Schreiben Pius' XI. an Pompili vom 31. Januar 1923

Gleich nach dem Beginn der Besetzung des Ruhrgebietes durch belgische und französische Truppen am 11. Januar 1923 erhob der Kölner Erzbischof Karl Joseph Kardinal Schulte mehrmals öffentlich Protest gegen diese Maßnahme. Aufsehen erregte vor allem sein oberhirtlicher Erlass vom 28. Januar 1923, in welchem er den Aufruf der Reichsregierung zum Passiven Widerstand unterstützte. Kurz davor, am 26. Januar, hatte sich Schulte bereits an Papst Pius XI. gewandt und ihn gebeten, seinen Einfluss geltend zu machen, um die Ruhrbesetzung zu beenden. Auch die deutsche und die französische Regierung versuchten, den Heiligen Stuhl in ihrem jeweiligen Sinne zu beeinflussen. Ende Januar berichtete die italienische Presse über Schultes Brief, noch bevor er den Heiligen Stuhl erreicht hatte.
Dieser geriet durch Schultes Schreiben in eine gewisse Verlegenheit, drohte er doch in eine nationale Auseinandersetzung hineingezogen zu werden. Pius XI. wählte deshalb für eine Antwort den indirekten Weg. Noch bevor der Brief Schultes in Rom eingetroffen war, wurde am 2. Februar im "Osservatore Romano" ein auf den 31. Januar datiertes päpstliches Schreiben an den Generalvikar der Diözese Rom, Basilio Pompili, veröffentlicht. Darin klagte der Papst in allgemeinen Worten über "lo spettro pauroso di nuove conflagrazioni coi loro prodromi di danni e di dolori per individui e famiglie, città e provincie". Pompili wurde aufgefordert, in Rom Gebete für die betroffenen Nationen und Regierungen zu veranlassen. Pizzardo teilte dem Beauftragten Schultes in Rom, dem Rektor des Campo Santo Teutonico Emmerich David, mit, dass sich diese päpstliche Verlautbarung auf die Ereignisse im Rheinland beziehe.
Das Schreiben wurde in Deutschland als Solidaritätserklärung des Papstes interpretiert. Gasparri sah sich deshalb gezwungen, den deutschen Botschafter beim Heiligen Stuhl Diego von Bergen darauf hinzuweisen, dass eine solche Vereinnahmung des Heiligen Stuhls diesen kompromittiere.
Quellen
Pius XI. an Basilio Pompili vom 31. Januar 1923, in: L'Osservatore Romano Nr. 26 vom 2.  Februar 1923, S. 1.
Literatur
Ruhrkrise und passiver Widerstand; Schlagwort Nr. 3097.
SELBACH, Hans-Ludwig, Katholische Kirche und französische Rheinlandpolitik nach dem Ersten Weltkrieg. Nationale, regionale und kirchliche Interessen zwischen Rhein, Saar und Ruhr (1918-1924) (Libelli Rhenani. Schriften der Erzbischöflichen Diözesan- und Dombibliothek zur rheinischen Kirchen- und Landesgeschichte sowie zur Buch- und Bibliotheksgeschichte 48), Köln 2013, S. 428-432.
STEHLIN, Stewart A., Weimar and the Vatican 1919-1933. German-Vatican Diplomatic Relations in the Interwar Years, Princeton, New Jersey 1983, S. 222 f.
Empfohlene Zitierweise
Schreiben Pius' XI. an Pompili vom 31. Januar 1923, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 12085, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/12085. Letzter Zugriff am: 29.03.2024.
Online seit 24.10.2013, letzte Änderung am 26.06.2019.
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