
HÜRTEN, Heinz, Revolution und Zeit der Weimarer Republik, in: SCHMID, Alois (Hg.), Handbuch der bayerischen Geschichte, Bd. 4: Das neue Bayern. Von 1800 bis zur Gegenwart, Teilbd. 1: Staat und Politik, München 22003, S. 439, 498 passim.
KRITZER, Peter, Die bayerische Sozialdemokratie und die bayerische Politik in den Jahren 1918 bis 1923 (Miscellanea Bavarica Monacensia 20 / Neue Schriftenreihe des Stadtarchivs München 37), München 1969.
KRITZER, Peter, Weißblau und rot. Die bayerische Sozialdemokratie in der Weimarer Zeit, in: KRITZER, Peter (Hg.), Unbekanntes Bayern. Politik, Staat und Kirche, Bd. 2, München 1980, S. 119-131.
MEHRINGER, Hartmut, Die bayerische Sozialdemokratie bis zum Ende des NS-Regimes. Vorgeschichte, Verfolgung und Widerstand, in: BROSZAT, Martin / MEHRINGER, Hartmut/ FRÖHLICH, Elke (Hg.), Bayern in der NS-Zeit, Bd. 5: Die Parteien KPD, SPD, BVP in Verfolgung und Widerstand, München u. a. 1983, S. 287-432, hier 310-328.
Empfohlene Zitierweise
Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) in Bayern, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 19066, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/19066. Letzter Zugriff am: 20.04.2024.
Online seit 04.06.2012, letzte Änderung am 06.05.2019.
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